Polizeiübung der Böblinger Polizei im Vorfeld der Fussball-Weltmeisterschaft 2006. Foto: dapd

Vorbereitungen für Einsatz deutscher Polizisten in Polen und der Ukraine laufen auf Hochtouren.

Berlin - Wenn der Wille des Publikums den Ausschlag gäbe, wäre die EM-Teilnahme der für Deutschland startenden Bundeskanzlerin Angela Merkel entschieden: Drei von vier Deutschen sprechen sich in der Umfrage des ARD-„Deutschlandtrends“ dafür aus, dass die deutsche Regierungschefin nicht zur Fußball-Europameisterschaft in die Ukraine fährt. Stolze 74 Prozent der Befragten halten den Kanzlerinnen-Boykott für eine „angemessene“ Reaktion auf die Inhaftierung und schlechte medizinische Versorgung der früheren ukrainischen Ministerpräsidentin Julia Timoschenko. Nur logisch erscheint den Befragten, dass sich auch alle anderen Bundesminister fernhalten.

Angela Merkel selbst lässt weiterhin offen, ob sie für EM-Spiele in die ehemalige Sowjetrepublik reisen wird. „So etwas entscheide ich immer kurzfristig“, sagte sie in einem Zeitungsinterview.

Allerdings gilt es in der Bundesregierung als unvorstellbar, dass Merkel auf der Ehrentribüne neben dem ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch sitzt, sollte sich die Lage für Timoschenko bis zur EM nicht verbessern. Es sei wichtig, alles dafür zu tun, dass Timoschenko schnell die richtige Behandlung für ihre Erkrankung bekommt, so Merkel: „Die rechtsstaatliche Lage in der Ukraine gibt Grund zur Sorge.“

Mit dem Schlagstock nach Polen?

Unterdessen laufen die Vorbereitungen für einen Einsatz auch deutscher Polizisten in Polen und der Ukraine auf Hochtouren, um gewaltbereite deutsche Fans im Zaum zu halten. Nach Informationen unserer Zeitung sollen 30 Beamte von der Bundes- und den Länderpolizeien zum Einsatz kommen. Es handelt sich um szenekundige Polizisten, die viel Erfahrung im Umgang mit sogenannten gewaltbereiten Hooligans haben. Insgesamt fünf Nachbarländer Polens senden Polizisten, um ihnen bekannte Fußballfans an die Austragungsorte der EM zu begleiten.

Noch gibt es keinen Staatsvertrag zwischen Polen und Deutschland, der die Befugnisse der 30 Mann regelt. Es ist vorgesehen, dass die Beamten hauptsächlich kommunikativ tätig werden, also als Verbindungspolizisten zwischen deutschen Fans und polnischen Behörden und Polizisten. Dazu haben sie entsprechende Sprach- und Kulturkenntnisse erwerben müssen. „Mit unseren osteuropäischen Partnern ist es leichter, Vereinbarungen zu treffen, als mit manch westeuropäischen Ländern“, betont Rainer Wendt, Polizeigewerkschaftschef im Deutschen Beamtenbund. „Dort gibt es nicht so viele gewachsene Vorbehalte.“ Allerdings ist bei jeder Anwendung von hoheitlicher Gewalt Schluss.

„Die Staaten haben etwas dagegen, wenn Polizisten aus fremden Ländern bei ihnen zu Schusswaffe, Schlagstock oder Tränengas greifen. Das werden auch unsere Polizisten weder in Polen noch in der Ukraine tun. Die sind hier absolut zuverlässig.“ Wendt betont: „Auslandseinsätze gehören inzwischen zum Berufsbild der deutschen Polizei. Wir müssen einen viel höheren Wert auf einheitliche Ausbildungsstandards legen.“

Fußball-WM 1998 in Frankreich als Warnung

Der Linken-Politiker Andrej Hunko hatte zuletzt in einer Anfrage an die Bundesregierung wissen wollen, wie der Polizeieinsatz in Polen und der Ukraine aussehen solle. Innenstaatssekretär Christoph Bergner beteuert: „Gerade die Bundesrepublik Deutschland hat nach den Vorfällen bei der Fußball-WM 1998 in Frankreich ein besonderes Interesse, eine Ansehensschädigung durch gewaltbereite Fußball-Hooligans zu verhindern.“ Dieser Erfahrungsaustausch und die internationale polizeiliche Zusammenarbeit hätten sich in der Vergangenheit bei in Europa stattfindenden Turnieren bewährt. Auch bei der Weltmeisterschaft in Deutschland 2006 waren ausländische Polizisten zur Kontrolle internationaler Hooligans im Einsatz.

„Ziel ist ein abgestimmtes Vorgehen gegenüber deutschen gewaltbereiten Störern und die Strafverfolgung etwaiger deutscher Fußballanhänger im Ausland, die bei der Begehung von Straftaten im Zusammenhang mit dem Turnier angetroffen werden“, so Bergner, der auf die besondere Verpflichtung verweist, sämtliche Maßnahmen eng mit den zuständigen Stellen der Republik Polen abzustimmen. Das Bundesverteidigungsministerium sei nicht eingebunden.