Winfried Kretschmann (rechts) und Thomas Strobl loten aus, ob sie Koalitionsverhandlungen führen wollen Foto: dpa

Auch die dritten Sondierungsgespräche zwischen den Grünen und der CDU im Land sind am Dienstag zielorientiert und pragmatisch über die Bühne gegangen. Die CDU will schon heute entscheiden, ob sie Koalitionsverhandlungen führt, die Grünen am Freitag.

Stuttgart - Nach zwei Stunden Kennenlernen und Austausch taten sich die Wortführer beider Parteien vor der Presse fast schwer, Unterschiede zu formulieren. Von echten Differenzen wollte erst gar niemand mehr sprechen. In den übergeordneten Zielen sei man sich einig, hieß es unisono. Lediglich der Weg dorthin, die Umsetzung also, könnte Schwierigkeiten bereiten.

Nach diesem Resümee der Runde zweifelt eigentlich niemand mehr daran, dass es in Baden-Württemberg zur ersten Kiwi-Koalition aus Grünen und CDU kommen wird. Jetzt üben sich beide Partner darin, ihren „Markenkern“ zu finden und zu pflegen, wie es hieß. Erneut loteten bei der Sondierung sechs Mitglieder der Grünen und acht der CDU die Chancen und Hürden einer Koalition aus – so viele Verhandlungspartner hatten die Parteien für die Gespräche benannt.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sprach nach dem Gespräch von einer „ernsthaften, angenehmen und verbindlichen Atmosphäre“. Dass beide Partner ihren Markenkern in einer Koalition wiederfinden könnten, sei machbar, wenn beide kompromissbereit seien. Während es in der ersten Verhandlungsrunde um den Etat und die Schuldenbremse ging und in der zweiten um Verkehr, Bildung, innere Sicherheit und Breitband, standen am Dienstag Klima- und Naturschutz und die Energiewende als Themen an. „Wir haben Oberziele formuliert“, sagte Kretschmann. Dazu gehöre, das Wirtschaftswachstum vom Naturverbrauch zu entkoppeln. „Es gibt keine unüberwindlichen Differenzen. Natürlich müssen Ziele, wie die des Pariser Gipfels, von der baden-württembergischen Landesregierung umgesetzt werden.“ Beide Partner, so Kretschmann, können sich auch vorstellen, die Digitalisierung mit einer ökologischen Modernisierung zu verbinden.

Grün-Schwarz ist nicht Grün-Rot

Beim Thema Windkraft gibt es aber Differenzen: „Die Klärung der Einzelfragen wird in den Koalitionsverhandlungen, sofern es welche gibt, mit Sicherheit nicht leicht“, so Kretschmann. Zur Bürgerbeteiligung sind Nuancen hörbar: Während die Grünen mehr direkte Demokratie wollen, setzt die CDU auf eine Balance zwischen direkter und repräsentativer Demokratie: „Die repräsentative Demokratie ist auch das Erfolgsmodell der Zukunft. Die direkte Demokratie darf zu ihr keine Konkurrenz sein“, betonte CDU-Fraktionschef Guido Wolf.

Auch Thomas Strobl sprach von einer „sehr guten sachorientierten Atmosphäre“ der Sondierung. „Die Gespräche wurden in einem Geist geführt, dass am Ende eine grün-schwarze Koalition stehen könnte“, formulierte Strobl zurückhaltend. „Wir sind gemeinsam auf der Suche nach Wegen, das Land voranzubringen und die Wettbewerbsfähigkeit des Technologielandes noch zu optimieren.“ Es gebe aber durchaus „unterschiedliche Standpunkte darüber, wie wir das gestalten“.

Die CDU werde schon an diesem Mittwochabend ihre Entscheidung über Koalitionsgespräche treffen. Zuvor würden alle Kreisvorsitzenden sowie der Landesvorstand über den Verlauf der Gespräche informiert, kündigte Strobl an. Klar sei aber, dass Grün-Schwarz nicht die Fortführung von Grün-Rot sein könne. „Wir wollen eigene Akzente setzen.“ Beide Partner müssten ihr Profil erhalten. Bei den Grünen sei das etwa der Klimaschutz, bei der CDU die innere Sicherheit. Ein weiteres zentrales Thema sei die Bildungspolitik, bei der es unterschiedliche Auffassungen gebe.

Die Diskussion über Themen zeigt die Unterschiede

Strobl sagte ausdrücklich, von einer Liebesheirat mit den Grünen könne keine Rede sein. Vielmehr müsse es um ein „von Vertrauen geprägtes Arbeitsverhältnis“ gehen. CDU-Fraktionschef Guido Wolf sieht es ähnlich: „Es geht jetzt vor allem darum, eine Vertrauensbasis aufzubauen. Doch nach dem wochenlangen Wahlkampf geht das nicht einfach auf Knopfdruck.“ Wolf sieht allerdings Grün und Schwarz „im Erreichen der Ziele beieinander“ – die Einigkeit falle leichter bei den Überschriften und sei schwieriger in den Wegen: „ Die Diskussion über Themen bringt Unterschiede an den Tag.“

Thekla Walker, Landesvorsitzende der Grünen, forderte eine Reform des Landtagswahlrechts. „Noch immer sind dort weniger als 25 Prozent Frauen und andere Gruppen gar nicht vertreten.“ Die Grünen streben nach früheren Angaben ein Listenwahlrecht mit zwei Stimmen an, um Frauen gezielt auf vordere Listenplätze setzen zu können. Als wichtigste Themen für ihre Partei nannte Walker die ökologische Modernisierung, die Energiewende, die Verkehrspolitik sowie Naturschutz und Landwirtschaft. Die offene Bürgergesellschaft solle wichtige Ergänzung der repräsentativen Demokratie sein. „Aus Sicht der Grünen steht Koalitionsverhandlungen mit der CDU nichts im Weg.“

Die konstituierende Sitzung des neuen Landtags ist für den 11. Mai geplant. Ziel von Grünen und CDU ist es, die Verhandlungen bis dahin abzuschließen. „In vier Wochen ist ein fundiertes Koalitionspapier zu machen“, sagte der stellvertretende Fraktionschef der CDU, Peter Hauk. Am 12. Mai soll der Landtag den neuen Ministerpräsidenten wählen.