Ob blond oder rot: Die Frisuren für den Meisterbrief gleichen Kunstwerken Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Mit dem Handwerk liegen Sie richtig“, prangt es auf den Liegestühlen vor dem ICS Congresscenter. Sie sind verwaist. Das Wetter ist zu schlecht , dagegen kann auch ein Meister nichts ausrichten. Zum Entspannen ist ohnehin niemand gekommen. Es galt, die frischgebackenen Meister 2014 / 15 zu feiern.

Stuttgart - Der Stimmung drinnen tut der Nieselregen draußen keinen Abbruch. 2500 Gäste haben sich am Freitagabend eingefunden, um bei der Vergabe von 805 Urkunden an Vertreter aus 32 Gewerken dabei zu sein. Das Spektrum reicht vom Buchbinder über den Friseur und Konditor bis zum Zahntechniker. Wie treffend das Motto „Zukunft aus Meisterhand“ gewählt ist, zeigen die 17 Meisterstücke, die im Foyer zu sehen sind.

Helge Wenger, Tischler aus Rottweil, hat 127 Stunden an einem Tischkicker mit Eichenfurnier und Flutlicht getüftelt. Geschätzter Wert des Prunkstücks: 10 000 Euro. Elektromaschinenbaumeister Kevin Holz zeigt eine Miniaturbrauanlage für Bier, Jana Bossenmaiers Meisterstück ist ein leuchtendes Werbeelement für ein Tatoo-Studio, inspiriert von jenen bunten Totenköpfen, die den „Dia de los muertos“ in Mexiko schmücken. Für ihr Aushängeschild wurde die Schilder- und Lichtreklameherstellerin neben neun weiteren Kandidaten als Bestmeisterin geehrt. Jana Pfriender erhielt zusätzlich den mit 3 000 Euro dotierten Förderpreis des Rotary Club Stuttgart. Die Raumausstatter-Meisterin freute sich über die Starthilfe auf dem Weg in die Selbstständigkeit.

Spagat zwischen Tradition und Moderne

Längst ist Handwerk mehr als bloße Geschicklichkeit. Rainer Reichhold, Präsident der Handwerkskammer Stuttgart, zeigte sich überzeugt, dass der Spagat zwischen Tradition und Moderne gelingen kann. „Dass Handwerk innovativ, technikorientiert und modern ist, stellen wir täglich unter Beweis“ gab der gelernte Elektroinstallateur im Rahmen eines Podiumsgesprächs zu verstehen. „Früher haben wir Kathedralen gebaut, heute geht es um energieeffiziente Häuser und Digitalisierung. Wir sind in jeder Hinsicht gut für die Zukunft gerüstet. Wichtig ist nur, dass wir nicht vergessen, woher wir kommen.“

Das Nebeneinander von Visionen wie selbstlenkenden Autos und traditionell gekleideten Zimmerern machte auch auf der Meisterfeier augenfällig, dass der Brückenschlag möglich ist. Sorgen um mangelnden Nachwuchs muss sich Reichhold übrigens auch nicht machen: 2015 wurden 50 Meisterbriefe mehr ausgestellt als im Vorjahr.