Hasko Weber Foto: Steffen Schmid

Stuttgarts Schauspielchef Hasko Weber verlässt 2013 das Staatstheater - "Acht Jahre angemessen".

Stuttgart - Gleich 2005/2006 in seiner ersten Saison wurden Hasko Weber und sein Team zum "Theater des Jahres" gewählt. Am Montag sagte Stuttgarts Schauspielintendant, er werde seinen 2013 regulär endenden Vertrag nicht verlängern.

Herr Weber, Sie arbeiten in einem finanziell gut ausgestatteten Theater - und verlängern doch nicht Ihren Vertrag. Angesichts auch der Finanzkürzungen an anderen Häusern ein mutiger Schritt. Wie kommt's?

Das ist richtig und ist mir auch sehr bewusst. Ich stecke ja gerade mit der Sanierung des Schauspielhauses und der Spielzeit in einer Interimsspielstätte mitten in einer Riesenaufgabe. Und trotzdem möchte ich mich nicht selbst täuschen. Acht Jahre Intendanz mit einem großen Ensemble und einem großen Dramaturgieteam und rund zwanzig Produktionen pro Saison sind ein Zeitraum, den ich für angemessen halte, um in einer Stadt zu arbeiten. Theater braucht Kontinuität, aber auch Brüche und Veränderung. Ich war acht Jahre in Dresden und das ist jetzt auch der Plan für Stuttgart.

Was bedeutet das für das Ensemble?

Ganz einsam habe ich die Entscheidung ja nicht getroffen. Wir sind im sechsten Jahr beieinander und das ist in dieser Stabilität außergewöhnlich. Es sind ja keine Entscheidungen von heute auf morgen zu treffen, wir haben noch zwei Jahre, um mit Lust gemeinsam Theater zu machen.

Ihr Vorgänger Friedrich Schirmer hat es zwölf Jahre in Stuttgart ausgehalten. Man hatte am Ende den Eindruck, er habe selbst das Gefühl, vielleicht doch zu lange geblieben zu sein. Hatte dies Einfluss auf Ihre Entscheidung?

Ich habe meine Entscheidung unabhängig von anderen Personen oder Verabredungen getroffen. Das empfinde ich als sehr befreiend.

Als Sie Dresden verließen, haben Sie frei als Regisseur gearbeitet. Wie halten Sie es nun?

Ich konzentriere mich jetzt auf das Hier und Heute, mal sehen, was dann kommt. Das Theater ist immer ein Ort, bei dem es auf die richtige Konstellation ankommt. Ich will mich jetzt mit voller Kraft und Fantasie den noch folgenden zweieinhalb Spielzeiten dem Haus hier widmen. Es gibt keine Entscheidung für oder gegen etwas. Ich will mich aber selbstverständlich künstlerisch weiterbewegen.

Ein Gedankenspiel: Vor Ihrer Intendanz in Stuttgart haben Sie am Berliner Ensemble Schillers "Räuber" inszeniert, während der "RAF"-Projektwochen war Claus Peymann in Stuttgart. Sie schätzen beide Brecht und schätzen politisches Theater. Würden Sie, sollte er je die Leitung des Berliner Ensembles aufgeben, sein Nachfolger werden wollen?

Ich kann das Gedankenspiel verkürzen, ich will mich jeder Spekulation enthalten, auch was konkrete Theater betrifft. Die Dynamik und Schwünge innerhalb großer Theater sind sehr virulent auch in laufenden Spielzeiten, da ist von heute aus nicht absehbar, wohin sich einzelne Häuser entwickeln.

Welches Haus wollten Sie, unabhängig von konkreten Möglichkeiten, schon immer leiten?

Ich stehe im Moment in dieser Interimszeit was das Ensemble betrifft - und ich meine jeden einzelnen Spieler - und das gesamte Team, in einer Arbeitssituation, die ich keinen Deut ändern wollte. Das Theater hier ist das, was ich mir vorstelle und daran sind alle beteiligt. Da habe ich gar keine Fantasie, wegzugehen. Die Bedingungen sind sehr gut hier. Man darf sich davon nur nicht korrumpieren lassen und sollte so lange bleiben, wie die Energie ausreicht, auf einem hohen Niveau zu arbeiten. Dafür gibt es einen zeitlichen Rahmen. Wozu also ein Wunschkonzert anstimmen, das wäre falsch.

Auch wenn es zu früh ist für einen Rückblick, hält man doch inne, bevor man solche eine Entscheidung trifft. Was ist einfacher, was ist schwieriger gewesen als gedacht?

Man unterschätzt schnell, was es bedeutet, kontinuierlich gemeinsame Arbeit zu machen und sich auch der anspruchsvollen Haltung des Publikums zu stellen. Das ist über mehrere Jahre hinweg eine große Aufgabe, und das sage ich ganz ohne auf Erfolge oder Misserfolge einzugehen. Bestimmten Ewartungshaltungen gerecht zu werden, ist eine Riesenherausforderung, das konnte ich vorher nicht wissen, das ist eine wichtige gemeinsame Erfahrung, die wir gemacht haben.

Sie sind im ersten Jahr zum "Theater des Jahres" gewählt worden. Segen oder Fluch?

Gegen solche Auszeichnungen ist nichts einzuwenden, ich will das nicht schmälern, das ist schön, aber auch relativ. Im ersten Jahr als Theater des Jahres an den Start zu gehen, das legt die Latte hoch. Ich würde sagen, wir haben in der Folge immer versucht, gute Inszenierungen zu machen. Aber es droht der Effekt, dass man bestimmten Bewertungen hinterherläuft. Das relativiert sich auch wieder, wenn man merkt, man hat über die Spielzeiten hinweg eine Stabilität in der Arbeit entwickelt. Das Publikum ist uns begeistert in die Türlenstraße gefolgt, immerhin.

Im Herbst soll das Schauspielhaus wieder eröffnet werden. Mit dieser finanziell aufwendigen Sanierung sind auch Erwartungshaltungen künstlerischer Art verbunden.

Für mich persönlich ist das ein regelrechter Höhepunkt in meiner Arbeit als Intendant. Es ist eine enorme Herausforderung und eine Spannung zu spüren. Wir versuchen das zu versachlichen, und die baulichen und künstlerischen Pläne zusammenzubringen.

Sie haben in Stuttgart mit modernen Klassikern angefangen und zuletzt viel Zeitgenössisches inszeniert. Haben Sie schon an Ihre Abschiedsinszenierung gedacht?

Nein, natürlich nicht. Was meine Arbeiten betrifft, so habe ich immer diese Sprünge auch in Literatur gehabt. Von Januar 2010 bis 2011 sind vier eigene Arbeiten entstanden, neben dem Umbau ist das ein Wahnsinnspensum. Das werde ich mir bei der Hauseröffnung nicht vornehmen. Ich will mich darauf konzentrieren, den ganzen Komplex wieder gut in Gang zu setzen.

Wen wünschen Sie sich als Nachfolger?

Dazu kann ich nichts sagen. Es wird sicher jemand sein, der mit eigenen Vorstellungen das Theater leitet, da gibt's keine Übertragungsnot. Hoffentlich wird es jemand mit ganz anderen Vorstellungen von Theater sein, das wäre für die Stadt eine Bereicherung.

Werden Sie weiter in Stuttgart inszenieren?

Auch das ist eine unbeantwortbare Frage. Ich kann mir alles Mögliche vorstellen. Ich gehe ja nicht, weil ich einen Grund habe, mich von der Stadt zu verabschieden. Das muss völlig offen bleiben

Was werden Sie vermissen?

Im Moment nichts, fragen Sie mich 2014.