Steht in der Kritik: Brasiliens Trainer Carlos Dunga. Foto: AP

Brasiliens Coach Carlos Dunga steht nach Aus bei der Copa America in der Kritik.

Santiago de Chile - Rückkehrer Robinho war der Schreck ins Gesicht geschrieben. Zwar konnte der 31 Jahre alte Kicker des Pelé-Clubs FC Santos nach seinem Tor eine kleine persönliche Erfolgsgeschichte schreiben, doch Robinho ist lange genug im Geschäft, um zu wissen, dass nach dem peinlichen Aus im Elfmeterschießen gegen Paraguay auch seine Zukunft in der Seleção nur ein kleines Zwischenspiel gewesen ist. Der Versuch von Trainer Carlos Dunga, es noch einmal mit den alten Kräften zu richten, ist kläglich gescheitert. Neben Robinho setzte Dunga bei der Copa auch noch einmal auf den eigentlich schon aussortierten und dann nachnominierten Dani Alves. Dass ausgerechnet die beiden Routiniers die Aktivposten bei diesem Turnier waren, zeigt, wie wenig Substanz die Seleção derzeit besitzt.

Außer Neymar, der wegen seines Ausrasters nach der Niederlage im Vorrundenspiel gegen Kolumbien gesperrt war, hat Brasilien derzeit nicht viel zu bieten. Die südamerikanischen Journalisten auf der Tribüne verspotteten derweil Liverpools 41-Millionen-Euro-Neuzugang Roberto Firmino: „Ich habe meine Zweifel, dass er das wert ist“, kommentierten die Reporter des chilenischen Fernsehsenders T13.

Seit einem Jahrzehnt tritt Brasilien nun auf der Stelle. Seit dem Titelgewinn bei der WM 2002 erreichte die Seleção, die immer mehr einem Trümmerhaufen gleicht, nur noch ein Halbfinale bei einer WM. Bei der Copa America ist für Brasilien seit 2007 stets im Viertelfinale Schluss. Wenn es spannend wird bei den großen Turnieren dieser Welt, sehen die hoch dotierten Kicker der Seleção meist nur noch am Fernseher zu.

Carlos Dunga flüchtete sich in Erklärungen, die in seinem Heimatland sowie niemand mehr hören will. „Brasilien hat die Copa America noch nicht so oft gewonnen“, sagte der Chefcoach der Seleção. Damit hat der Weltmeister von 1994 zweifellos recht. Rekordsieger des ältesten Nationenturniers der Welt ist Uruguay, gefolgt von Argentinien. Und genau deshalb ist es auch so verheerend für Dunga, dass er die Riesenchance Copa America so leichtfertig verspielte. In den sozialen Netzwerken forderten die Fans seinen Rauswurf, die brasilianische Presse macht ihn für das Aus verantwortlich, die beiden Fehlschützen Douglas Costa und Ribeiro hatte Dunga erst spät eingewechselt.

Dunga schob das Aus gegen Paraguay auch auf einen Virus. „Es soll keine Entschuldigung sein, aber 15 unserer Spieler haben diese Woche darunter gelitten“, sagte der Coach. Er habe das Training stark einschränken müssen, einige seiner Spieler hätten sich sogar übergeben müssen. Gegen Paraguay sei es aufs Tempo angekommen, und das habe seiner Mannschaft am Ende gefehlt. „Sie hatten den Virus, Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Schmerzen am ganzen Körper. Jedem ging es noch schlechter als dem anderen“, meinte Dunga.

Nach dem Aus bei der WM 2014 mit den deftigen Niederlagegen gegen Deutschland (1:7) und die Niederlande (0:3) zum Abschluss war die brasilianische Öffentlichkeit jedenfalls bereit für einen Neuanfang gewesen. Jung und unverbraucht sollte die Seleção von vorne beginnen. Doch der Verband, damals noch mit dem inzwischen in Zürich im Zuge des Korruptionsskandals rund um den südamerikanischen Verband Conmebol verhafteten CBF-Boss Jose Maria Marin an der Spitze, entschied sich für Dunga, der 2007 zwar die Copa America gewann, aber bei der WM 2010 frühzeitig scheiterte. Und Dunga vermied den radikalen Schnitt, den die Fans so sehr herbeisehnen.

Für den ehemaligen VfB-Profi war angesichts der Hypothek des Misstrauens, das ihm von Beginn seines zweiten Engagements an entgegenschlug, vor allem eines wichtig: gute Ergebnisse in den Testspielen. Die lieferte Dunga am Fließband. Vor allem ausländische Journalisten berichteten von der tollen Serie von zehn Siegen in Folge. Doch darunter waren eben auch Spiele gegen die Kleinen, die sich gerne mal einen Rekordweltmeister zum Zeitvertreib einladen.

Verheerend ist dagegen eine andere Bilanz: Von den jüngsten sechs Pflichtspielen hat Brasilien vier verloren. Bei der WM im eigenen Land gab es die beiden historischen Schlappen, danach folgten bei der Copa America Niederlagen gegen Kolumbien und nun im Elfmeterschießen gegen Paraguay. Auf der Habenseite: zwei Zittersiege über Venezuela und Peru.

Unterdessen dürften auch der FC Liverpool und Bayern München mit Sorge nach Brasilien schauen. Liverpools Neuzugang Roberto Firmino fiel beim internationalen Härtetest in Chile krachend durch. Der Ex-Hoffenheimer konnte nicht überzeugen. Und der mögliche Bayern-Neuzugang Douglas Costa, mit 24 Jahren einer, den Dunga einmal mit Blick auf die nächsten Jahre hätte ins Feuer werfen können, genießt offenbar nicht das Vertrauen des Trainers, sonst wären es ein paar Spielminuten mehr geworden. Der verschossene Elfmeter gegen Paraguay dürfte ihn in der internen Hierarchie weiter zurückgeworfen haben.