Jedes dritte Aufsichtsratsmitglied muss künftig weiblich sein. Foto: dpa

Rund 100 große börsennotierte Firmen in Deutschland werden künftig gesetzlich verpflichtet, einen Frauenanteil von 30 Prozent in ihren Aufsichtsräten sicherzustellen. Eine Übersicht aus Landesperspektive.

Stuttgart/Berlin - Die Koalitionsspitzen haben sich auf eine Quotenpflicht geeinigt. Die Vorschriften gelten für die größten börsennotierten und voll mitbestimmungspflichtigen Unternehmen. Von 2016 an müssen sie bei Neubesetzungen von Aufsichtsratsposten auf die Quote achten. Wird keine geeignete Frau gefunden, muss der Posten unbesetzt bleiben.

Daimler: Bei Daimler beträgt die Frauenquote im gesamten Unternehmen nur 15 Prozent. Im 20-köpfigen Aufsichtsrat sitzen derzeit aber immerhin fünf Frauen, was einer Quote von 25 Prozent entspricht. Nachholbedarf besteht auf Seiten der Arbeitnehmer, wo es bisher nur zwei weibliche Vertreterinnen gibt. Daran könnte sich frühestens bei den nächsten Aufsichtsratswahlen im Jahr 2018 etwas ändern. „Wir müssen erstmal die genaue Ausgestaltung des Gesetzes abwarten“, so eine Sprecherin. Generell will Daimler Frauen den Weg in Führungspositionen erleichtern. Deren Anteil soll bis 2020 auf 20 Prozent steigen.

Konzernbetriebsratschef Michael Brecht hatte sich noch Ende Oktober mit einem Brief an die Regierungskoalition gewandt und um eine Überarbeitung gebeten. Zwar sei man für die Einführung einer Quote. Allerdings müsse diese sich auch an der Branche und dem durchschnittlichen Frauenanteil in der Belegschaft orientieren. In den Aufsichtsrat würden in der Regel Betriebsratsvorsitzende aus den großen Werken des Konzerns entsandt und damit Vertreter, denen die Kollegen auch in Betriebsratswahlen das Vertrauen geschenkt hätten. Das werde kaum mehr möglich sein, wenn diese männlichen Kandidaten durch Frauen ersetzt werden müssten. „Es wird nicht einfach, aber wir werden die Vorgaben natürlich umsetzen“, sagte Betriebsratschef Michael Brecht unserer Zeitung.

Siemens: Ähnlich wie bei Daimler sieht es bei Siemens aus. Bei dem Unternehmen, das im Südwesten rund 10 000 Mitarbeiter hat, ist ein Viertel der 20 Aufsichtsratsmitglieder weiblich. Siemens-Chef Joe Kaeser hatte sich in der Vergangenheit eher skeptisch mit Blick auf eine gesetzliche Frauenquote geäußert. Siemens will grundsätzlich mehr Frauen in Top-Positionen und hat sich verpflichtet den Frauenanteil bei seinen rund 20 000 außertariflich Beschäftigten auf 12 bis 13 Prozent im Jahr 2015 zu erhöhen. Aktuell hat das stark von technischen Berufen geprägte Unternehmen dieses Ziel nahezu erreicht. Besonders ambitioniert, erscheint es indes nicht. Bei außertariflich Beschäftigten handelt es sich um meist sehr gut verdienende Mitarbeiter, die ihr Gehalt direkt mit dem Arbeitgeber aushandeln und freiwillig auf eine Eingruppierung in geltende Tarifverträge verzichten.

SAP: Der Walldorfer Softwarekonzern sieht sich auf einem guten Weg. Im Mai 2011 hatte SAP bekannt gegeben, den Anteil von Frauen auf allen Führungsebenen bis 2017 auf weltweit 25 Prozent zu erhöhen. Derzeit beträgt der Anteil 21,1 Prozent. Insgesamt liegt der Anteil der weiblichen Mitarbeiter bei rund 30 Prozent. Damit es mehr Frauen in Führungspositionen schaffen, hält das Unternehmen eine aktive Förderung für notwendig. Auch müssten die Arbeitsbedingungen noch flexibler werden. 25 Prozent Frauen auf allen Führungsebenen sei „ein ehrgeiziges Ziel für ein Unternehmen, das vorrangig Mitarbeiter aus den so genannten MINT-Fächern rekrutiert“, sagt ein Unternehmenssprecher. MINT-Fächer – das sind Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Im 18-köpfigen Aufsichtsrat von SAP sitzen derzeit vier Frauen. Die Frauenquote liegt somit bei 22 Prozent.

BASF: Der Chemiekonzern hält nichts von der gesetzlichen Frauenquote. Er spricht von einem „unverhältnismäßigen Eingriff in die Rechte der Aktionäre des Unternehmens, über ihre Vertretung im Aufsichtsrat zu bestimmen“. Das wichtigste Kriterium für ein Aufsichtsratsmandat müsse die persönliche Eignung sein, nicht das Geschlecht, sagt eine Konzernsprecherin weiter. „Eine gesetzliche Quote für die Beteiligung von Frauen in Aufsichtsräten stellt nicht den richtigen Weg dar.“ Trotz seiner Abneigung steht BASF gut da: Drei der zwölf Aufsichtsratsmitglieder sind Frauen. Das entspricht 25 Prozent.

Heidelberg-Cement: Auch der Baustoffkonzern Heidelberg-Cement steht der Frauenquote kritisch gegenüber. „Die Beibehaltung der Flexi-Quote, wie sie im Corporate Governance Kodex der Bundesregierung vorgesehen war, wäre uns lieber gewesen“, sagt eine Unternehmenssprecherin. Die Flexi-Quote wollte die ehemalige Familienministerin Kristina Schröder einführen. Sie sah vor, dass Unternehmen sich eine individuelle Frauenquote auferlegen, diese veröffentlichen und einhalten. Andernfalls sollten Sanktionen drohen. In dem Fall hätte HeidelbergCement bei der Aufsichtsratswahl im Mai sein selbst gestecktes Ziel erreicht. Im zwölfköpfigen Aufsichtsrat sitzen zwei Frauen –ein Anteil von 17 Prozent, „Damit liegen wir etwas über dem Anteil von Frauen an der Gesamtbelegschaft von 14 Prozent“, sagt die Sprecherin. Für bestimmte Positionen im technischen Bereich und Vertrieb rekrutiere der Konzern seit Jahren gezielt Frauen. Mit einer Hochschulmarketing-Kampagne, die im Jahr 2015 starten soll, will der Konzern den Frauenanteil weiter erhöhen.

Landesunternehmen: Die Frauenquote hat Signalwirkung. „Bei vom Land zu besetzenden Aufsichtsratsmandaten wollen wir den Frauenanteil weiter schrittweise zu erhöhen.“, sagte Bastian Fleig, der Sprecher von Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid. Der Frauenanteil in Unternehmen, an denen das Land beteiligt ist, wächst: von 14,9 Prozent (März 2011) auf 19,8 Prozent (August 2014). Das Land hat 2013 einen Kodex für gute Unternehmensführung öffentlicher Unternehmen verabschiedet. Danach wird eine Frauenquote im Aufsichtsrat von 50 Prozent angestrebt. Der Kodex ist aber nicht mit einem Gesetz gleichzusetzen.