Wie wirkt sich eine Hauswanddämmung auf mein Gebäude aus und was muss ich in etwa dafür bezahlen? In Schorndorf kann man die Möglichkeiten verschiedener Sanierungsvarianten jetzt über ein städtisches Internetportal ausloten. Foto: dpa/Kai Remmers

Als wohl erste Kommune Deutschlands richtet die Stadt Schorndorf ein kostenloses Internetportal ein, in dem Hausbesitzer den Sanierungsbedarf und die Auswirkungen von energetischen Modernisierungen ihrer Gebäude aufgezeigt bekommen.

Der größte Klima-Killer Schorndorfs steckt in den örtlichen Privathaushalten. 38 Prozent der Treibhausgase werden hier laut Erkenntnissen der Kommune produziert, ein Gutteil, weil die innen erzeugte Wärme durch ungedämmte Wände und Dächer verpufft und Heizungsanlagen nicht mehr dem Stand der Technik entsprechen. Jedes vierte Gebäude in der Daimler-stadt sei zu Anfang der 1970er Jahre gebaut worden, also bevor die erste Wärmeschutzverordnung dem Energieverbrauch von Gebäuden gewisse Grenzen auferlegt und somit Mindeststandards beim Bauen gesetzt hat, konstatiert Diana Gallego Carrera, die Leiterin der Stabsstelle Klimaschutz und Mobilität im Schorndorfer Rathaus.

Der Sanierungsbedarf ist groß

Der energetische Sanierungsbedarf sei groß, doch oft scheitere eine Umsetzung nicht an den finanziellen Mitteln oder mangelndem Interesse der Hauseigentümer, sondern schlicht an den Informationen darüber, was möglich und sinnvoll ist und wo man gezielte Beratung und Unterstützung bekommen kann, sagt der Oberbürgermeister Bernd Hornikel. Zudem würden Firmen, die für die Umsetzung infrage kommen, mit Anfragen überflutet und mit Bestandsaufnahme- und Erstberatungswünschen überfordert. Rund 80 Prozent der Hauseigentümer brächen den Prozess daher bereits in der Orientierungsphase ab.

38 Prozent der Treibhausgase werden in privaten Haushalten produziert, sagt die Schorndorfer Klimaschutzmanagerin Diana Gallego Carrera. Foto: fro

An dieser Stelle soll deshalb jetzt ein neuer, kostenloser Service der Stadt ansetzen. Als deutschlandweit wohl erste Kommune bietet Schorndorf vom 1. Februar an auf ihrer Internethomepage einen Zugang zu einem interaktiven Gebäudesteckbrief, der es ermöglichen soll, von zu Hause aus Sanierungsszenarien und Photovoltaik-Potenziale auszuprobieren, um Größenordnungen der Einsparmöglichkeiten sowie der Investitionen abschätzen zu können.

Plattform von „Fünf Prozent“

Entwickelt hat diese Plattform das erst jüngst gegründete Start-up-Unternehmen „Fünf Prozent“, eine Ausgliederung eines Forschungsteams der Hochschule für Technik Stuttgart. Dieses greift dabei auf für nahezu alle Gebäude in Deutschland vorhandene, frei zugängliche 3D-Gebäudedaten zurück, verknüpft diese mit verschiedenen energetischen Annahmen und aktuellen Zahlen und lässt alles in ein Simulationsmodell einfließen. Der jeweilige Hausbesitzer kann die Daten noch verfeinern, indem er Angaben wie zwischenzeitlich gemachte Sanierungen, Heizungsarten oder anderes ergänzt.

Sally Köhler ist eine der Geschäftsführerinnen von Fünf Prozent. Foto: fro

Die Software errechnet letztlich nicht nur den Wärmebedarf des Gebäudes und die voraussichtliche CO2-Einsparung in verschiedenen Sanierungsszenarien, sie schätzt auch die jeweilige Investitionshöhe und Amortisationszeit ab. Alles auf einem Blick, spielerisch leicht und kostenlos, da die Stadt den Verwalter der Plattform bereits für diesen Service bezahle, wie die Geschäftsführerin von Fünf Prozent, Sally Köhler, bestätigt.

Sammelbestellung bei Photovoltaik möglich

Wer möchte, kann darüber hinaus in Sachen Photovoltaikanlage noch einen Schritt weitergehen und sich per Mausklick für eine mögliche Bündelungsaktion anmelden. Kommen genügend Interessenten zusammen, werden die Möglichkeiten bei einer gemeinsamen Informationsveranstaltung noch einmal vertieft und dann auf Wunsch eine Sammelausschreibung gemacht, um bei ausführenden Firmen in den Genuss von Mengenrabatten zu kommen. Das heißt, die Fünf Prozent GmbH holt Angebote von ausführenden Firmen ein, unterstützt bei der Beantragung von Fördermitteln und übernimmt bei Bedarf auch die Koordination des ersten Handwerkerbesuchs.

Grundsätzlich aber sei die Plattform erst einmal als ein niederschwelliges Angebot gedacht, sich einen individuell auf das eigene Haus abgestimmten groben Überblick über die Möglichkeiten und Größenordnungen verschiedener energetischer Sanierungen zu verschaffen, sagt die Klimaschutzmanagerin Diana Gallego Carrera. Mit diesen Erkenntnissen könnten dann die nächsten Schritte zur Maßnahmenumsetzung geplant werden – allein oder mit den im Steckbrief verlinkten Partnern und Angeboten.

Die Kommune hofft auf diese Art und Weise, schlummernde Potenziale wecken zu können. Denn „an dem Ziel, die Stadt bis 2035 klimaneutral zu gestalten, wollen wir weiterhin festhalten“, betont der Oberbürgermeister Bernd Hornikel.

Den Schorndorfer Gebäudesteckbrief findet man unter der Adresse www.schorndorf.de/gebäudesteckbrief.

Fünf Prozent

Forschungsteam
Hinter Fünf Prozent steht ein Forschungsteam der Hochschule für Technik Stuttgart, welches sich zum Ziel gesetzt hat, dazu beizutragen, die Dekarbonisierung des Gebäudebestands entscheidend zu beschleunigen. Die von ihnen entwickelte Software arbeitet mit digitalen 3D-Modellen des Gebäudebestands.

Hintergrund
Um die Klimaziele der Bundesregierung im Gebäudebereich einzuhalten, müssen bis zum Jahr 2030 etwa 45 Prozent der CO2-Emissionen eingespart werden. Dafür müsste Deutschland eine jährliche Sanierungsrate von fünf Prozent erreichen – daher der Name der eigens gegründeten GmbH.