Claudia Oswald-Timmler hat als Kreisbehindertenbeauftragte inzwischen alle Hände voll zu tun. Foto: privat

Bei den Kommunen spricht sich langsam herum, dass es im Kreis Göppingen jetzt eine Behindertenbeauftragte gibt. Claudia Oswald-Timmler steht im regen Austausch mit den Verantwortlichen.

Kreis Göppingen - Vor einigen Monaten hat die Lipi-Fraktion im Göppinger Gemeinderat noch kritisch nachfragen müssen, ob sich die Stadtverwaltung bei ihren Neubauprojekten eigentlich auch, wie vom Gesetzgeber vorgeschrieben, mit der Kreisbehindertenbeauftragten abstimme. Immerhin hatten die Stadt und das Straßenbauamt wenige Wochen zuvor eine vermeintlich barrierefrei Ampel nur wenige hunderte Meter vom Landratsamt entfernt gebaut, die auf den zweiten Blick nur unzureichend funktionierte, weil ein sogenanntes Leitsystem für Blinde fehlte. Inzwischen sind solche Fehlplanungen weniger wahrscheinlich, denn die Stadt pflegt seit einigen Wochen einen regen Austausch mit Claudia Oswald-Timmler – wie viele andere Kommunen im Kreis Göppingen auch.

Die Kreisbehindertenbeauftragte hat ihr Amt bereits im August 2016 angetreten, doch es habe etwas gedauert, bis es sich herumgesprochen habe, das sie nun als Beraterin für die Kommunen bereit stehe, erzählt sie. Umso besser klappe die Zusammenarbeit mit den Kommunen inzwischen. Kein Wunder, schließlich profitieren auch die Städte und Gemeinden, wenn sie vor dem Baustart erfahren, dass sie in ihren Planungen in Sachen Barrierefreiheit etwas übersehen haben.

Eine Führerin durch den Behördendschungel

Doch die Beratung der Kommunen ist längst nicht die einzige Aufgabe der ehemaligen Leiterin eines großen Alten- und Pflegeheims bei Ulm. Oswald-Timmler ist im Austausch mit den Vereinen und Organisationen im Kreis, die sich für die Belange von Behinderten einsetzen. Sie versucht, neue Netzwerke zu knüpfen und die Zusammenarbeit auszubauen. Und sie steht als Ansprechpartnerin allen Behinderten im Kreis beiseite, die eine individuelle Beratung benötigen oder einen Führer durch den Behördendschungel. „Ich bin fast jeden Abend auf Terminen. Eigentlich ist das ein 24-Stunden-Job“, erzählt sie – und wirkt dabei trotz der hohen Arbeitsbelastung sehr zufrieden.

Kein Wunder, schließlich engagiert sich Oswald-Timmler, wie viele ihrer Kollegen in den anderen Kreisen der Region, schon lange für Behinderte. Die 52-Jährige ist selbst zu 80 Prozent schwerbehindert und leistet seit Jahren Rechtsberatung für den bundesweiten Deutschen Morbus Crohn/Colitis Ulcerosa Verein (DCCV) – eine schwere Darmerkrankung, unter der sie selbst auch leidet.

Außerdem ist Oswald-Timmler seit elf Jahren Schöffin am Landessozialgericht in Stuttgart und hält bundesweit Vorträge über die Rechte Schwerbehinderter. Nur das Thema Barrierefreiheit war für sie neu, als sie den Posten antrat. „Aber da habe ich mich eingearbeitet“, berichtet Oswald-Timmler. „Inzwischen laufe ich mit ganz anderen Augen durch die Städte als früher. Vieles erscheint in einem anderen Licht, wenn man es aus der Sicht von Behinderten betrachtet.“ Wie in den meisten Kreisen in der Region hat auch Oswald-Timmler eine hauptamtliche Stelle im Landratsamt. Finanziert wird sie für die ersten zwei Jahre vom Land. Wie es danach weitergeht, ist offen. „Ich hoffe sehr, dass die Stelle weiterfinanziert und vielleicht auch noch um ein, zwei Mitarbeiter aufgestockt wird. Zu tun gibt es jedenfalls genug“, sagt Claudia Oswald-Timmler.

In Ludwigsburg ist der Posten ehrenamtlich besetzt

Allein der Kreis Ludwigsburg setzt auf das Ehrenamt. Dort vertritt der SPD-Kreisrat und langjährige Planer des Kommunalverbands für Jugend und Soziales (KVJS) Eckart Bohn die Belange der Behinderten. Dass sein Ehrenamt eine Vollzeitbeschäftigung ist, stört Bohn nicht. „Der Kreis und der Kreistag hatten großes Interesse, dass ich das mache. Ich habe darüber nachgedacht und dann schließlich zugesagt“, erzählt er. Den Rentner hatte es schlicht gereizt, seine Erfahrung erneut für Behinderte einzusetzen – zumal er speziell für das Thema Barrierefreiheit als Fachmann gilt.

Bei den Behinderten im Kreis Göppingen hat sich inzwischen ebenfalls herumgesprochen, dass es eine Ansprechpartnerin im Landratsamt gibt, die alleine für sie da ist. „Die Menschen kommen mit den unterschiedlichsten Problemen“, erzählt Oswald-Timmler. „Einer hat mich sogar neulich gefragt, ob ich ihm nicht helfen könne, eine Frau zu finden.“ Da war dann allerdings selbst die Kreisbehindertenbeauftragte überfragt.

Eine Initiative des Landes

Die Funktion der Kreisbehindertenbeauftragten geht auf das Landesbehindertengleichstellungsgesetz (L-BGG) zurück, das am 1. Januar 2015 in Kraft getreten ist. Damit werden erstmals alle 44 Stadt- und Landkreise verpflichtet, Behindertenbeauftragte zu bestellen. Dabei bleibt es ihnen überlassen, ob sie diese Stelle haupt- oder ehrenamtlich besetzen. Finanziert werden die Stellen zunächst vom Land.

Die Aufgaben der Behindertenbeauftragten sind vielfältig. Sie sind Ombuds- und Anlaufstelle für Menschen mit Behinderungen, deren Angehörige und Interessierte. Sie sind eine Schnittstelle zwischen der Kommunalverwaltung, den Behindertenverbänden und den Selbsthilfeorganisationen. Außerdem achtet sie auf die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und der Landesgesetze. Dazu gehört auch die Verbesserung der Barrierefreiheit. Claudia Oswald-Timmler ist im Kreissozialamt erreichbar unter 0 71 61/2 02-91 12.