Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht sich nicht am Zug, was eine Reform der Grundsteuer angeht Foto: dpa

Der Bundesfinanzminister will sich „keine blutige Nase“ holen. Die Steuergewerkschaft warnt vor Aufwand: Unter dem Druck der Bundesverfassungsrichter baut die Politik die milliardenschwere Grundsteuer um. Das könnte für Hausbesitzer teuer werden – und auch Mieter treffen.

Der Bundesfinanzminister will sich „keine blutige Nase“ holen. Die Steuergewerkschaft warnt vor Aufwand: Unter dem Druck der Bundesverfassungsrichter baut die Politik die milliardenschwere Grundsteuer um. Das könnte für Hausbesitzer teuer werden – und auch Mieter treffen.

Berlin - Achtung, diese Steuer ist wenig bekannt, sie trifft aber so gut wie jeden: Es geht um die Grundsteuer. Mieter zahlen sie indirekt über die Nebenkostenabrechnung, Eigenheimer müssen sie alle drei Monate direkt ans Finanzamt überweisen. Die Grundsteuer steht den Kommunen zu. Sie wird bundesweit auf 35 Millionen Grundstücke, Einfamilienhäuser, Eigentumswohnungen und andere Immobilien erhoben.

Das Verfassungsgericht entscheidet bald, ob die derzeitige Ausgestaltung der Grundsteuer gegen das Grundgesetz verstößt. Das Urteil könnte noch in diesem Jahr fallen. Beobachter gehen davon aus, dass Karlsruhe dem Gesetzgeber eine Reform der Abgabe, die 2013 rund 12,5 Milliarden Euro einbrachte, aufgeben wird.

Dafür spricht schon allein dies: Im Osten wird die Grundsteuer anhand von Werten festgelegt, die vor knapp 80 Jahren ermittelt wurden. Auch im Westen der Republik sind die Werte alles andere als aktuell: Hier stammen sie aus 1964. Auch dies spricht für eine Überarbeitung: 2010 hatte sich der Bundesfinanzhof mit der Grundsteuer beschäftigt und die Praxis „jedenfalls für Stichtage bis zum 1. Januar 2007 noch als verfassungsgemäß“ angesehen. Seitdem sind sieben Jahre vergangen. In dieser Zeit sind die Immobilienpreise in vielen Ballungsgebieten rasant gestiegen, in Stuttgart, Berlin und anderswo gab es einen regelrechten Bauboom. Da liegt nahe, dass die Werte, die 2007 noch so eben verfassungsgemäß waren, heute gegen die Verfassung verstoßen. Eine Reform der Grundsteuer liegt also in der Luft. Sie müsste der Bund anstoßen. Doch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht sich nicht am Zug. Er will sich „keine blutige Nase“ holen, wie er kürzlich sagte. Damit will er sagen: Falls Mieter und Eigenheimer über die Grundsteuer stärker zur Kasse gebeten werden, will er dafür nicht in Haftung genommen werden. Die Länder sind also gefragt.

Doch die Länder sind sich nicht einig. Bislang steht nur fest, dass die Kommunen, die die Steuer bekommen, von den Bürgern mehr Geld haben wollen. Gerd Landsberg vom Städte- und Gemeindebund verlangte eine schnelle Reform und mehr Geld: „Dabei darf keine Vorgabe einer Aufkommensneutralität diese Reform verhindern“, sagte er unserer Zeitung. Mehr noch: „Ein moderater Anstieg der Grundsteuer wäre durchaus vertretbar.“

Entgegen anderslautenden Medienberichten haben sich die Länder bei der Grundsteuer nicht verständigt. Sie wollen erst mal abwarten, welche Pflöcke die Karlsruher Richter einschlagen. Baden-Württembergs Finanzminister Nils Schmid (SPD) sagte im Gespräch mit unserer Zeitung: „Ich rate allen, sich jetzt noch nicht auf ein Modell festzulegen. Wir sollten abwarten, welchen Tenor das Urteil aus Karlsruhe hat, und dann im Lichte der Entscheidung zügig die Grundsteuer reformieren.“ Aus dem NRW-Finanzministerium ist ebenfalls zu hören: Man habe sich noch nicht festgelegt.

Seit Jahren diskutieren die Länder unterschiedliche Modelle für die Grundsteuer. Die Modelle wurden auch schon durchgerechnet. Die Ergebnisse sind allerdings unter Verschluss, weil es bei allen Modellen Gewinner und Verlierer gibt.

Dem Vernehmen nach setzt sich zudem bei den Ländern zunehmend die Einsicht durch, dass eine Neuermittlung der Bemessungsgrundlage bei 35 Millionen Immobilien durch die Finanzämter vom Arbeitsaufwand her faktisch nicht zu leisten wäre. Dies sieht auch Thomas Eigenthaler, Chef der Steuergewerkschaft, so. In seiner Stellungnahme zur anhängigen Verfassungsbeschwerde schreibt er: „Wir halten dies angesichts eines immer weiter abnehmenden Personalkörpers für nicht machbar.“ Eigenthaler macht sich stattdessen dafür stark, dass die Kommunen den Wert der Immobilien anhand der dokumentierten Preisentwicklung in Form einer „indexierten Anpassung“ fortschreiben. In kleineren Kommunen könnte der Aufschlag einheitlich ausfallen, in größeren je nach Wohnlage und Quartier differenziert.

Die Grundsteuer ist eine komplizierte Steuer. Bemessungsgrundlage sind die veralteten Einheitswerte aus den Jahren 1935 und 1964, die allerdings über die Jahre und Jahrzehnte fortgeschrieben, wenn man so will, aktualisiert wurden. Für eine 90-Quadratmeter-Wohnung in Kölner Innenstadtlage etwa liegt der Betrag bei rund 240 Euro, eine 150-Quadratmeter-Wohnung im Osten Berlins bei rund 370 Euro.

Wichtig zu wissen: Das letzte Wort über die Grundsteuer haben aber die Kommunen. Denn sie legen den Hebesatz fest und entscheiden so, wie viel sie für die einzelne Immobilie kassieren. Der Hebesatz ist der Faktor, mit dem der individuelle Steuermessbetrag einer Immobilie multipliziert wird. Der Hebesatz fällt je nach Kommune unterschiedlich aus: Berlin liegt mit einem Hebesatz von 810 rekordverdächtig ganz vorn, Bonn hat 530, Stuttgart 520, Köln 515 und Ludwigsburg 375. Spitzenreiter ist Haltern in NRW mit einem Satz von 825.