Alle lieben Vega, die Schulhündin. Foto: Max Kovalenko/PPF

Die Hündin Vega geht regelmäßig in die Haldenrainschule und begleitet den Lehrer Thomas Monte und seine Klasse im Schulalltag. Bundestagsabgeordnete Ute Kumpf ist Patin: „Die Kinder lernen so Empathie und Konzentration.“

Stuttgart - Die Aufregung war groß, bevor Vega, die Neue, in die kombinierte Klasse mit Schülern der Stufe 6 und 7 der Haldenrainschule, einer Förderschule, kam. Wie sieht sie aus? Ist sie nett? Mit wem wird sie gut Freund sein?

Als Vega dann nach dem Sommer Einzug in das Klassenzimmer hielt, tanzte sie gleich aus der Reihe: Das muntere Mädchen kann weder schreiben noch rechnen, sitzt selten still, schläft im Unterricht gern mal ein und stibitzt, wenn die Schüler nicht aufpassen, ihnen sogar das Pausenbrot aus der Tasche.

Dennoch lieben alle Schüler Vega. Und Vega liebt sie. Um dies zu zeigen, leckt sie manchmal mit ihrer großen, feuchten Zunge über die Hände ihrer Kameraden. Iiiihhh?! Noch nicht mal Manieren hat das Mädchen? Ist sie eine zweite Pippi Langstrumpf?

Ach was. Das ist alles ganz normal. Schließlich ist Vega ein Hundemädchen – und dazu noch ein sehr junges. Gerade einmal vier Monate alt ist die Shapendoes-Hündin. Und ja, sie darf mit ihrem Herrchen, dem Lehrer Thomas Monte, ins Klassenzimmer. Sie soll es sogar ausdrücklich.

Die Angst legt sich schnell

Das sagt die Direktorin Stephanie Sinn, das sagt Thomas Monte – und das sagen vor allem die Schüler. Zumindest mittlerweile. „Anfangs gab es zwei Schülerinnen, die Angst vor Hunden hatten – und die nicht so begeistert von der Idee waren, dass ein Hund sie durch den Schulalltag begleitet“, sagt Monte. Esra ist eines der Mädchen, bei denen die Vorstellung, mit einem Hund das Klassenzimmer zu teilen, zunächst Magengrimmen auslöste. „Ich bin auf dem Schulweg mal auf einen großen Hund getroffen, der mir Angst gemacht hat“, sagt die 13-Jährige.

Die sich allerdings schnell legte, als Vega in ihr Leben trat. „Nach einer Dreiviertelstunde kam Esra und fragte, ob sie Vega, die damals noch an der Leine in der Klasse war, doch streicheln dürfe“, erinnert sich Monte. Inzwischen kann sich Esra die Schule kaum mehr ohne Vega vorstellen: „Ich habe mich an sie gewöhnt – und ich mag sie.“ Das geht Farwa ähnlich. Die 13-Jährige brauchte einen Tag, um sich an Vega zu gewöhnen, inzwischen füttert sie das Hundemädchen ganz selbstverständlich mit Leckerli – wenn es Thomas Monte erlaubt.

Denn Regeln gibt es freilich, und die gilt es einzuhalten. Dazu gehört etwa, dass die Schüler Vega, wenn diese während des Unterrichts bei ihnen am Platz vorbeikommt, kurz streicheln dürfen, sie sich dann aber wieder dem Unterricht und ihren Aufgaben zuwenden müssen. „ Aber in den Pausen dürfen wir mit Vega spielen“, sagt Kübra (13).

Nur Vega versucht manchmal, die Regeln zu umgehen

Eine weitere Regel besagt, dass die Schüler Vega nicht stören dürfen, wenn sie müde ist und sich zum Schlafen hinlegt. Eigentlich hat sie dafür eine eigene Decke, aber „die zerknüllt sie gerade mehr, als dass sie darauf schläft“, sagt Nathalie (13). Egal, wenn der Hund seine Ruhe braucht, dann bekommt er sie – wo auch immer. Dann streicheln die Kinder sie nicht – und sie sind leise.

So wie sie überhaupt leiser sind, seitdem Vega da ist. „Sie mag Lärm nicht, wenn wir laut sind, erschreckt sie sich und bellt – dann sind wir ganz schnell wieder leise“, sagt Justine, die zwölfjährige Klassensprecherin.

Nur Vega versucht manchmal, die Regeln zu umgehen. Wenn Justine wieder einmal ihre Brezel mit viel Gekrümel isst, dann liegt Vega sofort unter ihrem Tisch und leckt die Brösel auf. Und die Karotte, die Jenny (12) am Morgen fallen ließ, verschwand auch gleich in Vegas gefräßigem Mäulchen. „Ich habe aber bemerkt, dass ihr, seit Vega da ist, aufpasst, was so auf dem Boden herumliegt – und Büroklammern und Reißzwecken sofort aufhebt“, sagt Monte .

„Am ersten Tag hat sich Vega in allen Klassen vorgestellt, und bei vielen Schülern haben sich sofort die Gesichtszüge verändert“

Schon die erste Begegnung mit Vega habe bei vielen Schülern eine positive Reaktion hervorgerufen, beobachtete Direktorin Stephanie Sinn. „Am ersten Tag hat sich Vega in allen Klassen vorgestellt, und bei vielen Schülern haben sich sofort die Gesichtszüge verändert“, so Sinn. Zufälligerweise unterrichtete die Direktorin in der Klasse, in die Vega zuletzt kam – völlig erschöpft und müde. „Die Schüler hatten sich so auf Vega gefreut, sie haben es aber respektiert, dass sie nur geschlafen hat – und haben viel emotionale und soziale Kompetenz bewiesen, die ihnen sonst manchmal fehlt“, sagt Sinn.

Nun, Vega ist eben eine Eis- und eine Herzensbrecherin. Die Thomas Monte auch sehr bewusst ausgewählt hat: Er hatte lange nach der passenden Rasse recherchiert. Derzeit absolvieren Monte und Vega zudem eine Ausbildung zum Therapiehund.

Auch das Herz der Bundestagabgeordneten Ute Kumpf (SPD) hat Vega gewonnen: Kumpf ist Vegas Patin. Dazu kam es, als Monte bei einer Berlinfahrt mit einer Klasse Ute Kumpf im Bundestag besuchte. „Die Idee, dass eine Hundetrainerin in den Unterricht kommt und die Kinder gemeinsam mit Vega Regeln lernen, ist toll“, sagt Kumpf.

Doch noch viel wichtiger ist, dass Vega nicht nur Herzen zu brechen, sondern auch traurige Herzen zu trösten vermag: „Wenn man traurig ist, kommt Vega und schmust mit einem“, sagt Justine. Und als ob sie es verstanden hätte, leckt Vega Justine über die Hand. Oder kleben dort noch Brezelkrumen?

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