Gisela Schneeberger Foto: dpa

„Wir sind die Neuen“ ist eine intelligente, boshafte Generationskomödie mit viel Witz. Die Münchner Kabarettistin und Schauspielerin Gisela Schneeberger (65) spielt darin Anne, eine Biologin mit schmalem finanziellem Budget, aber viel Lebensenergie.

„Wir sind die Neuen“ ist eine intelligente, boshafte Generationskomödie mit viel Witz. Die Münchner Kabarettistin und Schauspielerin Gisela Schneeberger (65) spielt darin Anne, eine Biologin mit schmalem finanziellem Budget, aber viel Lebensenergie.
 
Stuttgart - Frau Schneeberger, was ist Anne für eine?
Sie hat sich für den Schutz von Schleiereulen eingesetzt. Ein ziemlich abseitiges Thema also. Und vermutlich kann man damit nicht das große Geld verdienen. Jetzt, Anfang 60 und in Rente, wirkt sie erschöpft vom Leben, ist deprimiert. Und dann hat sie auch noch ihr Mann wegen einer jüngeren Frau sitzengelassen. Um sich das Leben in einer so teuren Stadt wie München überhaupt leisten zu können, gründet sie mit alten Freunden eine Wohngemeinschaft. Sie wünscht sich einen Rückzugsraum, ohne Internet und High-Speed-Leben, stattdessen wie in alten Zeiten Gespräche mit Gleichgesinnten bei einem Glas Rotwein.
Sie mag wenig Geld haben – hat sie dafür ideelle Werte zu geben?
Ich glaube, sie denkt, sie hätte viel zu geben. Aber sie streicht auch schnell die Segel. Durch die existenzielle Not ging viel Energie verloren. Sie ist keine Heldenfigur. Sie hat im Film die am wenigsten komödiantische Rolle, was ich ein bisschen bedauert habe. Andererseits führt Anne als Off-Stimme durch den Film, und ihre Ernsthaftigkeit ist von Ralf Westhoff sicher so beabsichtigt.
Kennen Sie Frauen Anfang 60, die trotz Studiums und wissenschaftlicher Arbeit finanziell arm dran sind?
Nein, in meinem direkten Umfeld nicht. Aber natürlich weiß ich, dass es genügend Frauen gibt, die nur 600 bis 800 Euro Rente bekommen. Ich frage mich, wie die damit auskommen können. Es ist mir ein Rätsel. Sie müssen Überlebenskünstlerinnen sein. Es ist beschämend für unsere reiche Gesellschaft. Wir haben außer unseren Eltern keine Vorbilder für das Leben im Alter. Unsere Eltern konnten immer von ihrer Rente leben. Ich hoffe nicht, dass ich später mal wie Anne leben muss. Aber ich habe natürlich auch im Zusammenhang mit diesem Film Planspiele gemacht. Ich müsste meine Münchner Wohnung aufgeben und mich auf mein kleines Wochenendhäuschen auf dem Lande beschränken. Aber dann bräuchte ich wieder ein Auto. Es wäre alles in allem eine große Umstellung für mich.
Spätestens seit dem Film „Man spricht Deutsch“ kennt Sie die ganze Nation. Mit Gerhard Polt haben Sie auch die satirische TV-Sketch-Reihe „Fast wia im richtigen Leben“ gemacht – hatte das öffentlich-rechtliche Fernsehen damals mehr Mut, schielt es heute zu sehr auf die Quote?
Ich glaube, dass die Talsohle durchschritten ist, seit bei der ARD-Spielfilmabteilung Degeto neue Leute das Sagen haben. Ich wünsche mir ein öffentlich-rechtliches Fernsehen ohne Werbung, dann fällt vielleicht auch das ewige Schielen auf die Quote weg. Und dann sollten nachdenklichere Filme oder brisante politische Dokumentationen nicht erst mitten in der Nacht gesendet werden, wenn zwei Drittel der Republik schlafen.
Was für Filme würden Sie sich wünschen?
Wenn ich an Anne denke, die trotz Deprimiertheit noch eine Menge Power hat, fallen mir Fernsehfilme ein, in denen Frauenrollen nach stets gleichem Strickmuster gezeigt werden. Erst ist die Protagonistin total runter. Der Mann hat sie verlassen, der Job ist futsch, mit ihren Kindern – falls sie welche hat – versteht sie sich auch nicht. Und plötzlich, wie aus heiterem Himmel und ohne differenzierte Entwicklung der Figur, ist sie wieder so was von tough. Was ist passiert? Der Drehbuchschreiber hat ihr einen neuen Mann ins Leben geschickt. Oder sie geht hoch erhobenen Hauptes auf die Suche nach sich selbst und erlebt die Freuden des Alleinseins. Jedenfalls muss das Ende immer hoffnungsfroh und heiter sein, aber so ist das Leben nicht. Es mag Zuschauer geben, die sich solche Happy Ends wünschen, aber viele finden das auch unehrlich.
Frau Schneeberger, Ihre bayrische Mundart ist eines Ihrer Markenzeichen. Marcus H. Rosenmüller, der auch aus Bayern stammt, hat wunderbare moderne Heimatfilme gedreht. Hat er Ihnen nie eine Rolle angeboten?
Doch, eine Nebenrolle in seinem 2009 gedrehten Film „Die Perlmutterfarbe“. Aus terminlichen Gründen musste ich leider ablehnen. Ich würde sehr gern mit ihm drehen. Er ist ein wacher, heller Kopf. Wir saßen mal zusammen bei einer Talkshow und waren uns nicht unsympathisch. Ich glaube aber, dass er lieber Stoffe verfilmt, die seine Generation betreffen (lacht).
Ihre Filmografie ist lang, Sie arbeiten unermüdlich. Worauf würden Sie in Ihrem Leben nie verzichten wollen?
Auf meinen Sohn. Er ist jetzt 33 und das beste Werk in meinem Leben. Durch ihn hab’ ich die Urmutter in mir entdeckt, die ich nie vermutet hätte. Ja, auf ihn möchte ich nie verzichten – und auch nicht auf meine Schwiegertochter.