Sollen sich Stuttgarts Kirchen mehr für Events öffnen? Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

An Ostern sind die Kirchen wieder gut besucht, denn Ostern gilt als Ereignis im Leben eines Christen. Neudeutsch heißt das wohl ein Event. Wären die Kirchen generell besser besucht, wenn Gottesdienste jeden Sonntag ein Event wären? Theologen aus Stuttgart äußern sich zu der Frage.

Stuttgart - Zum Osterfest wird sich mancher überlegen, ob er in dieser für Christen wichtigen Zeit wieder einmal in einen Gottesdienst geht. Warum auch nicht. Ein- oder zweimal ist besser als kein Mal. Doch dem katholischen Pfarrer Thomas Frings passt das nicht. Der Mann aus Münster hat reagiert, ja resigniert. Wenn diese Event-Christen nur noch zur Taufe, Konfirmation, an Weihnachten oder zu Ostern in die Kirche kämen, dann sei das nicht mehr seine Kirche. „Wenn die Sehnsucht in der Gesellschaft nach dem Glauben nicht mehr da ist, will ich niemandem hinterherlaufen.“ Sprach’s und zog sich ins Kloster zurück.

Andere Theologen stellen sich jedoch eine ganz andere Frage: Würden jene Eventchristen öfter kommen, wenn der Gottesdienst Eventcharakter hätte. Anders ausgedrückt: Wenn der Gottesdienst die Menschen aus dem Wochenrhythmus rausholt und das Besondere böte. Sei es in Form von Musik, Predigt oder Formen von Beteiligung. Denn das neudeutsche Wort Event heißt im Grunde nichts anderes als Ereignis. Darf, soll oder muss der Gottesdienst ein Event sein? Dazu äußern sich vier Theologen. Ralf Vogel, Pfarrer derNachtschicht-Gottesdienste/Obertürkheim: „Die Sache mit dem Eventbegriff muss man sehr differenziert angehen. Denn ich bin von Menschen, die das Wort Event negativ sehen, immer wieder angefeindet worden. Doch das ist eindeutig nicht so. Denn jeder Gottesdienst sollte ein Event, ein Ereignis sein. Aber, das was da passiert, darf nicht stereotyp sein. Es muss nicht heißen, dass immer Action stattfinden muss. Zum Beispiel zum Passionsfest, dem Event der Beladenen, kann das Ereignis auch Stille sein. Klar ist auch: Das, was über Generationen geschehen ist, können junge Leute nicht mehr nachvollziehen. Gleichwohl muss Kirche ein Ort sein, in dem Verschiedene zusammen kommen. Für mich ist der Begriff Event einfach positiv besetzt.“ Albrecht Hoch, Pfarrer derChristusgemeinde: „Seit gut zehn Jahren feiern wir Gottesdienste mit Gospelmusik und traditionelle Gottesdienste in einem gewissen Wechsel. In diesen Jahren wurde besonders auch von Kollegen immer wieder zu bedenken gegeben, ob wir nicht diesem Trend zu immer ausgefalleneren Events Vorschub leisten. Für mich persönlich liegt im Wechsel von gewohnter Regelmäßigkeit und festlicher Besonderheit ein großer Reichtum, der gerade nicht zu einer Gier nach immer spektakuläreren Events führt. Bei Gospelgottesdiensten verändern sich die üblichen Formen durch die Beteiligung verschieden geprägter Menschen aus breiteren Altersschichten. Die Sprache wird verständlicher, die Lieder zum Mitsingen einladend, auch Kinder wurden noch nie als störend empfunden. Ein gutes Kriterium für mich war, wenn die eigenen Töchter gerne ihre Freundinnen zum Gottesdienst einladen und sich Menschen aller Altersgruppen beschenkt fühlen und gerne wiederkommen. Gospelgottesdienste haben auch einen inneren Aufbau („Liturgie“) und erfinden sich nicht jedes Mal neu. Die Herzlichkeit und Fröhlichkeit der Mitwirkenden darf nicht aufgesetzt sein. Das spüren Mitfeiernde, die sich mit Fragen und Empfindungen gut aufgehoben fühlen und mitmachen.“ Dr. Rolf Sons, Rektor desAlbrecht-Bengel-Hauses: „Events sind gefragt. Erlebnis-Kochen, Erlebnis-Shoppen und Erlebnis–Urlaub liegen im Trend. Events lassen Staunen. Events ziehen die Massen an. Warum sollte die Kirche nicht diesem Trend folgen? Eventmanager statt Pfarrer? Plüschsessel statt harter Kirchenbank? Wäre es daher nicht klüger, zeitgemäßer und attraktiver Events mit unterhaltsamen Showeinlagen zu feiern, statt traditioneller Gottesdienste? So kommt Schwung in die Hütte. Müssen wir nicht als Kirche den Leuten also etwas bieten, damit sie kommen? Ab und zu brauchen wir Events im Gottesdienst. Aber nun ist nicht jeder Sonntag Weihnachten. Und kein Pfarrer dieser Welt vermag jede Woche ein neues Event zu kreieren. In einer beschleunigten Welt, die immer wieder den neuen Reiz, Kick und das Adrenalin sucht, braucht es auch das Schlichte, das Einfache, das Regelmäßige und Tragende. Für die Herausforderungen des Alltags braucht es Schwarzbrot. Gottes Wort macht Leib und Seele gesund. Übrigens: Jesus war Wanderprediger. Er predigte in einfachen Bildern und Geschichten, die die Leute verstanden und auf ihr Leben übertragen konnten. Die Massen hörten ihm nicht deshalb zu, weil er eine Show inszenierte, sondern weil seine Worte Kraft besaßen.“

Christian Hermes ,Katholischer Stadtdekan: „Ein Gottesdienst soll und darf ein Event sein, aber kein Spektakel. Event heißt ja Ereignis. Tatsächlich geht es darum, dass bei dem, was sich da ereignet, auch im Erleben der Mitfeiernden und in ihrer Seele etwas ereignet, nämlich die Begegnung mit Gott in einer feiernden Gemeinschaft. Das kann in einer ganz einfachen und schlichten Feier, die mich ergreift, ebenso geschehen wie in einem festlichen Gottesdienst mit großer Musik und aller Feierlichkeit, in einem einmaligen Event ebenso wie in regelmäßigen und eingeübten Ritualen. Die Sache kippt dort ins Spektakel, wo es nicht mehr um diese Begegnung mit Gott geht, sondern um Show, Sensation, Unterhaltung, Selbstinszenierung oder gar emotionale Manipulation.

Angesichts allgegenwärtiger Inszenierungen gibt es auch für die Kirchen einen gewissen Druck, eine tolle Show zu veranstalten. Wir sind aber keine Musical-Bühne. Sich darauf einzulassen ist eine Falle und zeugt eher davon, dass man der eigenen Botschaft nicht mehr traut und deshalb die Verpackung aufmotzt, oder krampfhaft um Aufmerksamkeit kämpft. Meine Erfahrung ist: Wenn der Inhalt authentisch und gut ist, wird er durch das Event zur starken Erfahrung. Wenn aber kein Inhalt da ist, nützt das Event und alle Inszenierung auch nichts. Die katholische Liturgie bietet zum Glück zugleich eine über Jahrhunderte gewachsene und ganz robuste rituelle Form, die alle Sinne anspricht: Hören auf Wort und Musik, selber sprechen und singen, das Sehen eines kunstvoll geschmückten Raumes, der Bewegungen, der Farben, Formen und Materialien, das Schmecken bei der Kommunion, das Riechen des Weihrauchs, Gesten wie knien, stehen und sitzen, Berührungen.

Es gibt tausend Details und Varianten über das Kirchenjahr hin, gerade die Karwoche und die Ostertage sind für mich jedes Jahr eine starke Erfahrung. Es gibt eine, wie ich finde, gute Mischung aus vorgegebenen und tragenden Formen einerseits und frei zu gestaltenden Elementen. Einen schönen Gottesdienst zu feiern ist wie ein gutes Essen kochen, eine Kunst und ein Vergnügen – und ein Event.“