Im Clara-Zetkin-Haus (Mitte) treffen sich an lauen Sommerabenden nicht nur politisch Interessierte aus dem linken Spektrum. Catherine Rommel (von rechts), Adele Sperandio und Karl Rehmann reden bei Maultaschen über Gott und die Welt. Foto: factum/Granville

Die einstige konservative Hochburg Sillenbuch hat sich gewandelt. Das politische Farbspektrum im Bezirk ist bunter geworden. Unterwegs mit Catherine Rommel, einer Schwarzen mit grünen Einsprengseln.

Sillenbuch - Das Fahrrad parkt bereits vor der Tür, wenig später kommt Catherine Rommel aus der Tür ihres Reihenhäuschens in Heumaden. Als Business-Coach trägt sie Kostüm, heute, für die Tour durch den Bezirk, wuschelige Mähne, Lederjacke, Turnschuhe. „Nicht die typische CDUlerin, oder?“, flachst sie. Dabei dürften wenige Mitglieder der Sillenbucher CDU mehr Stallgeruch haben als Rommel. Die 47-Jährige ist die Tochter des ehemaligen Stuttgarter CDU-Oberbürgermeisters Manfred Rommel. Mit 15 Jahren trat sie der Jungen Union bei. „Beisitzerin, Schriftführerin und Delegierte. Ganz freiwillig!“

Obwohl Rommel heute manches anders sieht – das Parteibuch mit der Nummer 5110 hat sie nie abgegeben. Der christliche Hintergrund sei es, weswegen sie die CDU anderen Parteien immer noch vorziehe. Allerdings: das Bild von der schwarzen Hochburg Sillenbuch sei überholt. „Schwarz-grüne Hochburg vielmehr. Und das bereits seit 30 Jahren“, korrigiert sie. Zwar sei der Stadtbezirksverband der Sillenbucher Christdemokraten einer der mitgliederstärksten in Stuttgart – „aber bei der Landtagswahl lagen CDU und Grüne nur einen Prozentpunkt auseinander“.

Das Sillenbuch von heute ist nicht mehr das Sillenbuch ihrer Kindheit. Manchmal bedauert sie das. Etwa beim Gedanken an die wilden Wiesen, aus denen Baugebiete wurden. „Für mich war das hier ein Paradies“, sagt Rommel und hält ihr Fahrrad an. Der Wald in nächster Nähe, überall Obstwiesen. Jetzt braust an der Schemppstraße der Verkehr, vor ihr liegen die Hochhäuser des Sillenbucher Marktes. „Als meine Eltern hier bauten, waren die Grundstückspreise noch moderat“, sagt Rommel. Heute könne man im Stadtbezirk Fantasiepreise auch für Wohnungen verlangen – und bekomme sie bezahlt. Ein Häuschen in Hedelfingen zähle für manche nichts, Sillenbuch muss es gerade sein. Rommel schüttelt den Kopf. „Dadurch ist der Stadtteil homogener geworden, reicher.“ Rommel sieht diese Entwicklung mit Unbehagen.

Mag es früher auch heterogener gewesen sein, der Jugendlichen Catherine Rommel wurde es in Sillenbuch irgendwann trotzdem zu eng. Klar, es gab bereits das Jugendhaus an der Gorch-Fock-Straße. „Aber das war mir damals zu siffig“, sagt sie. Würde sie heute noch genauso urteilen? Rommel weiß es nicht. Mit 15 Jahren befand sie jedenfalls, dass das Jugendhaus kein Ort für Töchter aus besserem Hause war. 1984 eröffnete das Eiscafé Timone an der Kirchheimer Straße. Das machte das Leben für einen Teenager in Sillenbuch erträglicher. Allerdings war Rommel da schon aus diesem Alter heraus.

Der Eltern wegen war Rommel die Rückkehr recht

Nach der Schule zog es sie in die Welt – dann ist sie mit ihrem Mann und den beiden Kindern jedoch zurückgekehrt. Seit 2002 lebt sie in Heumaden. Die berufsbedingte Rückkehr war ihr recht, der Eltern wegen. Lieber wäre es Catherine Rommel, wenn die beiden in die Seniorenwohnanlage Augustinum in Riedenberg umzögen. „Wie im Club Med ist es dort. Wer raus will, kommt raus. Wer drin bleibt, bekommt alles vor Ort.“ Aber der Ex-OB und seine Frau bleiben in dem Haus, dass sie Anfang der 50er Jahre in Alt-Sillenbuch gebaut haben.

„Alt-Sillenbuch“, sagt Rommel und verdreht mit einem ironischen Lächeln die Augen. Diejenigen, die nach dem Krieg am Hang gebaut haben, mögen sich zwar als Alt-Sillenbucher fühlen. Für die Alteingesessen waren die Nachbarn oberhalb ganz klar Neu-Sillenbucher. Oft ist Catherine Rommel mit ihren Eltern sonntags durch den Ortskern spaziert. Damals hatte sie noch keinen Sinn für die Geschichte, die die Wengerter- und Obstbauernhäuser an der Tuttlinger und der Buowaldstraße erzählen. „Runde Hoftore für die Weinfässer, eckige für die Heuballen“, sagt sie. Das Wissen hat sie sich später angelesen.

Nächster Stopp: Bädle. Morgens der Treff rüstiger Rentner, sommertags von jeher „der Hang-out-Punkt für Jugendliche“. Am Beckenrand kommt Rommel ins Schwärmen. „Wir Mädchen sind mit Geschrei die Schräge ins Wasser gerutscht“, Catherine Rommel deutet auf den linken Beckenrand, „und die Jungs saßen rechts, nahmen das wohlwollend zur Kenntnis.“

Es ist zwölf Uhr. Im Waldheim an der Gorch-Fock-Straße warten Adele Sperandio und Karl Rehmann vom Verein Clara-Zetkin-Haus bei Maultaschen. „Frau Rommel, da lernen wir uns mal kennen“, ruft Sperandio. „Sie sind ja schon lange dabei.“ Rommel nickt. Als junge Mutter ist sie, die Schwarze, dem roten Verein beigetreten. Sie war oft hier, unterstützt deswegen aus Solidarität die Arbeit des Vereins. „Wir haben gerne den tollen Spielplatz genutzt. Außerdem: auch im reichen Sillenbuch hat nicht jeder einen Garten“, sagt Rommel. Als Rommel eintrat, ging es ihr wie vielen Müttern: der Mann oft unterwegs, sie mit den Kindern alleine. „Hatte ich Lust auf Gesellschaft, bin ich ins Zetkinhaus gekommen.“ Das scheint sich bis heute nicht geändert zu haben. An den Nebentischen sitzen viele Frauen, die Rommel mit einem Augenzwinkern als Cayenne-Mamis betitelt. Mit ihren protzigen Flitzern von Stuttgarter Nobelmarken könnten sie problemlos andere Gaststätten ansteuern. „S’ liegt aber geschickt hier, nett ist es auch“, sagt eine und eilt mit zwei Portionen Würstchen in den Garten.

Karl Rehmann erinnert sich: „Ihr Vater war doch mal da, als Sie einen Kindergeburtstag hier gefeiert haben. Und auch sonst schon mal.“ Tolerant sei OB Rommel gewesen, gar kein Parteimensch. Sie, Catherine, scheine ähnlich geraten zu sein. Rommel lacht und sagt: „Wissen Sie, ich bin nicht schwarz-schwarz, genauso wenig wie Sie rot-rot sind.“