Klare Botschaft: Beamtenprotest im März 2012 in Stuttgart Foto: dpa

Das Klima zwischen dem Staat und seinen Staatsdienern war noch nie rosig. Nun aber ist es besonders frostig. Tausende Beamte gehen am Samstag gegen Grün-Rot auf die Straße.

Stuttgart - Es war im März 2012. Der Beamtenbund rief seine Mitglieder zum Protest nach Stuttgart. Tausende kamen. Mit Schildern, Plakaten, Tröten und Trillerpfeifen. Wer bis dahin noch keine Probleme mit dem Gehör hatte, danach waren sie garantiert vorhanden. Weder Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) noch die Landtagsfraktionschefs Edith Sitzmann (Grüne) oder Claus Schmiedel (SPD) konnten ihre Sätze halbwegs beenden. Immer wieder wurden die Redner der Koalition mit Schlachtrufen wie „So nicht, so nicht“ oder „Abwählen, abwählen“ unterbrochen.

Wie laut es diesen Samstag wird, ist noch unklar. Dass es keine gemütliche Samstagmorgen-Wochenend-Einkaufsstimmung werden dürfte, steht aber schon fest. Wieder hat der Beamtenbund seine Mitglieder nach Stuttgart eingeladen, und wieder werden mindestens 3000, vielleicht sogar bis zu 5000 Polizisten, Lehrer, Förster, Justizbeamte, Verwaltungsfachleute erwartet. „Die Stimmung unter den Beamten ist aufgeheizt. Vor einem Jahr schon waren wir fassungslos über die Einschnitte der neuen Regierung“, erinnert sich Volker Stich, Landeschef des Beamtenbunds. Offenbar habe Grün-Rot aus den Protesten aber nichts gelernt: „Jetzt kommt die nächste Sparrunde, das lassen wir uns nicht mehr gefallen.“

„Grün-Rot gibt uns keine Perspektive“

Damals ging es darum, dass Grün-Rot 130 Millionen Euro bei den Beamten einspart. Nun will die Regierung, um Personalkosten zu sparen, die Tariferhöhung des öffentlichen Dienstes von 5,6 Prozent nur gestaffelt und zeitversetzt auf die 240 000 Beamten im Land übertragen. Die Folge: Untere Gehaltsgruppen müssen ein halbes Jahr warten, ab der Besoldungsklasse A 14 dauert es gar ein Jahr, bis es mehr Geld gibt.

Aus Sicht von vielen Beamten ist das nicht mehr hinnehmbar. Man sei bereit, einen Sparbeitrag zu leisten, brauche aber Verlässlichkeit. „Doch Grün-Rot gibt uns keine Perspektive, was sie dauerhaft mit den Beamten vorhaben“, sagt Stich und meint verärgert: „Die sind keinen Deut besser als die Vorgängerregierungen.“ Richtig ist: Auch als CDU und FDP im Land noch regierten, war das Klima zwischen dem Staat und seinen Staatsdienern selten gut. Irgendwann aber fand man zu Kompromissen. So wie zur Zeit von Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU). Da schlossen Koalition und Beamtenbund einen Vertrag für die gesamte Legislaturperiode ab. Einerseits stimmten die Beamten zu, dass es (auch damals) eine gestaffelte Besoldungserhöhung gab und das Weihnachtsgeld reduziert wurde. Andererseits wurde aber auch festgeschrieben, dass die Wochenarbeitszeit nicht mehr erhöht wird, die Beihilfe unangetastet bleibt und die Tarifergebnisse inhaltsgleich übernommen werden.

„So geht man nicht mit seinen eigenen Mitarbeitern um“

„Eine ähnliche Vereinbarung wollten wir mit Grün-Rot abschließen, aber dazu ist es nicht gekommen“, beklagt Stich und rätselt, warum die Steuerungsgruppe der Landesregierung, die nach dauerhaften Sparmaßnahmen suchen und an der auch der Beamtenbund mitwirken soll, nie tagt. Statt Aufgaben abzubauen und damit Kosten zu senken, „pumpt Grün-Rot Geld in ideologiebesetzte Themen wie den Nationalpark, aber für die Beamten ist kein Geld für die Gehaltserhöhung vorhanden. Das ist nicht nachvollziehbar“. Dass Grün-Rot jüngst versucht habe, die Verabschiedung des neuen Besoldungsgesetzes im Landtag mit einem Trick vorzuziehen, um damit die Protestaktion der Beamten auszubremsen, hat den Unmut bei den Betroffenen weiter gesteigert und die Bereitschaft zum Gespräch über Abstriche gen null gebracht. „Die Tür war zwei Jahre offen.“ Doch nichts sei geschehen. „So geht man nicht mit seinen eigenen Mitarbeitern um“, sagt der Beamtenbund-Chef an die Adresse des Arbeitgebers Land.

So deutet derzeit alles darauf hin, dass der Streit weiter eskaliert. Die Protestkundgebung am Samstag werde der Auftakt „von weiteren Widerstandsaktionen“ gegen die Politik der Landesregierung im Vorfeld der Bundestagswahl sein. Der Unmut, so scheint es, trifft dabei Grüne wie SPD gleichermaßen. Noch vor der Landtagswahl 2011 hatten sie sich für die Interessen der Beamten starkgemacht, nun haben die Koalitionäre offenbar reichlich Vertrauen verloren. „Viele Beamte haben damals Grüne gewählt, fühlen sich nun aber getäuscht“, sagt Stich. Man sei zwar weiter bereit, in Sachfragen zusammenzuarbeiten, die politische Verantwortung für die Entwicklung trage jedoch die Landesregierung: „Das Tischtuch ist zerschnitten, ein Klebeband liegt aber bereit.“