Diese Wohnhäuser sollen dem Haus der Kirche weichen. Foto: Cedric Rehman

Die Stadt und die evangelische Kirche verhandeln über den Verkauf von zwei Wohngebäuden an der Großen Falterstraße in Degerloch. Sie sollen dem Haus der Kirche weichen. Der Mieterbund kritisiert, dass Wohnraum verloren gehe.

Degerloch - Die evangelische Gemeinde freut sich, der Mieterbund weniger. Im Blatt der Gemeinde aus dem vergangenen Monat heißt es, dass das Baugesuch für das Haus der Kirche bis Ende November eingereicht werden soll. Damit verbunden sei der Antrag zum Abbruch der Gebäude an der Großen-Falter-Straße 8 und 10. In dem Gebäude lebt laut Aussagen von Peter Necker vom Immobilienausschuss der Kirche noch eine Partei. Laut Angaben der Stadt sind es zwei. Die anderen Mieter sind demnach bereits in Ersatzwohnungen gezogen, die von der Stadt angeboten worden sind. Dem Mieterbund missfällt nun, dass Wohnraum verloren geht, obwohl Stuttgart zum 1. Januar 2016 ein Zweckentfremdungsverbot erlassen will.

Die Kirche freut sich, dass sie das Gebäude, das die Stadt gern loswerden will, wohl kaufen kann. Es werde zielführend verhandelt, und ein Abschluss 2016 sei gut möglich, bestätigt Sven Matis, Sprecher der Stadt. Für diejenigen, die das Haus der Kirche nach den Vorstellungen des Architektenwettbewerbs realisieren wollen, sind das gute Nachrichten. Denn dann gibt es genug Platz, um das Haus der Kirche mit einem großen und kleinen Saal sowie einem Raum der Begegnung für alle Degerlocher zu bauen

Kritik des Mieterbunds

Der Mieterbund merkt an, dass dieser Platz geschaffen wird, indem Wohnraum vernichtet wird. In Stuttgart gebe es leider noch kein Zweckentfremdungsverbot, sagt Rolf Gaßmann, Vorsitzender des Mieterbunds Stuttgart. „In Stuttgart ist es im Moment noch erlaubt, Wohnraum zu vernichten“, sagt Gaßmann. Erst in einigen Wochen wird es nicht mehr möglich sein, dass Wohnungseigentümer dem Markt Wohnraum entziehen. Als Grund für das neue Gesetz gilt nicht zuletzt der Zuzug von Flüchtlingen. Der Wohnungsmarkt ist bekanntlich ohnehin angespannt.

Die Stadt ficht das Argument nicht an, dass sie im Fall der beiden Gebäude an der Großen Falterstraße nun selbst Wohnungen vernichtet. „Wir können wegen des künftigen Zweckentfremdungsverbots nicht Verhandlungen abbrechen, die auf der Zielgerade sind“, sagt Matis. Mit der Kirche werde schon seit Jahren über die Gebäude gesprochen. Von Dekan Wolfgang Röhl gab es bis Redaktionsschluss keine Stellungnahme zu der Frage, ob die Kirche von der Zerstörung von Wohnraum profitiert.

Ob es tatsächlich zum Abriss der Gebäude kommt, hängt nach Einschätzung von Gaßmann nicht zuletzt von den letzten verbliebenen Mietern ab. Sie könnten sich mit Erfolgsaussicht einem geplanten Abriss widersetzen, meint er. Er verweist auf ein Beispiel aus Stuttgart-Mitte. Ein Mieter an der Danneckerstraße hatte sich geweigert, auszuziehen, nachdem der Eigentümer ihm wegen eines geplanten Gebäudeabrisses gekündigt hatte, sagt Gaßmann. „Vor Gericht hat er Recht bekommen, und das Gebäude steht heute noch.“ Am meisten schmerzt ihn, dass die Stadt sich aus seiner Sicht nicht anders verhält als andere Eigentümer. „Es gibt eine allgemeine Tendenz in Stuttgart, günstigen Wohnraum zu beseitigen“, so der Vorsitzende des Mieterbunds. 20 000 Wohnungen würden nach Schätzungen seiner Organisation in Stuttgart aber fehlen.

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