Jürgen Hollenbach. Foto: StN

Der Unternehmer Jürgen Hollenbach träumte von der Handball-Bundesliga und fühlt sich im Stich gelassen

Stuttgart - Ruhig wirkt er. Zurückhaltend. Lange sucht der einstige Handball-Torwart Jürgen Hollenbach nach Worten, ehe er etwas sagt. „Wissen Sie, mir wird vorgeworfen, ich hätte aus persönlichem Ehrgeiz alles alleine gemacht. Aber Tatsache ist, ich habe Unterstützung gesucht, aber keine gefunden.“ Man spürt selbst am Telefon, er ist verletzt, darüber dass nun diejenigen, die ihn bewundert, ihn hofiert haben, über ihn herziehen. Selbstverständlich nicht mit offenem Visier. „Einzelkämpfer“, das ist noch einer der freundlicheren Vorwürfe.

Seit fast 20 Jahren ist Hollenbach Unternehmer. Per Zeitungsannonce suchte er eine Hausverwaltungsfirma. Er kaufte sie per Kredit. Mittlerweile hat er knapp 20 Angestellte, verwaltet knapp 11.000 Wohnungen, Büros und Läden, baut Studentenwohnungen in Tübingen, hat in Degerloch an der Epplestraße ein ganzes Areal neu gestaltet. Er ist ein Macher, einer, der anpackt. So sieht er sich auch selbst. „Ich möchte Sachen entwickeln und Probleme beseitigen“, hat er über sich gesagt. Er entwickelte Visionen und sprach gerne darüber. Etwa über ein 35 Millionen Euro teures Hotel mit 200 Zimmern in Degerloch an der B 27. Und darüber, mit seinen Kickers-Handballern in der Bundesliga in einer „ausverkauften Porsche-Arena gegen Frisch Auf Göppingen zu spielen mit Monsieur Bernhard Kempa als Ehrengast“.

Das Hotel gibt es nicht. Die Finanzierung scheiterte. Der Bauunternehmer Baresel wollte sein Geld zurück. Mehr als drei Millionen Euro. Daraufhin beantragte das Amtsgericht Stuttgart gegen Hollenbachs Wohnbau GmbH Insolvenz. Das ist eine von drei seiner Firmen. Zu seiner Unternehmensgruppe gehören noch die Tübinger Treuhand GmbH & Co KG und die Hollenbach Hausverwaltung GmbH. Beide Firmen bestehen weiter. Das Gelände wurde zwangsversteigert, die Firma Mädler hat es für 3,2 Millionen Euro erworben.

Nach 14 Jahren genug gehabt

Dass dieses Geschäft Hollenbach so in die Bredouille brachte, dass er sich auch sein Hobby Handballverein nicht mehr leisten konnte, bestreitet er. „Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.“ Nach 14 Jahren habe er genug gehabt. „Wir haben in der achten oder neunten Liga angefangen“, sagt er, „und sind nun in der dritten Liga, aber so ging es nicht mehr weiter, deshalb habe ich im vergangenen November gesagt, ich höre auf.“ Es sei Zeit gewesen, dass andere in die Bresche springen. „Doch Sie sehen ja, es gibt niemand.“ Außer ihm. Das sagt er nicht. Aber das schwingt mit.

Damit war auch der Traum gescheitert, Bernhard Kempa, dem berühmten Göppinger Ex-Handballer, die Hand schütteln und sagen zu können: Das hier habe ich aufgebaut. Auch der HV Stuttgarter Kickers ist insolvent. 400.000 Euro Schulden sind laut Insolvenzverwalter Philipp Grub zusammengekommen. Mehrere Zehntausend Euro schuldete der Verein der Stadt, die die Mannschaften daraufhin nicht mehr in ihren Hallen trainieren ließ. Im April kam zum Spiel der Kickers gegen Neuhausen in der dritten Liga der Gerichtsvollzieher in die Scharrena und pfändete die Einnahmen, Spieler und Trainer wollten sich so Teile ihres Gehalts sichern. Die Stadt wartet immer noch auf 20.000 Euro.

Sportbürgermeisterin Susanne Eisenmann ließ sich nach dem Aufstieg der Kickers im Jahre 2011 freudestrahlend neben Hollenbach fotografieren, wie auch der Präsident des Handballbezirks, Josef Brandl. Heute sagt sie: „Wir hätten früher hinschauen und reagieren müssen.“ Und ergänzt: „Seit 14,15 Monaten kam die Miete für die Hallen unregelmäßig. Wir haben gemahnt, dann hat Herr Hollenbach mal 5000 Euro bezahlt, mal 10.000 Euro.“ Doch die Ultima Ratio, die Hallen für die Teams zu sperren, habe man vermeiden wollen. „Der Aufschrei wäre groß gewesen.“ Die Scharrena habe man nur noch gegen Vorauskasse vermietet. „Zuletzt haben wir 5000 Euro auf einem städtischen Konto gefunden“, sagt Eisenmann. „Es war ohne Buchungszeile, wir mussten erraten, dass es für die Hallenmiete war.“ Aber wie kommt es, dass ein Unternehmer, dem Geschäftspartner bescheinigen, akkurat zu sein und verlässlich, „immer pünktlich bezahlt zu haben“, bei seinem Hobby so schludert?

„Stuttgart ist eine Fußballstadt, ich hatte etliche Versprechen von Sponsoren, aber das waren alles Lippenbekenntnisse“

„Ich habe eine große Affinität zu diesem Sport“, sagt der einstige Handball-Torwart, „im Nachhinein ist man immer schlauer, Stuttgart ist eine Fußballstadt, ich hatte etliche Versprechen von Sponsoren, aber das waren alles Lippenbekenntnisse.“ Also öffnete er seine Schatulle. Wie viel Geld er gezahlt hat in seinen 14 Jahren als Mäzen, will er nicht sagen, der Etat des Vereins habe zuletzt etwa 400.000 Euro betragen.

Die bezahlte wohl zum Großteil Hollenbach. Das bestätigen Weggefährten. „Die Kickers waren eine One-Man-Show“, sagt einer der Handballer. „Er hat das mit großem persönlichem Einsatz gestemmt, aber das Vertrauen war falsch. Man hätte früher fragen müssen, was da los ist.“ Gefragt hat keiner. Auch nicht, ob man helfen könne oder warum es keine Wahlen gab. Stattdessen haben sich 2009 auch noch die Handballer der SV Möhringen in seine Arme geworfen, weil sie sich von ihrem Hauptverein schlecht behandelt fühlten.

„Kickers wollten unsere Spieler abwerben, um ihre Jugendmannschaften aufzufüllen“

Statt zwei Männermannschaften hatten die Kickers nun Frauen- und Jugendteams, und mehrere Hundert Mitglieder. „Das ließ sich so nicht mehr stemmen“, erkennt Hollenbach heute. Einige der neuen Mitglieder hätten sich engagiert. Allein, es waren zu wenige. Und die Außenwirkung war fatal. Schon zuvor hatte man in der Branche Hollenbach mit Skepsis betrachtet, ihm vorgeworfen, „Spieler mit viel Geld abzuwerben“. Schon seit Jahren hieß es, „der Hollenbach kauft sich die Aufstiege und verdirbt die Preise“. Jugendmannschaften gab es keine, Helfer kaum, Zuschauer eine Handvoll. In der Szene spottete man über den Manager, der den Verein finanzierte, die Wurstbrötchen schmiere und der einzige Fan seiner Mannschaft sei.

Nun hatten die Kickers plötzlich Nachwuchs. Alles nur geklaut, höhnten die Kritiker. Ein Vorstand eines benachbarten Vereins sagt: „Die Kickers wollten unsere Spieler abwerben, um ihre Jugendmannschaften aufzufüllen.“ Gleichzeitig habe Hollenbach aber dafür geworben, sich seine Kickers anzuschauen. „Erst wirbt man unsere Talente ab, und dann sollen wir dort hingehen und unser Geld hintragen.“ Dann ging man schon lieber zu den Zweitliga-Handballern des TV Bittenfeld in die Porsche-Arena. Sie spielen eine Klasse höher als die Kickers. Und sind das Kontrastprogramm. Ein über Jahre gewachsener Verein mit vielen Helfern.

Im Jahr 2011 scheiterte dann der Versuch Hollenbachs, die Bundesliga-Handballerinnen des VfL Sindelfingen vor der Pleite zu retten und nach Stuttgart zu holen. Beinahe zeitgleich kündigten die Bittenfelder an, nach Stuttgart zu ziehen und künftig in der Scharrena zu spielen. Eine übermächtige Konkurrenz. Damit war abzusehen, dass die Kickers in Stuttgart, wenn überhaupt, nur die zweite Geige spielen würden. Dafür so viel Aufwand? „Es ging so nicht mehr“, sagt Hollenbach, „der Handballsport funktioniert in Stuttgart nicht.“ Daraus habe er die Konsequenzen gezogen. In Sachen Sport will er sich nicht mehr engagieren. „Das ist vorbei!“ Sollen sich mal andere einbringen. Er will seine Ruhe haben.