Der Kapitän nimmt Stellung. Trotz des Katastrophen-Starts mit null Punkten ist Christian Gentner weit davon entfernt, die Nerven zu verlieren Foto: Getty

Die wievielte Krise Christian Gentner beim VfB Stuttgart schon erlebt hat? Das weiß der 30-Jährige wohl selbst nicht so genau. Doch die gegenwärtige Situation ist sehr speziell – und Gentner trotz null Punkten verhalten optimistisch.

Stuttgart - Herr Gentner, was läuft schief beim VfB?
Wir haben keine Punkte. Das ist die Realität. Aber es ist nicht so, dass wir viermal die schlechtere Mannschaft waren.
Aber ein Zufall ist das sicher alles nicht.
Das will ich damit auch nicht sagen. Ich denke, die wichtigste Erkenntnis ist die, dass der Gegner immer wieder zu leicht zu Toren kommt.
Handelt es sich nicht spätestens seit dem Berlin-Spiel auch um ein Kopfproblem? Nach dem unglücklichen 1:2 direkt vor dem Pausenpfiff wirkte Ihre Mannschaft im zweiten Durchgang reichlich konfus.
Mit Sicherheit hat in vielen Situationen die Klarheit gefehlt. Mit fehlendem Willen hatte das aber nichts zu tun.
Mit was dann?
Wir haben uns in der Halbzeitpause vorgenommen, sofort auf den Ausgleich zu drängen. Vielleicht wollte dabei jeder irgendwie zu viel auf einmal. Der Trainer hat ja schon angesprochen, dass ihm das zu viel „Mit-dem-Kopf-durch die-Wand“ war.
Und jetzt sind alle nur gefrustet.
Natürlich. Aber das bringt der Sport mit sich, dass du blöde Gegentore fängst oder unglückliche Niederlagen kassierst. Auch wenn es uns jetzt massiv entgegenschlägt – wir dürfen uns davon emotional nicht beeinflussen lassen.
Wie ist es um den Teamgeist bestellt? Von außen deuteten sich in Berlin erste Risse an.
Der Teamgeist ist gut. Auf dem Platz muss es manchmal auch lautstark zugehen. Es wäre schlimm, wenn es anders wäre.
Was muss vor dem Spiel gegen Schalke 04 am Sonntag (15.30 Uhr/Sky) passieren, damit endlich Punkte eingefahren werden?
Es sind in dieser Trainingswoche keine besonderen Maßnahmen geplant. Wir brauchen auch keine Aussprache. Wir dürfen nicht in Panik verfallen und müssen sachlich bleiben. Damit sind wir am Ende der vergangenen Saison gut gefahren. Die Mannschaft ist weit davon entfernt, den Glauben an sich zu verlieren.
Ihr Mitspieler Florian Klein hat nach den taktischen Korrekturen im Hertha-Spiel gefordert, zur alten Spielweise zurückzukehren, also weniger abwartend und stattdessen Vollgas von der ersten Minute. Hat er recht?
Ich weiß, was er damit gemeint hat. Das war ja keine 180-Grad-Kehrtwende. Wir sind ein bisschen tiefer gestanden – das war’s im Wesentlichen. Wir haben uns diese Spielweise in acht Wochen Vorbereitung erarbeitet. Da dürfen wir jetzt nicht alles über den Haufen werfen. Das hat der Trainer vor dem Spiel in Berlin auch nicht getan.
Seit Alexander Zorniger sein neues System ausgerufen hat, wird fast nur noch über eben dieses gesprochen. Ein Fehler?
Das glaube ich nicht. Es gibt keine Garantie, dass es anders gelaufen wäre, hätte kein Mensch darüber gesprochen.
Aber Alexander Zorniger wäre jetzt weniger angreifbar.
Jeder Trainer, der mit null Punkten startet, macht sich in gewisser Weise angreifbar. Und über neue Systeme und Taktiken wurde auch in früheren Zeiten schon gesprochen. Ich kann mit dem Vorwurf nichts anfangen.
Ist die Mannschaft überhaupt geeignet für diese Art von Hochgeschwindigkeitsfußball?
Jetzt reden wir schon wieder über das System! Unsere Fehler, sprich: die einfachen Gegentore, hatten in den meisten Fällen nichts damit zu tun, ob wir den Gegner besonders früh gestört haben oder nicht. Aber um Ihre Frage zu beantworten, ich denke: ja. Mit einer gewissen Vorlaufzeit kann prinzipiell jede Mannschaft diesen Fußball spielen.
Wie es ist zu erklären, dass Spieler wie Martin Harnik oder Timo Werner mit ihren Auswahlteams regelmäßig Erfolge feiern, beim VfB im Moment aber keinen Fuß auf den Boden bekommen?
Das lässt sich schwer verallgemeinern. Es ist auf jeden Fall nicht so, dass die beiden nur mit hängenden Köpfen bei uns über den Platz laufen.
Was ist mit Filip Kostic, den es wegzieht?
Er gibt in jedem Training und Spiel Gas. Er ist voll da und will mit der Mannschaft Erfolge haben wie jeder andere auch. Da wird jetzt zu viel hineininterpretiert.
Der Verein beschäftigt seit dieser Saison einen Teampsychologen. Ist er schon mehr gefordert als zu Beginn der Saison?
Er war von Anfang an nah an der Mannschaft dran. Aber wir befinden uns noch immer in der Kennenlernphase. Es ist jetzt nicht so, dass er täglich lange Einzelgespräche führen müsste.
Inwiefern trifft Sie die Krise unvorbereitet? Und welche Kraft kostest es Sie, schon wieder aufs Neue dagegen anzukämpfen?
Wir waren vor der Saison voller Optimismus. Insofern enttäuscht es uns schon sehr, wo wir jetzt stehen. Wir dürfen unseren Optimismus aber nicht verlieren, denn es ist ja nicht alles schlecht, was wir machen. Wenn wir wieder dahin zurückkommen, unsere Leistungen aus den Spielen gegen Köln und Hamburg abzurufen, werden wir auch bald positive Ergebnisse einfahren.