Tödliche Textnachrichten am Steuer – eine junge Frau ist deshalb in Stuttgart wegen Mordversuchs verurteilt worden Foto: dpa

Das Landgericht Stuttgart hat eine junge Frau wegen fahrlässiger Tötung und wegen Mordversuchs verurteilt. Die Angeklagte hatte mit dem Handy gespielt und im Kreis Esslingen zwei Fahrradfahrer gerammt.

Stuttgart/Renningen - Nur eine kurze Whatsapp-Nachricht hat die damals 19-jährige Frau während der Fahrt auf dem Smartphone geschrieben. Gerade einmal neun Sekunden war sie nach der Berechnung des Gutachters unaufmerksam. Das hat gereicht, um zwei Radfahrer auf kerzengerader Strecke bei bester Sicht zu übersehen und von hinten zu rammen.

Die „entsetzlichen Folgen“, wie Sina Rieberg, Vorsitzende Richter der 2. Jugendstrafkammer des Landgerichts Stuttgart, es nennt: ein 47-jähriger Fahrradfahrer, Vater zweier schulpflichtiger Kinder, tot. Sein damals 36-jähriger Sportkamerad so schwer verletzt, dass die Ärzte gerade noch eine Querschnittslähmung abwenden konnten.

Fahrlässige Tötung, fahrlässige Körperverletzung, Unfallflucht und vor allem Mordversuch durch Unterlassen – das hat die Staatsanwältin der Angeklagten vorgeworfen. Die 2. Strafkammer ist der Anklägerin gefolgt und hat die junge Frau zu zwei Jahren Jugendstrafe mit Bewährung verurteilt. „Wir haben und damit sehr schwergetan“, so Richterin Rieberg.

Frau bestreitet, das Handy benutzt zu haben

Die Frau, Mutter einer vier Monaten alten Tochter, hatte die zwei Fahrradfahrer am frühen Sonntagmorgen des 17. August 2014 zwischen Renningen und der Weil der Stadt im Kreis Esslingen schlicht nicht wahrgenommen. Weil sie während der Fahrt im Opel Astra ihrer Mutter Textnachrichten geschrieben hat. „Davon ist die Kammer überzeugt“, so Rieberg.

Die Frau hatte dies vehement bestritten. Nie würde sie das Handy während der Fahrt benutzen. Nie. Sie sei an einer Ampel gestanden, habe das Telefon dann aber abgelegt. Danach könne sie sich an nichts mehr erinnern – bis zu einem Knall. Die Rotphase besagter Ampel dauert 26 Sekunden. Die zwei Textnachrichten waren im Abstand von 30 Sekunden abgeschickt worden. „Wir gehen davon aus, dass sie an der Ampel mit dem Schreiben nicht fertig geworden ist“, so die Kammer-Chefin. Es gebe einfach keine andere plausible Erklärung.

Falschaussage bei der Polizei

Das Handy am Steuer also als Ursache für einen tödlichen Unfall. Die Reaktion der Frau nach dem Zusammenprall, das sogenannte Nachtatverhalten, begründet ihre Verurteilung wegen Mordversuchs. „Ihr Verhalten zeigt eindeutig, dass sie damit rechnete, einen Menschen angefahren zu haben“, sagt Richterin Rieberg. Die heute 21-Jährige war nach der Kollision mit dem schwer beschädigten Auto weitergefahren und hatte später ihre Schwester getroffen

Die Schwester rief die Polizei und berichtete, ihre Schwester sei in einen Unfall mit einem schwarzen Auto verwickelt worden. Der schwarze Wagen sei davongefahren. „Der Angeklagten kam es darauf an, nicht mit dem Unfall in Verbindung gebracht zu werden“, so die Richterin. Dabei habe sie in Kauf genommen, dass ein Mensch sterben könne. „Ihr war klar, dass sie verpflichtet war, auszusteigen und zu helfen.“

Das zweite Opfer muss lebenslang leiden

Aber die junge Frau fuhr weiter. Und zwar, um ihre Beteiligung an dem furchtbaren Geschehen zu verschleiern. Das ist Mordversuch durch Verdeckung. Versuch nur deshalb, weil dem 47-jährigen Sportphysiotherapeuten, der schwer mit dem Kopf gegen die Dachkante des Autos geschlagen war, auch bei sofortiger Versorgung nicht mehr hätte geholfen werden können. Er starb im Rettungshubschrauber. Das zweite Opfer hat lebenslang an den Folgen zu tragen. Der passionierte Sportler ist und bleibt wohl körperlich schwer eingeschränkt.

Die Angeklagte muss 250 Stunden gemeinnützige Arbeit in der Alten- oder Krankenpflege ableisten und eine Psychotherapie, machen, um ihre Tat aufzuarbeiten. Zudem darf ihr die Fahrerlaubnis nicht vor Ablauf von zwei Jahren und neun Monaten erteilt werden. Die Bewährung habe sie unter anderem bekommen, weil sie ein Teilgeständnis abgelegt und starke Reue gezeigt habe, sagt die Kammervorsitzende.