Chris Jeroo Ganter will den Menschen mit seinen Bildern Freude bereiten. Foto: Kathrin Wesely

Chris Jeroo Ganter hat längs der Falkertstaffel im Stuttgart Westen ein Graffito von ornamentaler Wucht geschaffen. Während der 50 Stunden, die er daran gearbeitet hat, ist er oft auf sein Werk angesprochen worden. Eine Frau brachte ihm sogar Kaffee.

S-West - Freundlich farbige Fabelwesen wallen neuerdings dem Fußgänger entgegen, der die Falkertstaffel emporstapft. Dieser Tage sieht man sie häufig seitwärts gehen, weil sie während des Aufstiegs die Pilze, Schwäne, Echsen und Fische an den Wänden betrachten. „Beim Sprühen bin ich ständig von den Leuten angesprochen worden“, berichtet Chris Jeroo Ganter. „Einer hat mir sogar Geld in die Hand gedrückt, weil er die Graffiti so schön fand. Und eine Nachbarin hat mir Kaffee vorbeigebracht.“ Der Künstler lacht. Er genießt es, mit seinen Bildern fremden Leuten Freude zu bereiten.

Den Auftrag für die Wandgestaltung hat Ganter von der Agentur für Arbeit erhalten – vermittelt durch den Graffitibeauftragten der Jugendhausgesellschaft, Florian Schupp. Die Mauer entlang der Falkertstaffel gehört zu einer Liegenschaft der Agentur. „Die hatten Jahre lang Ärger mit Schmierereien, die sie immer wieder entfernen lassen mussten. Das ging auch ins Geld“, erklärt der Graffitibeauftragte. Langfristig komme die Behörde ein Wandgemälde eines Graffitikünstlers billiger: „Das hält lange, und andere Sprayer trauen sich da auch nicht, drüberzusprayen. In der Szene hat man Respekt vor einem Bild von so hoher Qualität“, meint Schupp.

50 Stunden Arbeit

Um die 50 Stunden habe er an der Riesenfläche gearbeitet, sagt Chris Ganter. Die Motive zählten zu seinem Lieblingsrepertoire. „Mit Fischen und Vögeln hatte ich es schon immer.“ Es gehe ihm nicht um die Symbolik der Tiere, sondern um Farbe und um die schöne Linie. „Meine Bilder haben keine große Bedeutung. Ich achte mehr auf die Ästhetik, auf das, was harmoniert.“ Bei den ornamental verschlungenen Figuren und Formen stand der Jugendstil Pate. Zu Ganters Vorbildern zählt der tschechische Künstler Alfons Mucha (1860–1939), der in Paris zu einem der begehrtesten Plakatmaler der Belle Époque avanciert war. Die Stars des Fin de siècle wie Sarah Bernhardt gehörten zu seiner Kundschaft.

Wie Mucha, den die Akademie daheim in Prag abgelehnt hatte, ist auch Chris Jeroo Ganter Autodidakt. Im Hauptberuf ist er allerdings Gymnasiallehrer für Sport und Englisch. Seit der Jugend sprüht der 33-Jährige Graffiti. Angefangen hatte alles in der elterlichen Garage, mit 16 Jahren ist er mal erwischt worden, als er an fremden Wänden seine Tags hinterließ. „Aber nach 20 Jahren Buchstaben will man auch mal was Figürliches sprühen“, sagt Ganter. So sei er auf den Jugendstil gestoßen. „Dessen Kunstfertigkeit ist unerreicht“, schwärmt er. Mit seinem Urteil steht er nicht allein in der Kunstwelt: Zeitgenössische japanische Comiczeichner, Mangaka, feiern in ihren Arbeiten ihrerseits die elegante Linie des Jugendstils und weisen starke Bezüge zum stilistischen Vokabular Muchas auf, wie das Berliner Bröhan-Museum jüngst in einer Ausstellung aufzeigte.

Dieser Tage hat Ganter letzte Korrekturen an seinem Wandgemälde an der Falkertstaffel vorgenommen. Es erfüllt ihn mit einiger Zufriedenheit, dass sein Werk vermutlich eine längere Zeit überdauern wird. „Langsam finde ich meine Arbeiten zu schade für die Hall of Fame“, sagt er. Denn auf diesen legalen Graffiti-Flächen überdauern die Gemälde nur für so lange, bis der nächste Künstler mit seinen Dosen anrückt.