Ein Täter-Opfer-Ausgleich macht einen Prozess oft überflüssig Foto: dpa

Körperverletzung, Beleidigung, Sachbeschädigung: Da hat der sogenannte Täter-Opfer-Ausgleich laut Experten oft Vorteile gegenüber einem gerichtlichen Strafverfahren. Zudem sind die Kosten fürs Land geringer. In vielen Städten wird daher verstärkt auf Schlichtung gesetzt – in Stuttgart nicht.

Stuttgart - Eine Szene, wie sie so ähnlich wohl schon tausendfach vor einem Gericht endete: Zwei Männer, ein Mittdreißiger und ein 40-Jähriger, drängeln sich über ein Straßenfest bei Stuttgart. Der Jüngere tritt dem anderen in die Hacke, der dreht sich um, es fallen Schimpfworte – und schließlich setzt es gezielte Faustschläge. Die Konsequenz der Provokation: Ein Hämatom und eine Augapfelschwellung. Der Fall landet nicht vor Gericht, sondern auf dem Tisch eines Konfliktregler der Neustart GmbH.

Ein Mediator nimmt sich der Sache an: Erst sprechen die Sozialarbeiter in ihrem Stuttgarter Büro mit dem Täter, dann mit dem Opfer. Am Schluss laden sie beide zu einer Aussprache ein. In diesem Fall bietet der Beschuldigte dem Opfer 200 Euro Schadensausgleich an. „Noch wichtiger für das Opfer war allerdings, dass die beiden im Guten auseinandergingen und so nicht die Gefahr bestand, dass der Beschuldigte beim nächsten Mal wieder handgreiflich wird“, sagt Neustart-Sprecher Michael Haas.

Ein solcher Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) kostet rund 350 Euro, die aus dem Topf des Justizhaushalts des Landes bezahlt werden. Die Kosten für ein Strafverfahren sind meistens sehr viel höher, wie der Karlsruher Generalstaatsanwalt Uwe Schlosser sagt. „Die Gerichtskosten sind zwar vom Verurteilten zu tragen. Sie können jedoch nicht immer eingetrieben werden und verbleiben dann bei der Staatskasse“.

In vielen Städten greifen Gerichte und Staatsanwaltschaften immer häufiger auf die Konfliktschlichtung zurück: In Karlsruhe stieg die Zahl von 315 Fällen im Jahr 2012 auf 350 Schlichtungen im vergangenen Jahr. Landesweit verdreifachten sich die Aufträge seit 2007. Stuttgart hinkt hinterher.

Die Zahlen der Neustart GmbH, die vom Land für die Schlichtungen beauftragt ist, deuten darauf hin, dass die Akzeptanz in Stuttgart schwindet: Schlichtete das Büro im Jahr 2011 noch 181 Fälle, sank die Zahl im vergangenen Jahr auf 142. Bezogen auf alle Strafverfahren in der Stadt macht das einen Anteil von 0,3 Prozent aus.

Die Aufträge für Täter-Opfer-Ausgleiche gehen von der Staatsanwaltschaft aus. „Das Verfahren hat sehr viele Vorteile, kostet aber auch sehr viel Zeit“, sagt eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Stuttgart.

Der Ablauf des Täter-Opfer-Ausgleichs folgt immer dem gleichen Schema: Im Laufe eines Ermittlungsverfahrens entscheidet die Staatsanwaltschaft oder das Gericht ob ein Fall geeignet ist, vor allem muss der Täter gesprächsbereit sein. Die Juristen schicken einen Auftrag an Neustart. Die Konfliktregler erkundigen sich bei Täter und Opfer, ob diese offen für ein TOA sind, dann wird ein Vertrag aufgesetzt. Der Vertrag geht wieder an die Staatsanwaltschaft zurück, die Juristen prüfen ihn und erklären ihn für gültig.

Oft sei es sehr viel einfacher und schneller, kurz einen Strafbefehl zu diktieren, als einen Täter-Opfer-Ausgleich anzustoßen, heißt es seitens der Staatsanwaltschaft. Generalstaatsanwalt Schlosser sagt, dass die Schlichtung grundsätzlich bei allen Delikten eingesetzt werden kann. Derzeit werde sie insbesondere bei Körperverletzung, Beleidigung, Bedrohung, Nötigung, Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung und Stalking angewandt. In den allermeisten Fällen wird bei einem gelungenen Täter-Opfer-Ausgleich von der weiterer Strafverfolgung abgesehen. In einigen Fällen eröffne die Staatsanwaltschaft zwar ein Verfahren, der Täter verdiene sich aber mit dem vorigen Gespräch eine Strafmilderung.

Die Neustart GmbH wirbt weiter für mehr Akzeptanz für das Verfahren. „Die Zahlen klingen hoch, aber vergleichsweise sind sie nicht hoch genug“, sagt Michael Haas. Man wolle 2000 bis 3000 Fälle im Jahr mit einem Täter-Opfer-Ausgleich lösen.

In der Abteilung der Staatsanwaltschaft, die Anzeigen gegen Erwachsene bearbeitet, heißt es, dass es dazu schlicht an Ressourcen fehle.