Italiens Erfolgstrainer Antonio Conte Foto: EPA

Der überraschende Erfolg der Italiener bei der EM wird vor allem der Arbeit von Trainer Antonio Conte zugeschrieben. Vor der deutschen Elf, dem nächsten Gegner im Viertelfinale am kommenden Samstag (21 Uhr), herrscht großer Respekt in der Squadra Azzurra.

Saint-Denis - Wie ein Schauspieler vom Set kam Gianluigi Buffon nach getaner Arbeit in die Katakomben des Stade de France. Auf dem Platz hatten die Teamkollegen nach dem Schlusspfiff ein Spalier gebildet, um ihn zu seinem klassischen Stunt zu animieren – der Turneinlage an der Torlatte, die er auch mit 38 Jahren problemlos meistert. Nun trug Buffon das Haar zerzaust, das dunkelblaue Hemd weit offen und dazu eine Sonnenbrille. Wie immer es auch ausgeht für Italien bei der EM, einen cooleren Fußballer wird man bei diesem Turnier nicht finden.

Buffon blieb da und dort kurz stehen, lachte, posierte für ein Foto, gab seine gewohnt präzisen Einschätzungen. Gigi, macht Deutschland Angst? „Große Angst“, antwortete er, „so wie auch Spanien große Angst machte. Auf dem Papier sind sie stärker als wir, das ist die Wahrheit.“ Aber jetzt stand auf dem Papier ein 2:0 Italiens gegen Spanien. „Der Platz ist der Ort, an dem Urteil gesprochen wird“, sagte Buffon.

Ein Monument der Trainerkunst

Wundersamer als bei dieser EM war selbst Italien noch nie. Der alte Mythos von der Turnier-Mannschaft ging ja immer so, dass die viermaligen Weltmeister sich mit spekulativem Defensivfußball irgendwie durchmogeln. Das war oft deshalb besonders ärgerlich, weil Italien immer große Fußballer hatte. Riva, Rivera, Boninsegna. Rossi, Conte, Scirea. Baggio, Maldini, Baresi. Pirlo, Totti, Del Piero. Über den aktuellen Jahrgang hingegen sagte nun Verteidiger Giorgio Chiellini, der Schütze des 1:0: „Wir sind keine Phänomene, und werden es auch nie sein.“ Dafür spielen diese Nicht-Phänomene aber einen Fußball, wie ihn die Alten selten hinbekommen haben.

Die Arbeit von Antonio Conte („Sinnlos zu verbergen, dass wir in punkto Talent eine schwierige Phase durchleben“) erhebt dieses Paradox schon jetzt in mythische Dimensionen. Italiens Werdegang bei diesem Turnier ist ein Monument an die Trainerkunst, und in gewisser Weise spielt die Squadra an diesem Punkt dann doch mit unfairen Mitteln. Wo Länderauswahlen sonst überwiegend von verdienten Altmeistern mit lange zurückliegender oder überschaubarer Clubkarriere gecoacht werden, ist der 46-jährige Apulier ein herausragender Vertreter des aktuellen Mega-Trainer-Trends. Einer wie Simeone, Klopp, Guardiola. Ein messianischer Anführer. Einer, der von der Motivation bis zur Taktik, von der PR bis zur Physis alles im Blick hat, und seiner Mannschaft eine Erzählung gibt. Einer, der nicht umsonst die abgestürzte Alte Dame namens Juve wiederbelebte (2011-2014) und nach diesem Turnier bei Chelsea anfängt.

Buffon begeistert von Contes Arbeit

„Italien ist mehr als Catenaccio“ – diesem feierlichen Satz Contes konnte zumindest an diesem Abend keiner widersprechen. Wo die Azzurri im Gruppenspiel gegen Schweden (1:0) noch für das Match mit den wenigsten Torabschlüssen seit 1980 verantwortlich zeigten, schlugen sie gegen ein dekadentes Spanien einen Rhythmus an, den der Titelverteidiger nur selten mitgehen konnte. Hätte Italien wirklich noch die großen Angriffstalente früherer Generation, es hätte angesichts zahlreicher Großchancen ein Schützenfest feiern können. Aber diese Sturmdiven von einst würden dafür nicht so arbeiten wie Eder und Pellè, und diese Gefolgschaft ist für den hochtourigen Conte-Fußball fast noch wichtiger als das individuelle Talent.

„Er hat enormes taktisches Wissen und überzeugt so die Spieler, an seine Arbeit zu glauben und den letzten Schweißtropfen für die gemeinsame Sache zu geben“, sagte Buffon über seinen Coach, mit dem er wie die „BBC“-Abwehrreihe (Barzagli, Bonucci, Chiellini) schon bei Juventus zusammenarbeitete. Natürlich ist auch gegen Deutschland wieder mit einer strategischen Meisterleistung zu rechnen. An diesem Punkt ist Italien mehr Italien denn je. Der Vorteil der Mannschaft von Joachim Löw ist allerdings, dass sie vielseitiger ist als die Spanier. Der Nachteil ist die Geschichte – wie zuletzt vor vier Jahren im EM-Halbfinale. Doch darüber wollte bei den Italienern niemand reden. „Die Vergangenheit ist die Vergangenheit“, sagte Pellè, Schütze des 2:0. Zu erfreulich ist die Gegenwart, zu viel verspricht die Zukunft. „Jetzt kommt das Schönste, aber auch das Schwierigste“, erklärte Chiellini. „Bevor wir schlafen gehen, werden wir schon mal ein paar kleine Gedanken den Deutschen widmen.“ In deren Ohren kann das nur wie eine Drohung klingen.