Die Arbeiten für das Grundwassermanagement müssen eingestellt werden. Foto: dapd

Rohre für Grundwasseranlage dürfen nicht weiter verlegt werden – BUND setzt sich durch.

Stuttgart - Die Deutsche Bahn AG hat am Donnerstag gegen 11 Uhr ihre umstrittenen Aufbauarbeiten für die Grundwasser-Reinigungsanlage im Schlossgarten eingestellt. Der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim hatte den Baustopp wenige Stunden zuvor verfügt.

Die Grundwasser-Anlage mit den riesigen blauen Tanks im Schlossgarten und einem insgesamt 17 Kilometer langen, weit verzweigten Rohrleitungssystem, ist ein zentraler Baustein für den Bau des neuen Tiefbahnhofs und seine Tunnel. Ohne die Anlage und die Rohre kann keine einzige Baugrube gegraben werden. Ein mehrmonatiger Aufschub der Arbeiten könnte den gesamten, bereits extrem engen Bauzeitplan für das bisher auf 4,1 Milliarden Euro kalkulierte Projekt kippen.

Ins Rollen gebracht hatte das Verfahren um die Anlage der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND). Er gehört zum Bündnis der Stuttgart-21-Gegner und sieht seine gesetzlichen Beteiligungsrechte beschnitten. Die Bahn hatte das bereits im Januar 2005 genehmigte Grundwasser-Management in einem vereinfachten Verfahren geändert. Aus vier Standorten zur Wasseraufbereitung und -versickerung war ein Standort beim früheren Omnibusbahnhof geworden. Auch das Rohrleitungsnetz veränderte sich dadurch.

Wann die Klage in der Hauptsache verhandelt wird, steht noch nicht fest.

Das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) als Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde hatte die vereinfachte Planänderung am 30. April 2011 ohne Anhörungsverfahren genehmigt. Der BUND hatte sich erst am 21. Juni 2011 - da stand die Anlage im Schlossgarten schon - mit einer Anfechtungsklage dagegen gewehrt, übergangen worden zu sein. Der Verwaltungsgerichtshof hat nun beschlossen, dass die Klage des BUND aufschiebende Wirkung hat: Es darf nicht weitergebaut werden. Wann die Klage in der Hauptsache verhandelt wird, steht noch nicht fest.

"Wir sehen uns bestätigt", sagt die BUND-Landesvorsitzende Brigitte Dahlbender. Die Bahn habe allein für den bei Stuttgart 21 geplanten Tiefbahnhof inzwischen sieben Änderungsverfahren eingeleitet und einen Teil davon abgeschlossen. Ein offizielles Verfahren, mit dem nicht nur dem BUND umfassende Beteiligungsrechte gewährt werden müssen, sei aber vermieden worden. "Die Bahn fährt eine Salamitaktik, gegen die wir uns wehren", sagte Dahlbender. Dem BUND gehe es nicht nur um Stuttgart21, sondern "grundsätzlich darum, wie mit dem Naturschutzrecht und dem Planungsrecht umgegangen wird". Beides werde "einfach beiseite geschoben". 

Bahn soll den Graben wieder zuschütten

Weil bis zur Verhandlung Monate vergehen können und der Ausgang offen sei, verliere die Bahn nun "erheblich Zeit", sagte die Vereinsvorsitzende. Eine Entscheidung dürfte aus ihrer Sicht nicht vor dem 27. November, dem Tag der Volksabstimmung über Stuttgart 21, zu erwarten sein. Dahlbender fordert, dass die Bahn den vor zwei Tagen gezogenen Graben im Schlossgarten für die Rohrleitung wieder zuschüttet. "Da sind Wurzeln verletzt worden. Wenn es friert, werden Bäume geschädigt", sagt sie. 

Die Bahn hat angekündigt, mit allen rechtlichen Möglichkeiten gegen die Entscheidung des VGH vorzugehen. Sie will beim EBA einen Antrag auf Sofortvollzug der Bauarbeiten stellen. Obwohl der Beschluss des Gerichts nicht anfechtbar ist, kann sich die unabhängige Bundesbehörde darüber hinwegsetzen. "In der Sache ist keine Entscheidung gefallen. Die Bahn geht davon aus, dass zeitnah entschieden wird und die Arbeiten weitergehen", sagt Nadia El Almi, die stellvertretende Leiterin des Stuttgart-21-Sprecherbüros.

"Die Erlaubnis zum Weiterbau wäre eine offene Provokation", sagt der BUND-Landesgeschäftsführer Berthold Frieß. "Wir würden sie in einem neuen Eilverfahren anfechten." Frieß erwartet außerdem, dass der BUND im noch laufenden 6. Planänderungsverfahren gehört wird. In diesem Verfahren will die Bahn erreichen, beim Tiefbahnhof- und Tunnelbau die doppelte der bisher genehmigten Grundwassermenge abpumpen zu dürfen. Ansonsten könnte es sein, dass die Baugruben voll Wasser laufen. Zur Not müsste dann wie beim Berliner Hauptbahnhof unter Wasser betoniert werden.

Die Verzögerung kommt für die Bahn zur Unzeit.

Die Grünen im Stuttgarter Gemeinderat und die Fraktion SÖS/Linke begrüßten den Baustopp. Der BUND habe sich "eindrucksvoll Gehör verschafft", sagte Grünen-Fraktionschef Peter Pätzold. SÖS/Linke-Fraktionschef Hannes Rockenbauch interpretierte die Entscheidung als "schallende Ohrfeige für OB Wolfgang Schuster und Landesfinanzminister Nils Schmid". Dieser hätte den Gestattungsvertrag für die Bauarbeiten im Schlossgarten "nicht unterzeichnen dürfen".

Die Verzögerung kommt für die Bahn zur Unzeit. Deren Technikvorstand Volker Kefer hatte erst vor wenigen Wochen mit Blick auf die Kosten und den Zeitplan vor einer "Bremsung" gewarnt. Bis Mitte 2012, sagte Kefer damals, müssten alle vorbereitenden Arbeiten erledigt sein, sonst könne der Bahnhof nicht mehr 2019 in Betrieb gehen.