Schulvergleich: Im Süden Deutschlands lernt es sich besser – doch es bleibt viel zu tun. Foto: dpa

Beim Lesen liegen die Viertklässler aus Baden-Württemberg bundesweit auf Platz fünf, beim Rechnen auf Platz vier.

Stuttgart - Das Ergebnis der neuen Grundschulstudie überrascht die Experten kaum: Wie schon bei anderen Untersuchungen zählen die Viertklässler aus dem Südwesten zur Spitzengruppe. Auch mit Platz fünf im Rechnen und Platz vier in Deutsch liegen sie deutlich über dem Bundesdurchschnitt.

Doch – wie bisher – gibt es große Unterschiede zwischen den Schülern im Südwesten. Die schlechtesten Schüler hinken um etwa ein Jahr hinter den besten her. Beim Lesen erreichen 21 Prozent der Grundschüler lediglich den Mindeststandard, weitere 10,3 Prozent verfehlen diesen sogar. Im Klartext bedeutet das, dass fast ein Drittel der Viertklässler nicht richtig lesen kann. Etwas besser sieht es beim Zuhören aus. Hier bleiben nur 5,8 Prozent der Schüler unter dem Mindeststandard. Beim Rechnen hat gut ein Viertel der Schüler im Südwesten große oder sehr große Schwierigkeiten. Diese Viertklässler bringen schlechte Voraussetzungen für die weiterführenden Schulen mit. Bestleistungen hingegen erreichen im Lesen 11,2 Prozent, im Zuhören 12,6 Prozent und im Rechnen 18,8 Prozent der Viertklässler aus dem Land. Die Studie, die das Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen am Freitag in Berlin vorgestellte, belegt außerdem, dass die Leistungen sehr stark von der sozialen Herkunft abhängen.

Die Ergebnisse bestätigten erneut die „kontinuierlich gute Arbeit der Grundschulen im Land“, sagte Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer. Sie zeige aber auch, dass es einen engen Zusammenhang zwischen Bildungserfolg und sozialer Herkunft gebe. Die Landesregierung werde alles tun, damit „jedes Mädchen und jeder Junge den bestmöglichen Bildungsabschluss erreicht. Deshalb wollen wir den Grundschulbereich stärken, um Bildungsgerechtigkeit von Anfang an zu schaffen“, so die SPDPolitikerin. Zudem müsse die Sprachförderung im Kindergarten ausgebaut werden. Künftig könne jedes Kind ab drei Jahren entsprechende Unterstützung erhalten.

Die Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Doro Moritz, bewertete die Ergebnisse schlechter. „Da rächt sich jetzt, dass Baden-Württemberg seit langem nicht in die Grundschulen investiert.“ Die Grundschulen seien die einzigen Schulen, die keinen eigens ausgewiesenen Topf für Förderstunden hätten. In allen anderen Schulformen gebe es Extrastunden zur Förderung von Schülern. Diese seien auch im Grundschulbereich notwendig.

Seit dem Pisa-Schock 2001 und dem schlechten deutschen Abschneiden im internationalen Leistungsvergleich sei viel verbessert worden, sagte Hamburgs Schulsenator Ties Rabe, Präsident der Kultusministerkonferenz. „Die Ergebnisse sind insgesamt erfreulich, dennoch bleibt viel zu tun.“ Insgesamt belegten die Resultate einen hohen Leistungsstand der Grundschüler, es gebe aber auch Defizite. „Insbesondere Kinder aus bildungsfernen Familien müssen besser gefördert werden.“

Die Autoren der Studie vom Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) verwiesen auf die unterschiedliche soziale und wirtschaftliche Ausgangslage in den Ländern. Allerdings gebe es Bundesländer, die bei der Leseförderung von Kindern aus bildungsfernen Elternhäusern erfolgreicher seien als andere. Als vorbildlich wurde Sachsen genannt. Die Förderung von Migrantenkindern in Mathematik gelingt dagegen in Rheinland-Pfalz und im Saarland gut. „Wir wollen alle mehr voneinander lernen“, versicherte Rabe.

Für den ersten rein innerdeutschen Grundschul-Leistungsvergleich wurden im vergangenen Jahr mehr als 30 000 Viertklässler an über 1300 Grund- und Förderschulen getestet. Aus Baden-Württemberg beteiligten sich 78 Schulen – darunter fünf Förderschulen – mit rund 1600 Schülern. Anders als bei den internationalen Schulleistungsstudien Pisa, Iglu und Timss wurden die Testaufgaben für den nationalen Vergleich nur aus den bundesweiten Bildungsstandards entwickelt, die die Kultusminister vereinbart haben. Diese beschreiben, was ein Schüler am Ende der jeweiligen Jahrgangsstufe können soll.

Die Untersuchung bestätigt auch frühere Erkenntnisse, wonach Jungen besser rechnen, die Mädchen dagegen besser lesen und schreiben können. In der Rechtschreibung sind die Mädchen den Jungen im Bundesschnitt ein halbes Schuljahr voraus. Beim Lesen hinken Grundschüler, deren Eltern beide im Ausland geboren wurden, ihren deutschen Gleichaltrigen ein Schuljahr hinterher.

Bundesweit erreichen zwölf Prozent der Viertklässler nicht die von den Kultusministern vorgegebenen Mindeststandards beim Lesen. In Bremen und Berlin liegt der Anteil dieser „Risikoschüler“ bei über 20 Prozent. Die Studie förderte auch zutage, dass 90 Prozent der Grundschullehrer Frauen sind. 50 Prozent aller Lehrkräfte sind älter als 50 Jahre.

Rabe und auch andere Kultusminister wollen künftig von den Schulforschern weniger komplette Vergleiche ganzer Bundesländer, dafür mehr Ursachenforschung. Doch für echte Abhilfe bei den längst erkannten Problemen ist mehr nötig. Häufig geht es dabei auch ums Geld.