Das als Kochsalz bekannte Natriumchlorid reguliert den gesamten Wasserhaushalt, hält die Gewebespannung aufrecht und aktiviert viele Stoffwechselvorgänge. Doch wieviel Salz ist noch gesund? Experten sind sich uneins. Foto: Fotolia

Einst wurde Salz mit Gold aufgewogen – heute wird vor zu viel Würze gewarnt: Zu salzig essen ist nicht gut für Herz und Blutdruck. Das will auch eine aktuelle Studie belegen. Doch Experten warnen: Für jeden gültig sind solche Analysen eher nicht.

Einst wurde Salz mit Gold aufgewogen – heute wird vor zu viel Würze gewarnt: Zu salzig essen ist nicht gut für Herz und Blutdruck. Das will auch eine aktuelle Studie belegen. Doch Experten warnen: Für jeden gültig sind solche Analysen eher nicht.

Stuttgart/Berlin - Karl Lauterbach  straft Salzstreuer mit Nichtachtung. Pizza würde der Gesundheitsexperte und Fraktionsvize der SPD nie bestellen, und in eine Salami hat er wahrscheinlich zuletzt zu Studentenzeiten gebissen. Heute ist Lauterbach 51 Jahre alt und ernährt sich seit 25 Jahren salzarm. Aus gesundheitlichen Gründen, wie er sagt.

Ein fades Leben, könnte man meinen. Aber dafür ein langes, wie er nun einer Studie entnehmen konnte: Allein im Jahr 2010 starben weltweit schätzungsweise 1,65 Millionen Menschen, davon in Deutschland 2100, an Herzinfarkt und Schlaganfall – ausgelöst durch zu viel Salz im Essen. So lautet die Behauptung der Forscher um Dariush Mozaffarian von der Harvard School of Public Health. Die Wissenschaftler hatten in einer Meta-Analyse Daten zum Salzkonsum und zur Sterblichkeit infolge diverser Krankheiten aus 187 Ländern ausgewertet, die fast drei Viertel der Weltbevölkerung einbeziehen. Das Ergebnis: Keine Region der Welt bleibt vom Tod durch zu viel Salz im Essen ausgespart.

Der Kampf gegen das Salz gewinnt an Fahrt – wieder einmal. Predigen doch seit Jahrzehnten Mediziner und Ernährungswissenschaftler, dass der Mensch mit Fertiggerichten, Chips und gepökelten Fleisch- und Wurstwaren sein Leben ordentlich versalzt. Viel Salz – hoher Blutdruck; So lautete stets die oft propagierte Gleichung – zuletzt verkündet beim Weltkongress der Herzspezialisten, weshalb dort auch erst im Frühjahr dieses Jahres zum „War on Salt“, dem Krieg gegen Salz, aufgerufen wurde.

Sechs Gramm Salz pro Tag werden empfohlen

Also weg mit dem Salz – und schon lebt man gesund? Der Umkehrschluss stimmt nur bedingt, der Mensch braucht sehr wohl Salz zum Leben. Das als Kochsalz bekannte Natriumchlorid reguliert den gesamten Wasserhaushalt, hält die Gewebespannung aufrecht und aktiviert viele Stoffwechselvorgänge. Natrium und Chlorid wirken auch als Signalstoffe, um Informationen im Nervensystem weiterzuleiten.

Es ist wie immer die Frage nach der richtigen Prise – und auf die gibt es seitens der Wissenschaft noch längst keine gültige Antwort. Sechs Gramm pro Tag werden seitens der Weltgesundheitsorganisation WHO empfohlen, die deutsche Hochdruckliga rät sogar, unter diesem Wert zu bleiben. Die meisten Menschen – insbesondere in den Industriestaaten – nehmen rund neun Gramm zu sich. Männer in der Regel mehr als Frauen. Dass diese aber nun alle generell gefährdet sind, an Schlaganfall oder Herzinfarkt zu sterben, halten selbst Experten für übertrieben: Die Schlussfolgerung der Forscher beruhe auf Hochrechnungen, Schätzungen und mathematischen Modellen, da die Daten aus den verschiedenen Ländern in sehr unterschiedlicher Qualität vorlägen, sagt etwa der Bluthochdruckspezialist und Senior-Professor an der Berliner Charité, Friedrich Luft. Denn einen wissenschaftlichen Beweis, dass Menschen sterben, weil sie zu salzig essen, gibt es nicht. „Es besteht allenfalls ein wissenschaftlich begründeter Zusammenhang zwischen Salzaufnahme und Bluthochdruck“, sagt Erland Erdmann, Professor für Kardiologie und Mitglied der Deutschen Herzstiftung.

Das hängt mit dem Flüssigkeitsgehalt des Körpers zusammen. Einfach erklärt: Je mehr Salz im Körper ist, desto höher muss auch der Flüssigkeitsanteil sein. Wird zu wenig getrunken bei gleichzeitig hoher Salzaufnahme, wird das benötigte Wasser den Zellen entzogen. Gibt es dort auch kein Wasser mehr, steigt der Durst. Und ein höherer Flüssigkeitsgehalt führt auch zu höheren Blutdruckwerten.

Salami, fertige Soßen, Chips oder Konservenkost enthalten viel Salz

Allerdings ist dieser Effekt nicht bei allen Menschen gleich ausgeprägt. „Bei manchen Menschen verträgt der Organismus durchaus größere Mengen Salz, bei anderen – vor allem Patienten, die von Natur aus Probleme mit dem Blutdruck haben – kann eine salzarme Ernährung durchaus zur Besserung ihrer Gesundheit beitragen“, sagt Erdmann.

Diesen Patienten empfiehlt der Mediziner durchaus, mehr auf ihre Ernährung zu achten und weniger zu industriell gefertigten Lebensmitteln zu greifen. Denn Produkte wie Salami, fertige Soßen, Chips oder Lebensmittel in Konserven enthalten aus Gründen der Haltbarkeit viel Salz. „Mit Hilfe von Obst und Gemüse, die sehr kaliumreich und natriumarm sind, lässt sich der Salzhaushalt besser im Griff halten.“

Der Salzstreuer darf also wieder aus dem Schrank geholt werden: So kommen in einer weiteren Studie mit 102 000 Teilnehmern im selben Fachblatt denn auch Wissenschaftler um Martin O’Donnell zu dem Ergebnis, dass eine Salzzufuhr zwischen sechs und zwölf Gramm täglich am besten für Herz und Gefäße sei. Fällt die tägliche Dosis jedoch höher oder auch niedriger aus, steigt die Gefahr für ein Herz-Kreislauf-Leiden wieder an.

Demnach hält auch der Bluthochdruck-Spezialist Luft einen normalen Umgang mit Salz medizinisch gesehen für in Ordnung: „Um herauszufinden, welche Folgen ein hoher Salzkonsum auf den menschlichen Organismus hat, bräuchte es eine seriöse randomisierte Studie, in der 20 Jahre lang Menschen medizinisch begleitet werden, die viel Salz essen, die wenig Salz essen und die ganz auf Salz verzichten“, sagt er. Doch solange es eine solche Studie nicht gibt, spricht wissenschaftlich nichts dafür, sich so salzarm wie möglich zu ernähren.