Vor zwei Jahrzehnten hatte es nicht leicht begonnen mit Joachim Schäfer und dem Job in Heumaden: Der Pfarrer hat sich damals scheiden lassen. Foto: Sägesser

Joachim Schäfer tauscht die Kanzel gegen seinen Kleinbus. Nach zwei Jahrzehnten verabschiedet sich der Pfarrer im Herbst vorzeitig in den Ruhestand.

Stuttgart-Heumaden - Das Auto wird bald sein treuster Weggefährte sein. Noch parkt der silbergraue Kleinbus meistens an der Bockelstraße, während Joachim Schäfer seiner Arbeit nachgeht. Doch die Tage in Heumaden sind gezählt. Ende September verabschiedet sich der Pfarrer nach 21 Jahren von seiner Gemeinde, und dann ist der Bus am Zug. Joachim Schäfer wird ihn durch die weite Welt lenken.

„Das ist ein Kindheitstraum“, sagt er. Joachim Schäfer erzählt, wie er als Junge Routen in seinen Schulatlas gezeichnet hat, er hat die Welt im Kopf bereist. Heute ist der Pfarrer 59 Jahre, das sei ein gutes Alter, um aus den Wünschen Wirklichkeit werden zu lassen. Deshalb geht Joachim Schäfer früher in den Ruhestand.

An der Wand des Pfarrbüros hängt eine Schäferschippe. Sie ist damals zusammen mit Joachim Schäfer hier eingezogen, sie war eine Begrüßungsgabe. Er sieht sie gut, wenn er an seinem antiken Besprechungstisch sitzt. Wenn er sich bewegt, knarzt der Stuhl, hinter ihm kämpft sich die Frühlingssonne durch die zugezogenen Gardinen. Der Geruch der letzten Zigarette ist noch nicht verraucht.

Ist ein Pfarrer geschieden, kratzt das an seiner Glaubwürdigkeit

Schäfer denkt bisher selten über das berufliche Ende nach. „Ich bin noch nicht auf Abschied getrimmt“, sagt er. Aber 21 Jahre sind nicht ohne. Wie viele Kinder hat er getauft, wie viele Ehen geschlossen, wie viele Menschen begraben? Die Wehmut wird kommen. Doch Joachim Schäfer sagt: „Ein Wechsel ist gut für die Gemeinde.“

Es hatte vor zwei Jahrzehnten nicht leicht begonnen, mit Joachim Schäfer und der Stelle in Heumaden. Kaum war er da, haben er und seine Frau sich scheiden lassen. Es gab eine Zeit, da hat das einen Pfarrer den Job gekostet. Joachim Schäfer hatte damit gerechnet, dass er zumindest versetzt würde. „Wir nehmen den Menschen das Eheversprechen ab“, sagt er. Ist ein Pfarrer geschieden, kratzt das an seiner Glaubwürdigkeit. „Das weckt in einer Gemeinde große Emotionen.“

Joachim Schäfer durfte bleiben. Und mit ihm zwei der vier gemeinsamen Kinder. Die anderen beiden sind mit der Mutter nach Sillenbuch gezogen. „Wir haben gesagt: Ehe kaputt, Familie bleibt“, sagt Joachim Schäfer. Also haben sie sich jahrelang sonntags zum Mittagessen getroffen. „Das war ein heiliger Familientermin.“ Und Weihnachten feiern sie nach wie vor zusammen.

Schäfer mag es, mit den Augen zu reisen

Dass Joachim Schäfer Pfarrer geworden ist, lag nicht auf der Hand. Er besuchte ein naturwissenschaftliches Gymnasium, sein Vater war Ingenieur. Der Religionslehrer hat den jungen Joachim jedoch so sehr in seinen Bann gezogen, dass er begann, mit der Theologie zu liebäugeln. Kopfzerbrechen bereitete ihm nur der Lehrplan an der Uni. Auf dem stand: Griechisch, Latein und Hebräisch. Mit Fremdsprachen hatte es Joachim Schäfer nie, deshalb hat er lieber mit Sozialpädagogik angefangen.

Es war der Wehrdienst, der ihn doch noch auf den gewünschten Weg gebracht hat. Er wollte nicht dienen, sein Nein wurde allerdings abgelehnt. Da hat sich der Verweigerer gesagt: „Also bevor ich zur Bundeswehr gehe, lerne ich doch die drei Sprachen.“ Er ging dafür nach Tübingen, Heidelberg und Hamburg. Nach dem Studium folgten Stationen in Ludwigsburg und Geißelhardt im Landkreis Schwäbisch Hall. Und dann vor 21 Jahren eben die Stelle seines Lebens: Heumaden.

Im Herbst wird sich Joachim Schäfer daran machen, seinen Kleinbus für die große Fahrt fit zu machen. „Ich stelle mir vor, dass man die ganze Welt mit dem Auto erreicht“, sagt er. Er mag es, mit den Augen zu reisen. Das hilft ihm beim Ankommen. „Wenn Sie mit dem Flieger irgendwo runterfallen, erleben Sie nicht die Veränderung der Natur“, sagt er. Und sein Bus ist für Joachim Schäfer „ein Minimum an Bequemlichkeit“, er sei Transportmittel und Schlafstätte zugleich.

Eine Küche hat das Auto nicht, aber das ist dem Pfarrer einerlei. „Urlaub war mir immer zu schade, um Salat zu putzen“, sagt er. „Ich koche ja nicht mal daheim.“ Seit Jahren ist er Abonnent des mobilen Mittagstischs. „Für Gehbehinderte und mich wird er ins Haus gebracht“, sagt er. Deshalb kann Joachim Schäfer die Zeit anders nutzen. Bald wird er sie brauchen, um seine sieben Sachen in Kisten zu packen.