Burkini in einem Geschäft für Badebekleidung in Filderstadt Foto: dpa

Religion hin oder her – auch muslimische Mädchen müssen künftig in den Schwimmunterricht. Laut Kultusministerium werden die Schulen im Land über den Kurswechsel, über den die Stuttgarter Nachrichtenberichtet hatten, von den Schulämtern und auch per Infodienst informiert. Aber wer setzt die Pflicht durch?

Stuttgart - Der neue Erlass des Kultusministeriums, demzufolge muslimische Mädchen im Regelfall nicht mehr aus religiösen Gründen vom gemeinsamen Schwimmunterricht mit Jungen befreit werden können, wird von den Lehrerverbänden begrüßt. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) forderte aber Unterstützung von der Schulaufsicht, um die Regelung durchzusetzen.

„Die deutlichen Aussagen des Kultusministerium machen uns das Leben von oben leichter, aber den Kampf vor Ort müssen immer noch die Lehrer ausfechten“, sagte der Sprecher des Lehrerverbandes, Michael Gomolzig, am Freitag. Sollte sich ein Mädchen weiter weigern, zum Schwimmunterricht zu erscheinen, müssten zunächst die Schule, dann die Schulämter Mahnbriefe an die Eltern schicken.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sieht die Entscheidung als guten Kompromiss: „Die Mädchen können ihren religiösen Gründen gerecht werden, werden aber nicht aus dem Schwimmunterricht ausgegrenzt“, sagte Landeschefin Doro Moritz mit Blick auf die Möglichkeit eines Ganzkörperanzugs (Burkini). Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) sagte: „Jede Schülerin und jeder Schüler ist gehalten, am Unterricht teilzunehmen, also auch am Schwimmunterricht. Zudem kann Schwimmenlernen Leben retten.“

In einem Brief an die Regierungspräsidien hatte das Kultusministerium zuvor seine Vorgaben geändert – mit Blick auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 2013. „Die staatliche Pflicht zur Rücksichtnahme auf Glaubensvorstellungen und weltanschauliche Überzeugungen ist nach der Entscheidung des Gerichts „insbesondere auch aufgrund der Integrationsfunktion der Schule“ begrenzt“, heißt es in dem Schreiben. „ In einem bestimmten Umfang sind Beeinträchtigungen der religiösen Überzeugungen als typische, von der Verfassung von vornherein einberechnete Begleiterscheinung des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags und der seiner Umsetzung dienenden Schulpflicht hinzunehmen.“

Laut Kultusministerium werden die Schulen im Land über den Kurswechsel, über den die Stuttgarter Nachrichten am Donnerstag exklusiv berichtet hatten, von den Schulämtern und auch per Infodienst informiert.

Wie viele Mädchen die Regelung betrifft, lässt sich nur schwer sagen. Allerdings gibt es laut Statistischem Landesamt allein 39 000 Mädchen zwischen fünf und 15 Jahren mit türkischem Migrationshintergrund.

Von Schullandheimen und Oberstufenfahrten können Eltern ihre Kinder hingegen weiterhin aus religiösen Gründen befreien lassen. Laut der Esslinger Gymnasialdirektorin Gabriele Alf-Dietz, die mit ihrer Anfrage an das Land den Fall ins Rollen brachte, machen von dieser Möglichkeit auch christliche Fundamentalisten Gebrauch. Zumindest in Esslingen müssen die Kinder in solchen Fällen aber statt dessen in einer anderen Klasse am Unterricht teilnehmen.