Manager Michael Preetz (li.) von Hertha BSC verkündet am 5. Februar auf der Geschäftsstelle von Hertha BSC die Entlassung von Trainer Luhukay und präsentiert einen der beiden Interimstrainer, Pal Dardai, in Berlin. Foto: dpa

Was entscheidet am Ende den Kampf gegen den Abstieg? Für Rainer Wid- mayer ist die Antwort klar. „Nicht die Qualität der Einzelspieler, sondern die mannschaftliche Geschlossenheit“, sagt der Co-Trainer von Hertha BSC vor dem Duell beim VfB an diesem Freitag (20.30 Uhr/Sky) in der Mercedes-Benz-Arena.

Herr Widmayer, sagen Sie bloß nicht, das Fußball-Bundesligaspiel beim VfB Stuttgart ist für Sie eine Partie wie jede andere auch.
Doch, das sage ich. Natürlich bin ich Schwabe und der VfB war siebeneinhalb Jahre mein Verein, aber jetzt bin ich angestellt bei Hertha BSC, und ich habe die Interessen des Clubs zu vertreten.
Bei einer Niederlage wäre der VfB acht Punkte hinter Hertha BSC und könnte für die zweite Liga planen.
Ach, danach sind immer noch zehn Spiele. Und umgedreht wäre der VfB bei einem Sieg zwei Punkte an uns dran. Nein, auf solche Spielchen lasse ich mich nicht ein.
Huub Stevens wäre selbst bei einem Unentschieden kaum zu halten. Der Druck auf den VfB ist größer. Ein Vorteil für Hertha BSC?
Auch wir haben Druck und garantiert nichts zu verschenken. Es bleibt eng bis zum Schluss, und unsere Lage ist genauso ernst. Für uns wird es genauso schwer, in der Liga zu bleiben, wie wir für den VfB.
Was entscheidet am Ende?
Die mannschaftliche Geschlossenheit. Die Bereitschaft, alles zu geben, sich gegenseitig zu unterstützen, der absolute Wille, den Fehler des Mitspielers auszubügeln. Das alles ist wichtiger als die Qualität der einzelnen Spieler. Die macht erst dann den Unterschied aus, wenn die mannschaftliche Geschlossenheit gegeben ist.
Und die ist bei Hertha größer als beim VfB?
Das weiß ich nicht. Es steht mir nicht zu, mich zum VfB zu äußern. Ich weiß nur, dass wir zuletzt gegen den FC Augsburg eine ordentliche Leistung gezeigt und uns mit dem 1:0-Sieg für unseren großen Aufwand im Spiel und auch im Training belohnt haben.
Worin liegt der Hauptunterschied zwischen Hertha BSC und dem VfB?
Wir sind der Hauptstadtclub. Medial ist hier unglaublich viel los. Es ist wirklich nicht einfach, in Ruhe zu arbeiten.
Sie genießen in Berlin fast schon Kultstatus. Warum kommen Sie mit Ihrer geradlinigen Art so gut an?
Es haben sich wirklich viele Leute gefreut, dass ich wieder hier bin. Ich glaube, die Berliner mögen es, wenn man sich nicht verstellt und einfach authentisch ist, ähnlich wie Jürgen Klopp das in Dortmund auch ist. Ich bleibe meinem Naturell treu, gebe mich wie im normalen Leben, verbiege mich vor keinem, auch nicht vor dem Spielern. Und ich versuche erst gar nicht, Hochdeutsch zu sprechen (lacht).
Mussten Sie lange überlegen, als am 5. Februar die Anfrage kam, nach Berlin zurückzukehren?
Ich konnte gar nicht lange überlegen. Manager Michael Preetz gab mir am Vormittag zehn Minuten Bedenkzeit. Ich sagte, ich brauch’ eine Stunde, weil meine Frau beim Einkaufen war. Am Abend bin ich schon nach Berlin geflogen.
Und der TSV Eltingen hatte plötzlich keinen A- und C-Jugend-Trainer mehr.
Ja, das tat mir in der Seele weh. Da spielen meine beiden Söhne, und die zwei Mannschaften sind mir ans Herz gewachsen. Ich konnte bisher nicht einmal vorbeikommen, um mich zu verabschieden.
Wenn sich Hertha BSC nicht gemeldet hätte, wären Sie dann als Scout beim VfB gelandet? Sie hatten um die Jahreswende bereits ein Gespräch mit Präsident Bernd Wahler geführt.
Möglicherweise wäre das so gekommen, ja. Ich hatte zum VfB immer Kontakt, da ich mit Jochen Schneider (Anm. d. Red.: Sportdirektor) und Rainer Adrion (sportlicher Leiter U 17 bis U 23) befreundet bin.
Stimmt es, dass Ihnen Torwart Jens Lehmann zu VfB-Zeiten mal einen Ordner von Arsène Wenger mitgebracht hat?
Ja, Jens war vom FC Arsenal zum VfB gewechselt und hat wohl in meinem Training Dinge wiedererkannt, die Arsène Wenger ähnlich gemacht hat. Er hat mir dann einen Ordner von Wenger mitgebracht und gesagt, ich könne ihn mir mal anschauen oder auch etwas kopieren.
Jetzt sind Sie bei der Hertha Assistent von Pal Dardai. Was zeichnet ihn aus?
Wie schon als Spieler – sein extremer Ehrgeiz. Es ist seine erste Station, und er brennt ohne Ende.
Sie haben mehr Erfahrung, er ist der Chef. Wie läuft die Zusammenarbeit?
Es geht nicht um jung oder erfahren. Es geht um die besseren Argumente. Das ist wie in einer Ehe. Meine Frau hat ihre Sichtweise, ich habe meine – und wenn die nicht übereinstimmen, muss man miteinander reden und versuchen, den anderen mit Argumenten zu überzeugen.
Ist Pal Dardais Doppelbelastung durch seine Tätigkeit als ungarischer Nationaltrainer kein Problem?
Nein, überhaupt nicht. Er konzentriert sich zu 100 Prozent auf Hertha BSC. Wenn er Ende März mal ein paar Tage nicht in Berlin sein wird, werde ich in Absprache mit ihm das Training leiten. Das Vertrauen der Spieler habe ich.
Was spricht dafür, dass Hertha BSC und der VfB den Klassenverbleib schaffen?
Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass wir es schaffen. Über andere urteile ich nicht.