Wo wurde Stummfilmstar Charlie Chaplin geboren? Britischer Geheimdienst scheitert an dieser Frage.

London - - Der britische Geheimdienst mag es geschafft haben, Anschlagpläne zu vereiteln oder militärische Codes der Nazis zu knacken – an der Ermittlung des Geburtsorts von Charlie Chaplin beißt er sich die Zähne aus. Am Freitag wurden in London bisher geheim gehaltene Akten vom Nationalarchiv veröffentlicht, aus denen hervorgeht, wie der Stummfilmstar in den 50er Jahren auf Anfrage der Amerikaner vom Inlandsgeheimdienst MI 5 beobachtet wurde.

Chaplin machte Anfang des 20. Jahrhunderts Karriere als Theaterschauspieler in England und siedelte 1910 in die USA über. Dort geriet er seit 1920 in den Fokus der Vorgängerbehörde der heutigen Bundespolizei FBI. Vor allem das linke Umfeld, in dem er sich bewegte, machte ihn für die Agenten verdächtig. Der langjährige FBI-Chef und erklärte Kommunistenhasser J. Edgar Hoover soll Chaplin laut MI-5-Historiker Christopher Andrew einmal „einen von Hollywoods Salonbolschewiken“ genannt haben.

Als Chaplin 1952 für die Premiere seines Films „Rampenlicht“ nach Europa fuhr, bewirkte Hoover, dass dem Briten die Rückkehr in die USA verwehrt wurde, und bat den MI 5 um Amtshilfe. Aus den nun veröffentlichten Papieren geht hervor, dass es den Spionen nicht gelang, den Geburtsort des Schauspielers zu ermitteln.

Kam Chaplin tatsächlich in London zur Welt?

Den Papieren zufolge ist es keineswegs sicher, dass Chaplin am 16. April 1889 in London zur Welt kam, wie es in nahezu allen Biografien steht. Seine Eltern waren beide Varietéschauspieler und traten in den zu dieser Zeit beliebten Music Halls auf. In den Geheimdienstberichten steht, dass es so scheine, dass Chaplin entweder „nicht in diesem Land geboren wurde oder dass sein Name bei der Geburt ein anderer war“ als Charles Spencer Chaplin.

Da es bereits damals Gerüchte gab, Chaplin sei als Israel Thornstein auf die Welt gekommen, recherchierten die Agenten des MI 5 auch in diese Richtung – vergeblich. Auch unter dem Namen Harley – dem Bühnenpseudonym seiner Mutter – fanden sie nichts. Einem weiteren Gerücht nach soll Chaplin gar nicht in Großbritannien, sondern im französischen Fontainebleau geboren worden sein. Aber auch hier recherchierten die Spione ohne Erfolg.

An anderer Stelle heißt es in den jetzt veröffentlichten Papieren, Chaplin könnte auch russische Wurzeln gehabt haben. Angeblich habe er einmal davon gesprochen, „zurück nach Russland“ zu gehen. „Das könnte sich auf einen früheren Besuch oder auch auf seinen russischen Ursprung beziehen“, orakelte der hochrangige MI-5-Agent W. M. T. Magan. Er vermutete, Chaplin stamme aus einer russisch-jüdischen Familie, die am Ende des 19. Jahrhunderts vor Pogromen nach England geflüchtet sei.

Chaplin wartet 20 Jahre auf Adelstitel

Für den Filmhistoriker Matthew Sweet sind Spekulationen über Chaplins Geburtsort nichts Neues, auch, weil der Künstler selbst die Gerüchte nicht kommentierte. In einem Fanmagazin stand bereits 1910, dass Chaplin geboren wurde, während seine Mutter auf Tournee gewesen sei. Das passt zu einem Brief, der erst nach Chaplins Tod in einer verschlossenen Schreibtischschublade gefunden wurde. Daraus geht hervor, dass er in einem Roma-Camp bei Birmingham im Wagen seiner Tante geboren wurde, die eine „Zigeunerkönigin“ gewesen sei.

Die Spione gaben die Suche nach dem Geburtsorts des Superstars irgendwann auf. „Es ist merkwürdig, dass wir keinen Eintrag über Chaplins Geburt finden können, jedoch kann ich mir nur schwer vorstellen, dass dies für unsere Sicherheit signifikant ist“, schrieb der Abwehrchef des MI 5 im Jahr 1952 – fast schon mit einem Hauch britischen Humors.

Die USA dachten darüber anders und ließen Chaplin nicht mehr ins Land. 1958 beschloss der MI 5, dass Chaplin – trotz Sympathien zum Kommunismus – keine Gefahr darstelle. Der Ritterschlag wurde ihm trotzdem lange Zeit verwehrt. Aus 2002 veröffentlichten Akten geht hervor, dass ihm ein Adelstitel fast 20 Jahre vorenthalten wurde. Erst 1975 wurde er zum Knight Commander of the British Empire (KBE) erhoben. So durfte er sich zwei Jahre lang Sir Charles Chaplin nennen, denn 1977 starb er – wenigstens das ist unstrittig – im schweizerischen Corsier-sur-Vevey.