Foto: Palmer

Spanier feiern WM-Finale - Stuttgart bleibt nur Trost-Party am Samstagabend.

Stuttgart - Hunderte Spanier feiern, Tausende Deutsche trauern - am späten Mittwochabend ist der Traum vom WM-Finale geplatzt. Der Korso in der Stadt war diesmal überschaubar, es regierte Rot-Gelb-Rot. Immerhin bleibt ein Trostpflaster.

Deutsche Fans trauern, Spanier feiern - Die Bilder aus Stuttgart

Maldito, schon wieder diese Spanier! Wie schon vor zwei Jahren beim EM-Finale hat die spanische Selecciín die deutschen Fans aus allen Träumen gerissen. Immerhin war der deutsche Trauerzug in Stuttgart diesmal weniger groß als 2008 - damals mussten 80.000 Fans nach dem Public Viewing vom Schlossplatz nach Hause. Diesmal kamen die Tausende Fußballfans schneller heim als gedacht. Und betrübt.

A Dios rogando y con el mazo dando - hilf dir selbst, dann hilft dir Gott! Wir haben den Beweis: Public Viewing, vom Verein Deutsche Sprache gerne "Rudelgucken" genannt, ist auch dieses Jahr auf dem Schlossplatz möglich. Mit einem Laptop und einer Antenne für den digitalen Fernsehempfang war das Spiel am Mittwochabend gut zu sehen. Nirgends konnte man besser in aller Stille trauern als auf dem Schlossplatz.

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Enhorabuena, Espana - Glückwunsch, Spanien! Vor dem Classic-Rock-Café an der Ecke Eberhard-/Steinstraße feierten die spanischen Fans überschwänglich. Nur etwa 2100 Spanier leben in Stuttgart, seit jeher unauffällig. Nur an diesem Abend nicht. Dazu gibt es in diesem Jahr ein echtes Jubiläum zu feiern: Vor genau 50 Jahren kamen die ersten spanischen Gastarbeiter nach Stuttgart. "1960 wurde das Anwerbeabkommen mit Spanien geschlossen", sagt Markus Speidel vom Stadtmuseum. Die meisten seien aber wieder in die Heimat zurückgekehrt. Inzwischen gebe es keinen Kulturverein, kein Casa d'Espana mehr. Doch die Spanier, sie sind da, eindeutig, lautstark.

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Más vale prevenir que curar - Vorsicht ist besser als Nachsicht: Die Polizei wäre auf den fünften großen Jubelkorso in Stuttgart vorbereitet gewesen. "Es ist alles eingespielt", sagt Polizeisprecher Olef Petersen. 130 Beamte standen bereit, um den Jubelkorso in geordnete Bahnen zu lenken. Für viele Fans war die Präsenz freilich oft zu massiv: "Eine tolle Stimmung wie in den Jahren zuvor ist leider nicht in Stuttgart erwünscht", klagte einer, der bei früheren spanischen Auftritten beobachtete, wie katalanisches Flair beendet wurde, indem "Polizisten die Espana-Anhänger schnell von den Straßen gedrängt haben". Freilich: "Manche merken gar nicht mehr, dass sie sich in Gefahr begeben", hält Petersen dagegen. Am Mittwochabend war die Lage für die Polizei erheblich ruhiger. "Es gab weniger Verkehr als am Samstag, das hier waren fast ausschließlich Fußballfans", sagt Polizeisprecher Petersen. Und zwar 12.000 in der Innenstadt, 5000 davon im Schlossgarten. Außerdem 1200 in Vaihingen.

Todo va a pedir de boca - das läuft wie am Schnürchen: "Es gab bisher keinen Brennpunkt, wir haben kein zentrales Problem", sagt Alfons Nastold vom Ordnungsamt. Beschwerden von Anwohnern über den Lärm - "die gibt es schon lange nicht mehr", so Nastold. So sei das, wenn sich das WM-Gucken statt zentral auf den Schlossplatz auf weit über 100 Innenstadtlokale verteile.

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Selbst mit Schwarzhändlern und anderen Ordnungswidrigkeiten hatte Stuttgart kaum Probleme. Die Zahl der Vorkommnisse lasse sich an einer Hand abzählen, heißt es. Einer der wenigen Sündenfälle war ein Händler, der in der Theodor-Heuss-Straße Fanartikel, gekühlte Getränke und Alkohol aus seinem Handwagen verkaufen wollte. Die Polizei zückte die Rote Karte, weil er keine Reisegewerbekarte hatte. Dabei hätte man Mitleid haben können: Der Mann ist Brasilianer.

Quien bien te quiere te hará llorar - frei übersetzt: Wer liebt, der leidet. "Hunderte Anfragen und Beschimpfungen" hat Ordnungsamtsmann Nastold registriert, weil das WM-Halbfinale Deutschland gegen Spanien nicht als Großveranstaltung auf dem Schlossplatz stattfand. Allerdings hatte es inzwischen Anfragen von privaten Veranstaltern gegeben, wenigstens auf dem Marktplatz vor dem Rathaus ein Fußball Open Air zu starten. Die Stadt hatte das nicht genehmigt - auch im Interesse der Veranstalter: "Da bräuchte es ein Konzept mit Absperrgittern, mit einem Ordnungsdienst, das kostet Zigtausende", rechnet Nastold vor, "und das für maximal 3500 bis 5000 Zuschauer."

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 Del dicho al hecho hay un gran trecho - einfacher gesagt als getan. Jetzt hat ohnehin niemand mehr Lust auf Public Viewing. Alternativen hätte es auf dem Cannstatter Wasen gegeben. Doch auch da: Einschränkungen über Einschränkungen. "Auf dem Wasen hat die EnBW Bauarbeiten, außerdem laufen die Vorbereitungen fürs Volksfest", sagt Jörg Klopfer vom städtischen Veranstalter in.Stuttgart. Die Mercedes-Benz-Arena wäre auch ein netter Versammlungsort gewesen. Aber das Stadion ist ja eine komplette Baustelle. Auf dem Schlossplatz ließ sich aber prima gucken - in aller Ruhe. Es gab: 30 Müßiggänger, drei Mäuse, etliche Glühwürmer und zwei Fußballfans.