Weltpremiere: Der Organisator Ingo Klopfer liest aus dem neuen Teil seiner Chronik über das Single-Dasein. Foto: Petra Mostbacher-Dix

Merlin im Lapidarium: Bei der Lesebühne „Best of Get Shorties“ gibt es Klassiker und Weltpremieren.

S-Süd - Thomas Müller hat Nehmerqualitäten. Gleich zwei Gläser eines „handwerklichen“ Gebräus aus Wiesenkraut, gemixt mit Gorgonzola und Lakritz, kippt er runter, bevor er sich auf dem Teppich – ein unansehnlicher, aber wohl ideell wertvolles Mitbringsel der Schwiegereltern einer Saarlandreise – erbricht. Aber was tut ein Zeitungsabonnement-Verkäufer nicht alles, um einem potenziellen Kunden, der sich nur für Damentennis der 70er- und 80er-Jahre interessiert, etwas anzudrehen. „Thomas Müller kennt Lindsay Davenport doch. Manuel Neuer wahrscheinlich nicht. Oder gibt es doch nur einen Thomas Müller?“ nannte Ralf Welteroth seine humorvolle Kurzgeschichte über einen Magazin-Handlungsreisenden, die nun bei „Best of Get Shorties“ Weltpremiere feierte. Unter freiem Himmel im Lapidarium Stuttgart: Einmal im Jahr gastiert in der wohl verstecktesten, historischen Parkanlage Stuttgarts die Kurzgeschichtenlesebühne „Best of Get Shorties“, die 2001 von Ingo Klopfer gegründet wurde und seit sieben Jahren im Kulturzentrum Merlin einen festen Programmplatz hat. Anfang des vergangenen Jahrhunderts Teil der Villa Ostertag-Siegle ist der im Renaissancestil angelegte Garten heute Freilichtmuseum: Steinerne Zeugnisse erzählen von der Stadtgeschichte Stuttgarts – Skulpturen, älteste Gebäudereste, Antikenwand im Wandelgang.

Zuviel Ehrlichkeit schadet den politischen Beziehungen

Davor gaben sich die Musikerinnen Frauke Spangenberg und Tanja Höhne, die mit Cello, Körper- und Objektpercussion Rhythmen und Lieder der amerikanischen Südstaaten performten, mit sieben Autorinnen und Autoren die Bühne in die Hand. Sie lasen unter anderem „Get Shorties“-Klassiker wie Welteroth etwa zum Auftakt seine Humoreske über das Spiel zweier Letztklasse-Mannschaften „Not gegen Elend“. Katrin Wiemer indes sinnierte in ihrer „Verwandlung“ über die Kompliziertheitsstufen des Lebens als Frau und Mann, Letzterer eine Spezies, die selten bemerke, ob nun ihre langjährige Partnerin, der Minirock oder beides älter geworden sind. Die meisten reagierten sowieso nur auf Reize wie „Minirock alt, Frau jung, Haare blond, lang“. Marcus Sauermann schließlich gab in „Mal ehrlich“ gute Gründe an, warum zu viel Ehrlichkeit, erzeugt durch ein ehrlich selbst gebackenes deutsches Brot aus ehrlichem Roggen – nicht aus dem „asiatischen Wichsgetreide“ Weizen – dem Familienfrieden, ja gar den politischen Beziehungen schaden kann. Indes tauchte Volker Schwarz in seinem „Das kann ja heiter werden“ in die blutigen Abgründe deutschen Krankenhausalltags ab.

Der Welpe ist der neue Lebensabschnittsgefährte

Mit weiteren „Weltpremieren“ warteten wiederum Rainer Bauck, Carolin Hafen und Ingo Klopfer auf. Während Bauck in „Spielverderber“ dezidiert das Verhalten mittelalter Paare beim durchgeplanten Spieleabend – als Finale stets „Mensch ärgere dich nicht“ – analysierte, entführte Hafen mit „Der junge Hund“ in das Universum ihres Lieblingsonkels Willi. Der bekommt von seinen Söhnen den Welpe Kai-Uwe geschenkt, damit er, zehn Jahre nach dem Tod seiner Ehefrau, bei Spaziergängen eine neue Lebensabschnittsgefährtin treffen möge. Klopfer schließlich, der nicht nur die Leseabende für Kurzgeschichten, sondern im Merlin auch das „Internationale no & low budget Kurzfilmfestival“ organisiert , ließ die mehr als 120 Zuschauer teilhaben an einem neuen Teil seiner Chronik über das Single-Leben. Auf eine nicht-einsame Nacht hoffend, versucht der Protagonist auf einem runden Geburtstag eine Truppe Damen um die 50 zu beeindrucken. Die disputieren, ob 30 Jahre schlechter Sex Frau wieder zur Jungfrau werden lassen – wie „ein halbes Jahr gar kein Sex“. Sein „beeindruckender“ Vortrag über das Paarungsverhalten des Waldpiepers und des Wiesenpiepers, das sich durch den unterschiedlichen Schwanzschlag auszeichnet, bringt ihm zwar keine Bettpartnerin ein, aber eine Anekdote, die fortan per Fingerzeichen und Ton „Ping“ verbreitet wird. Klopfers Fazit: „Mach’ dich frei, schwing dein Ding und sage ping.“