Bester Gebrauchter: Der Audi A6 hat im Durchschnitt aller Klassen die wenigsten Mängel Foto: AUDI AG

Der Gebrauchtwagenmarkt boomt: Mehr als 7,3 Millionen Fahrzeug-Umschreibungen hat das Kraftfahrt-Bundesamt 2015 gezählt. Doch für Käufer birgt so ein Geschäft immer auch ein Risiko.

Stuttgart - Wissenschaftler nennen das Phänomen etwas hochgestochen „asymmetrische Information“. Dabei ist es im Grund ganz einfach: Wer einen Gebrauchtwagen kauft, kauft gewissermaßen die Katze im Sack. Denn nur der Verkäufer weiß, ob das Auto verdeckte Macken hat. Der Käufer wiederum muss sich mehr oder weniger auf das verlassen, was der Verkäufer ihm erzählt. Zeigen sich später Mängel, wird es schwierig, einen Privatverkäufer in Regress zu nehmen. Dieses Risiko ist einer der Gründe, warum Gebrauchtwagen so viel billiger sind als nagelneue Fahrzeuge.

Je mehr der Käufer über das Fahrzeug weiß, desto besser kann er dessen Wert einschätzen. Der Stuttgarter Dekra-Konzern hat sich das Ziel gesetzt, hier zusätzliche Informationen verfügbar zu machen. Er wertet regelmäßig die Daten aus 15 Millionen Hauptuntersuchungen der letzten zwei Jahre aus, um festzustellen, bei welchen Fahrzeugen die meisten Mängel festgestellt worden sind. Wegen der großen Zahl entstehen dadurch statistisch belastbare Ergebnisse darüber, welche Qualität die einzelnen Modelle aufweisen.

Um die Aussagefähigkeit zu erhöhen, werden die untersuchten Fahrzeuge zudem in Laufzeitklassen eingeteilt: Bis 50 000, bis 100 000 und bis 150 000 Kilometer Laufleistung. Damit werden sehr neue Modelle, bei denen die meisten Fahrzeuge noch wenige Kilometer haben, nicht bevorzugt gegenüber anderen Modellen, die womöglich nur deswegen mehr Mängel haben, weil die Fahrzeuge im Durchschnitt älter sind. Auch bleiben Mängel, die wenig oder nichts mit dem Automodell zu tun haben, unberücksichtigt – etwa abgefahrene Reifen, die mehr über den Fahrer aussagen als über sein Auto.

Modellvielfalt ist enorm gewachsen

Längst sind die Autohersteller dazu übergegangen, ganze Modellfamilien auf den Markt zu bringen. Hier noch eine Cabrio- oder Geländevariante, da noch eine Kombiversion. Früher war Standardisierung Trumpf, weil die Modellvielfalt Entwicklung, Produktion und Einkauf teuer machte; mit den modernen Plattformstrategien, bei denen ganze Fahrzugarchitekturen über mehrere Modellreihen und – bei Mehrmarkenkonzernen wie VW – auch über Marken hinweg vereinheitlicht werden, wächst die Modellvielfalt ungemein. 474 Modelle wurden dieses Mal in den Test einbezogen; vor fünf Jahren waren es mit 232 nicht einmal halb so viele. Auch dies hat Auswirkungen auf den Test, denn die Verkaufszahlen halten mit der Zahl der Modellvarianten nicht mit. Um trotz der geringeren Zahl von Käufern pro Modellvariante statisch belastbare Zahlen zu bekommen, zieht Dekra eine Untergrenze bei der Zahl der Autos, die pro Laufleistungsbereich zusammenkommen müssen: Nur Modelle, die in einem Laufleistungsbereich auf mindestens tausend getestete Fahrzeuge kommen, fließen in die Bewertung ein.

Die häufigsten Mängel wurden im Bereich Elektronik/Elektrik/Licht festgestellt, gefolgt von der Bremsanlage. Kaum noch Mängel gibt es im Bereich Karosserie – ganz einfach deshalb, weil der Rost heute weitgehend besiegt ist. Der hohe Anteil der Elektronik bei den Mängeln hängt nicht unbedingt mit schlechterer Qualität zusammen, sondern damit, dass moderne Fahrerassistenzsysteme heute viel weiter verbreitet sind. In vielen Modellen gab es früher keine Mängel bei Fahrerassistenzsystemen – weil sie gar keine an Bord hatten.

Für den Käufer ist vor allem der Vergleich von Fahrzeugen innerhalb der jeweiligen Klasse interessant. „Ein Fahrzeug der Luxusklasse in der Mängelbilanz mit einem Kleinwagen zu vergleichen, ist nicht sinnvoll“, sagt Gerd Neumann, Chef der Dekra Automobil GmbH. Dennoch ermittelt Dekra auch einen Sieger aller Klassen – das ist das Fahrzeug, das über alle Laufleistungsbereiche hinweg die wenigsten Mängel hatte. In diesem Jahr ist dies der Audi A6 – auf den Plätzen zwei und drei landeten die E-Klasse von Mercedes und der Audi Q 5.