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Immer weniger Häuser in Baden-Württemberg haben deswegen einen Blitzableiter.

Stuttgart - Blitzableiter? Der Mann, der das Dach neu decken soll, zuckt mit den Achseln: „Kann ich machen“, sagt er zum Hausbesitzer, „das würde Sie zusätzlich rund 2000 Euro kosten.“ Aber nötig sei es eigentlich nicht. In 150 Meter Entfernung stehe ja ein Hochhaus und da vorne ein großer Baum. Dort schlage der Blitz im Fall des Falles dann ein – in der Regel.

Der Dachdecker verweist auf all die Wohnhäuser in der Nachbarschaft, zumeist in den sechziger Jahren erbaut, deren Dach in den letzten Jahren neu gemacht wurde. Keines hat mehr einen Blitzableiter. Die alten, rostigen Gestänge sind alle weg. „Die haben eh schon lange nicht mehr funktioniert“, sagt der Mann. „Und besser keinen Blitzableiter als einen defekten“, sagt er. Ein defektes Teil, das Blitze anziehe, aber nicht ableiten könne, sei gefährlicher.

Blitzableiter ist nicht vorgeschrieben

Gefühlt gibt es immer mehr Unwetter, die Angst vor Blitzen wächst eher, als dass sie sinkt, aber immer mehr Wohnhäuser in Baden-Württemberg haben keinen Blitzableiter. Weil es nicht vorgeschrieben ist, weil so ein Schutz sehr teuer wäre und weil die Wahrscheinlichkeit, dass ein Blitz einschlägt, für normale Wohnhäuser in normalen Wohngegenden aller Erfahrung nach sehr gering ist.

Die Landesbauordnung (LBO) schreibt Blitzschutzanlagen nur für solche Bauten vor, „die besonders blitzschutzgefährdet sind oder bei denen Blitzschlag zu schweren Folgen führen kann“. Besonders gefährdet sind frei stehende oder auf einem Hügel gebaute Häuser. Auch für denkmalgeschützte Häuser von hohem kulturellem Wert wird die zuständige Kommune in der Regel in der Baugenehmigung einen Blitzableiter vorschreiben – ebenso für Häuser, deren Dach aus Holz und Stroh besteht und die mehr als ein Vollgeschoss haben.

Hinzu kommen Hochhäuser, Schulen, Krankenhäuser oder Kinos, also Gebäude, wo sich viele Menschen aufhalten. Aber normale Wohngebäude brauchen nicht unbedingt einen Blitzableiter. Schlägt der Blitz dort dennoch mal ein, zahlt die Versicherung den Schaden trotzdem – es sei denn, man hatte eine kaputte Schutzvorrichtung auf dem Dach. „Defekte Anlagen stellen eine Gefahrerhöhung mit Gefährdung des Versicherungsschutzes dar“, heißt es bei der Sparkassen-Versicherung.

Erfahrung zeigt, dass Blitzableiter bei gewöhnlichen Häusern nicht nötig sind

Günter Konieczny, beratender Architekt der Eigentümergemeinschaft Haus und Grund, bestätigt den Trend. In den letzten 20 Jahren sei man zumindest bei Altbauten weggekommen vom Blitzableiter, auch weil das Anbringen sehr aufwendig sei. Sollte es tatsächlich in Zukunft mehr Unwetter geben, müsse man verstärkt darüber nachdenken, ob das so richtig sei. „Als ich kürzlich die vielen Blitze am Himmel sah, da wurde mir schon anders“, sagt er.

Stefan Eppinger, der stellvertretende Leiter der Stuttgarter Branddirektion, sieht allerdings zumindest im Moment keinen Handlungsbedarf. Der Gesetzgeber verzichte nicht ohne Grund auf eine Pflicht für bestimmte Gebäude, sagt er. Die Erfahrung habe gezeigt, dass es nicht nötig sei. „Aber freiwillig kann das natürlich jeder machen.“