Gerd E. Mäuser Foto: dpa

Gerd E. Mäuser, Präsidentschaftskandidat beim VfB, über Arbeitsweise und Ziele.

Stuttgart - Am Sonntag wählt die Mitgliederversammlung der Roten den neuen Präsidenten. Im Vorfeld zogen Teile der Fan-Gemeinde gegen die amtierende Führungscrew zu Felde. Und nicht alle halten den einzigen Kandidaten für bestens geeignet. Es könnte stürmisch werden.

Guten Tag, Herr Mäuser. Trainieren Sie für Ihre Rede vor der VfB-Mitgliederversammlung schon heimlich vor dem Spiegel?

(Lacht) Nein, und ich schlafe extrem gut. Ich habe eine tolle Frau, drei Kinder und einen Hund, mit dem ich jeden Morgen an der Enz spazieren gehe. Es geht mir gut.

Aber Sie haben keinen Job.

Wo ist das Problem? Sehen Sie, ich bin 53 Jahre alt, finanziell und politisch völlig unabhängig. Ich lebe seit 18 Jahren in Bietigheim-Bissingen, es gefällt uns sehr gut dort. Weder ich noch meine Familie wollen wieder weg. Ich dachte, ich arbeite jetzt noch ein bisschen als Berater und genieße endlich mal mein Motorboot.

Auf dem Neckar?

Nein, in Kroatien.

Klingt gut. Warum wollen Sie sich den VfB Stuttgart dann noch antun?

Weil mir dieser Verein seit vielen Jahren am Herzen liegt.

Das tut er denen, die auf der Tribüne sitzen, auch. Warum wollen Sie Präsident werden?

Zunächst einmal: Ich bin nicht mit dem gestreckten Finger durch die Gegend gerannt. Ich wurde im Frühjahr gefragt, habe nachgedacht und dann gesagt, dass ich das gern machen würde. VfB-Präsident zu sein ist doch kein Job wie jeder andere, das ist etwas ganz Besonderes.

Noch mal die Frage: Was motiviert Sie?

Ganz klar die Herausforderung und mein Verständnis von gesellschaftspolitischer Verantwortung. Mir ist das Risiko bewusst, die Fallhöhe ist groß. Es überwiegt aber bei weitem die große Ehre und Verpflichtung, sofern ich gewählt werde, den größten Sportverein in Baden-Württemberg leiten zu dürfen.

Sie sind bisher nicht als Mensch aufgefallen, der die Öffentlichkeit sucht.

Stimmt, ich muss nicht jeden Tag in der Zeitung stehen. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.

"Ich werde ein bisschen nervös sein"

Wenn Sie gewählt werden, stehen Sie unter permanenter öffentlicher Beobachtung.

Ich weiß, aber das berührt mich relativ wenig. Wissen Sie, es gibt im Leben sicherlich weit Schlimmeres, als hart darüber zu diskutieren, warum der VfB da steht, wo er in der Tabelle steht.

Dann können Sie am Sonntag völlig entspannt vor die Mitglieder treten und frei von der Leber weg Ihr Programm erläutern.

Völlig entspannt wäre sicher etwas übertrieben. Ich werde feuchte Handflächen haben. Ein bisschen nervös werde ich schon sein. Frei reden werde ich auch nicht. Meine Erfahrung lehrt mich, dass man ohne Manuskript Gefahr läuft, sich inhaltlich zu verlieren. Ich habe keine Probleme, in einem überschaubaren Kreis von Zuhörern meine Überzeugungen in freier Rede darzulegen, aber es ist etwas völlig anderes, vor mehreren Tausend Menschen eine Bewerbung darzulegen. Ich bin kein Parteitagsredner und kein Volkstribun, damit muss man leben.

Leben muss man auch mit der Tatsache, dass Sie kein Fußball-Fachmann sind.

Was ist denn ein Fußball-Fachmann?

Jemand, der das komplexe Geschäft seit vielen Jahren von innen heraus kennt.

Dann erfülle ich Ihren Anspruch sicherlich nur zum Teil. Ich bin seit neun Jahren Aufsichtsrat beim VfB und habe natürlich auch viel über die Branche gelernt. Wenn Sie alle 1. Bundesligaclubs in den führenden Funktionen nach den von Ihnen definierten Fachleuten durchleuchten, was schätzen Sie, wie viele diesen Anspruch erfüllen?

20 Prozent?

Gut geschätzt, es sind gerade einmal 27 Prozent.

Wie wollen Sie diesen Mangel an Fachwissen kompensieren?

Ich bin nicht derjenige, der die Tore schießen muss oder im Alleingang entscheidet, wer Trainer wird, welche Transfers realisiert werden und welche nicht. Deshalb gibt es als eine der wesentlichen Maßnahmen in Zukunft den Sportbeirat, der mit seiner sportlichen Kompetenz als Bindeglied zwischen Aufsichtsrat und Vorstand fungiert.

"Hundt hat sehr viel für den Verein geleistet"

Wie soll das funktionieren?

Mitglieder sind Finanzvorstand Uli Ruf, der künftige Präsident, Hansi Müller - sofern er in den Aufsichtsrat gewählt wird -, Sport-Manager Fredi Bobic, Jochen Schneider als Leiter der Sportverwaltung und Chefscout Ralf Becker. Wenn ich Präsident werden sollte, wird das Scouting weiter ausgebaut. Das halte ich für elementar. Je nach Bedarf ziehen wir dann die Trainer hinzu. Auch externe Experten sind im einen oder anderen Fall denkbar.

Und der neue Präsident serviert dann den Merlot?

(Lächelt) Ich bevorzuge sizilianischen Rotwein. Aber im Ernst: Meine Vorstellung ist, dass ich diese von der sportlichen Leitung gut vorbereiteten Runden moderiere und dafür sorge, dass die Entscheidungsvorbereitung im Vorfeld methodisch sauber gelaufen ist.

Und wer entscheidet am Ende?

Natürlich der Vorstand. Daran wird sich nichts ändern. . .

. . . und der Aufsichtsratschef hält sich raus?

Es wird so sein wie bisher. Der Aufsichtsrat stellt die wirtschaftlichen Leitplanken auf, innerhalb derer wir uns bewegen.

Kritiker sehen in Ihnen die Fingerpuppe von Dieter Hundt.

Das ist extrem unfair, weil es nicht den Tatsachen entspricht. Ich kann mich in den neun Jahren als Aufsichtsrat auch nach den härtesten Diskussionen an keine einzige Entscheidung erinnern, die wir nicht einstimmig getroffen haben, und an keine, die ins operative Geschäft eingegriffen hat. Und seien Sie versichert: Mich schubst niemand herum. Ich habe mich in meinem Leben noch nie verbiegen lassen. Darauf bin ich stolz. Außerdem hat Dieter Hundt in den vergangenen neun Jahren sehr viel für den Verein geleistet.

Was genau?

Er hat es in sehr schwierigen Zeiten geschafft, die großen Unternehmen der Region im Aufsichtsrat zu versammeln. Diese Unternehmen bringen inzwischen über 50 Prozent des Sponsorenvolumens beim VfB auf. Wir haben alle Vermarktungsrechte in eigener Hand, es gibt keinen Fremdinvestor. Das Carl-Benz-Center, der Stadionumbau und die Modernisierung von Geschäftsstelle und Trainingszentrum wären sonst kaum möglich gewesen. Sportlich waren wir dreimal in der Champions League, einmal deutscher Meister, einmal im Pokalfinale, mehrmals in der Europa-Liga. So schlecht ist es also nicht gelaufen.

Was tun Sie, wenn Sie nicht gewählt werden?

Warum schafft es der VfB nicht, mehr als bisher von der Wirtschaftskraft dieser Region zu profitieren?

Das Marketing arbeitet täglich daran. Wenn ich mir das Sponsorvolumen des Vereins anschaue und die Liste der Unternehmen, die dahinter stehen, dann ist das eine tolle Sache. Viele dieser Unternehmen stehen immer noch unter dem Eindruck der Finanzkrise. Da ist es schon ein großer Erfolg, diese Sponsoren im Boot zu behalten. De facto brauchen sie aber bei potenziellen Sponsoren-Partnern jemanden in der Unternehmensspitze, der eine Affinität zum Fußball hat. Nur so kommen Kontakte mit Aussicht auf Erfolg zustande.

Eine Möglichkeit zur Kapitalisierung wäre, einen Großinvestor ins Boot zu holen.

Das kann ich mir nicht vorstellen. Der VfB soll unabhängig bleiben.

Und auf der Kasse sitzt Ulrich Ruf, das eigentliche Machtzentrum auf der Geschäftsstelle und im Vorstand. Werden Sie dem Finanzvorstand im Zweifelsfall die Stirn bieten?

Solche Männer gibt es in allen Schaltzentralen von großen Unternehmen. Und ich habe keinerlei Probleme, mich in einer sachorientierten rationalen Diskussion mit Ulrich Ruf auseinanderzusetzen. Ich hatte bisher als Aufsichtsrat auch keinerlei Probleme mit ihm. Im Gegenteil, er macht einen sehr guten Job.

Es gab acht Trainerwechsel in acht Jahren, nach fast jedem sportlichen Höhenflug folgte ein Absturz, diese Saison wurde mit knapper Not der Abstieg vermieden. Was lief schief?

Das ist eine sehr schwierige Frage. Ich habe kein Patentrezept. Mein Ziel ist es aber, im sportlichen Bereich die Wahrscheinlichkeit für gute Entscheidungen zu erhöhen, indem wir die Prozesse besser als bisher gestalten und somit eine bessere Entscheidungsqualität bekommen. Aber eine Garantie, dass ein neuer Spieler die Erwartungen zu hundert Prozent erfüllt, wird es auch in Zukunft nicht geben.

Sie haben angekündigt, das Scouting-System auszubauen.

Und nicht nur das. Zu meinen Zielen gehören ein funktionierendes Qualitätsmanagement und eine Rückkehr zu den Werten, die den VfB in der Vergangenheit groß gemacht haben. Dazu gehören eine nachhaltig optimierte Jugendarbeit, eine angriffslustige und clevere Spielphilosophie, die zu uns passt, und ein weltweit effizient vernetztes Scouting-System mit einem nachvollziehbaren Anforderungsprofil und klaren Vorgaben. Ich will mit dem VfB so schnell wie möglich zurück auf die internationale Bühne. Für mich gehört der VfB nach wie vor zu den Topclubs der Liga.

Das haben wir alles schon mal gehört. Allein uns fehlt der Glaube.

Ich bin kein Dampfplauderer. Wenn ich gewählt werde, dürfen Sie mich gern an meinen Taten messen. Ich habe mich immer an die Devise gehalten: Underpromise and overdeliver. Ich verspreche lieber weniger und löse umso mehr ein.

Herr Mäuser, was tun Sie, wenn Sie am Sonntag nicht gewählt werden?

Das wäre sehr schade. Aber auch dann bricht die Welt nicht zusammen. Dann trage ich das Votum wie ein Mann und überlege, ob ich mich für einen zweiten Wahlgang zur Verfügung stellen soll. Wenn nicht, dann setze mich in der neuen Saison eben als Fan auf die Tribüne.