Habibs Imbiss (in der Tür: Vedat Erincin) wirkt so echt, dass es etliche reale Übernahmeangebote gegeben hat – und reale nächtliche Kundschaft. Foto: Laura Schleicher/Indi Film

Der Kesselgrund, das urbane Stuttgart jenseits von Prachtbauten und Halbhöhenlage, ist fast nie im Film zu sehen. Das ändert nun Regisseur Michael Baumann , der derzeit am Wilhelmsplatz „Habib Rhapsody“ dreht, einen Film über verquere Schicksale und scheinbare Gegensätze.

Stuttgart - Habib und Bruno tragen eine Matratze über die Kreuzung am Wilhelmsplatz zur Verkehrsinsel. Später werden sie gemeinsam darauf liegen, in den Nachthimmel schauen, philosophieren. Dann wird Bruno den hohen Lichtmast auf der Kreuzung erklimmen. „Wir würden und nie treffen, eigentlich esse ich Sushi“, sagt Thorsten Merten („Halbe Treppe“) – er spielt Manager Bruno, der aus Protest gegen seine Entlassung auf der Verkehrsinsel vor dem Büro-Hochhaus campiert. „Ohne die ökonomische Zwangslage hätte ich einen großen Bogen um die Bude gemacht, oder?“ Er blickt zu Vedat Erincin („Almanya“). „Es war immer so“, erwidert dieser weise und schlüpft kurz in die Rolle des Imbissbesitzers Habib, der an seiner starken Assimilierung zu zweifeln beginnt.

Die Lebenslinien von vier Männern kreuzen sich an der blauen Dönerbude am Wilhelmsplatz, für Bruno, Habib, dessen Türkei-verrückten Sohn Thomas und den Krankenhaus-Flüchtling Ingo geht es um Liebe, um Wurzeln, um Wertschätzung – zwischen Abfallbergen, denn im Film streikt die Stuttgarter Müllabfuhr. Real tat sie dies 2006, als Filmemacher Michael Baumann nach Stuttgart kam. „Ich dachte, das ist eine saubere Stadt, aber die Müllberge wurden immer größer“, sagt er. Nun nützt er das Bild: „Die vier Protagonisten müssen ihr Leben aufräumen, und am Ende des Films kommt dann auch die Müllabfuhr wieder.“

Habibs Sohn Thomas, halber Deutscher, flüchtet in ein Türkei-Ideal. „Er projiziert alles mögliche hinein, herzliche Menschen, Solidarität“, sagt Darsteller Burak Yigit („Bis aufs Blut“), „dabei war er noch nie weiter weg als Karlsruhe und kann nicht mal richtig Türkisch. Es ist ein Traum, der sich auch gegen den Vater richtet, der kein Türkisch mehr spricht und die Kultur nicht mehr lebt.“ Um Illusionen und Identitäten geht es also, um einen „Kampf um die Würde im Chaos“, wie Klaus Manchen es formuliert, der vierte im Bunde: „Alle haben ihre Werte und ihre sogenannte Kultur verloren. Ingo möchte seine unwürdige Haltung im letzten Moment reparieren, indem er endlich mit seiner Tochter Verbindung aufnimmt.“