Als kürzlich die Versorgung bei Branchenprimus T-Mobile zusammenbrach, war die Aufregung groß. Doch es gibt in Deutschland noch Gegenden, die dauerhaft ohne Netz sind.

Als kürzlich die Versorgung bei Branchenprimus T-Mobile zusammenbrach, war die Aufregung groß: Oh Schreck, kein Handy! Dabei war die Panne nach kurzer Zeit behoben. Andere hängen auch 17 Jahre nach dem Start des digitalen Mobilfunks in Deutschland noch im Dauerfunkloch.

Tilo N. lebt im Tal der Handylosen. Das Glattal, zwischen Horb und Freudenstadt im Nordschwarzwald gelegen, ist auf einer Strecke von mehr als zehn Kilometern von der Welt des Mobilfunks abgeschnitten. Kein Netz für niemanden. Kein D1, kein Vodafone, kein E-Plus, kein O2: "Diese Nummer ist vorübergehend leider nicht erreichbar." Der 30-Jährige lebt in Bettenhausen, einem Teilort der Gemeinde Dornhan, und er lebt auch ganz gern dort. Die Umgebung ist schön, Infrastruktur vorhanden, wenn auch in ländlicher Ausprägung. Nur das mit dem nicht vorhandenen Handynetz, das nervt gewaltig. Selbst das stärkste Netz, das D1-Netz der Telekom, bietet keinen Empfang, auch nicht im Freien.

Wenn Tilo N. eine Kurzmitteilung verschicken will, geht er ins Dachgeschoss und streckt seinen Arm zum Fenster hinaus - "aber auch das funktioniert nur bei gutem Wetter", sagt er mit einem Augenzwinkern. Die meiste Zeit lässt der 30-Jährige sein Mobiltelefon daher im Auto - telefonieren geht schließlich nur, wenn er raus aus dem Tal auf die Höhe fährt. Und einen Funkloch-Rabatt in seinem Vertrag gibt es auch nicht. Kurzum: Die Gesamtsituation für einen jungen Mann wie Tilo B. ist unbefriedigend.

Dagegen unternommen hat er bisher jedoch nichts. Andere der gut 2000 betroffenen Glattal-Bewohner waren aktiver - und wandten sich an den Bürgermeister von Dornhan. Tenor: 2009, mehr als zehn Jahre nach dem Durchbruch der Mobiltelefonie in Deutschland, müsste das mit der Überall-Erreichbarkeit doch eigentlich auch im entlegenen Schwarzwaldtal funktionieren! Anders formuliert: Zählt ein Handynetz heute nicht auch hinter den sieben Bergen in Flecken wie Hopfau, Bettenhausen oder Leinstetten zur öffentlichen Grundversorgung?

Markus Huber sieht es im Prinzip genauso. Der Dornhaner Bürgermeister sagt, er brauche den Mobilfunk dringend - für den Lkw-Verkehr, den Forst, den Straßenbau, den Rettungsdienst - zur kommunalen Grundversorgung eben. "Seit zwei Jahren bin ich dran", erzählt der Dorfschultes, wohlwissend um seinen begrenzten Handlungsspielraum. Bis vor kurzem bekam Huber von den Handyriesen stets dieselbe Abfuhr: Der Standort sei unwegbar, ein neuer Sendemast daher zu teuer.

"Wir sind ein Wirtschaftsunternehmen", macht eine Sprecherin von Vodafone, der Nummer zwei im Land, deutlich Und als solches müsse es nun einmal Kosten gegen Nutzen rechnen. Gerade in Regionen mit vielen Tälern und Bergen - den größten Funkwellenbrechern - sei es oft nicht lohnenswert, neue Stationen zu errichten. "Ein 40-Meter-Mast ist teurer als ein 20-Meter-Mast."

Außerdem ist die Versorgung mit Strom auf dem Land kostspieliger. Auf eine Beispielrechnung will sich die Sprecherin nicht einlassen: Die Kosten-Nutzen-Analyse für unterversorgte Gebiete sei jeweils sehr individuell. Also prüfen Handyfirmen wie Vodafone genau, wo sie noch bestehende Lücken schließen - und wo sie weiße Flecken weiße Flecken sein lassen. Eine Pflicht zur Überallversorgung wie bei Telekommunikation, Strom und Eisenbahn gibt es im Mobilfunk nicht. Die an die Lizenzen geknüpften Vorgaben der Bundesnetzagentur werden laut einem Sprecher alle erfüllt: "Bei keinem Betreiber gibt es etwas zu beanstanden."

Platzhirsch T-Mobile verweist stolz auf seine bundesweite Netzabdeckung von annähernd 100 Prozent. Gemeint ist die alte GSM-Technik. Der Ausbau des moderneren UMTS-Netzes erfolgt laut einem Sprecher derzeit "bedarfsgerecht". Alle Städte über 50 000 Einwohner seien schon mit dem Standard der dritten Generation versorgt. Was der Sprecher nicht sagt, sich aber aus seinen Äußerungen ableiten lässt: Überall dort, wo heute noch Funklöcher bestehen, wird sich auch nichts ändern. Denn UMTS baut auf der alten GSM-Technik auf - sprich: Wo heute kein GSM, da auch kein UMTS.

Nach Angaben des T-Mobile-Sprechers steht die übernächste Mobilfunk-Generation mit noch höheren Datengeschwindigkeiten bereits vor der Tür. LTE oder Wimax werden GSM/UMTS in den nächsten zehn bis zwölf Jahren ablösen. Ihr entscheidender Vorteil: Die Vernetzung über Ländergrenzen hinweg.

Ein erstrebenswerter Ansatz - denn noch ist auf dem Mobilfunksektor von Globalisierung wenig zu spüren. Schlimmer noch: In den Grenzgebieten zu Österreich und der Schweiz wählen sich deutsche Handys oft automatisch in die stärkeren Nachbarnetze ein. Anders als die deutschen nutzen die Schweizer Netzbetreiber ihre hohen Berge, um bis in die entlegensten Täler hineinzustrahlen. So ist die Schweiz das wohl einzige Land der Welt mit einer - bezogen auf die Bevölkerung - 100-prozentigen Netzabeckung.

"Da sind sie uns um einiges voraus", meint Steffen Schmid, der die Internetseite kein-netz.de betreibt. Zwar stehe auch Deutschland im internationalen Vergleich gut da - gerade was die Abdeckung in Städten sowie in U-Bahnen und Zügen angeht. Auf dem Land gebe es dagegen immer noch einige schwarze Löcher, gerade im Schwarzwald, auf der Schwäbischen Alb, im Odenwald oder an der Küste. Deren Bewohnern macht Schmid wenig Hoffnung: "Da tut sich höchstens ganz vereinzelt was." Auch 2009 wachse seine Webseite noch, meist mit Einträgen innerhalb von Gebäuden. Schmid kommentiert humorvoll: "Einstellen muss ich die Seite so schnell nicht."

Dazu beitragen wird sicher auch das auslaufende Roaming-Abkommen zwischen O2 und D1. Bislang konnten die Kunden des kleinsten deutschen Anbieters in ländlichen Gebieten auf das Netz des großen Konkurrenten ausweichen. Das wird ab Ende des Jahres nicht mehr möglich sein. Der Ableger der spanischen Teléfonica baut dann ganz auf sein Netz. Schmid prognostiziert: Für viele der 14,4 Millionen deutschen Kunden werden sich große Lücken auftun.

Im Glattal wird Ende 2009 dagegen eine geschlossen. Für den neuen digitalen Polizei- und Rettungsfunk entstehen vielerorts neue Sendemasten. Errichtet und betrieben werden sie von BOS-Behörden (Behörden- und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben). In Bettenhausen springt nun Vodafone auf einen solchen Masten als Mieter auf - Ende 2009 will der Konzern erstmals Funkwellen in das Tal der Handylosen senden.

Die Unternehmenssprecherin kann sich gut vorstellen, dass es auch in anderen Funklöchern zu ähnlichen Mitnahmeeffekten kommen wird. "Vielleicht steigen dann auch noch andere Betreiber mit ein." Normalerweise sei es eher umgekehrt, und Polizei und Rettungsdienste nutzten die Infrastruktur der Mobilfunkbetreiber. Immer öfter komme es dabei vor, dass sich - speziell beim Breitband-Ausbau fürs Internet - die öffentliche Hand beteiligt - etwa, indem die Kommune die Miete für die Nutzung eines Wasserturms oder Windrads erlässt. Für die Vodafone-Sprecherin kann man da "dann auch nicht von Subvention oder Förderung sprechen". Der Dornhaner Bürgermeister hatte seine Hände bei dem Deal im Glattal nicht im Spiel. Glaubt man den Beteiligten, lohnt sich die Investition auch so für alle. Nicht ganz: "Ein paar sind darunter, die das Ganze nicht gutheißen", berichtet Huber. Er meint die Fraktion der Strahlen-Gegner, die bisher ganz froh über ihr handyfreies Tal waren und schon den Elektro-Smog aufziehen sehen.

Tilo N. gehört nicht dazu. Er freut sich über den Anschluss zur Welt des Mobilfunks, wenngleich er dem Frieden noch nicht so recht traut. "Jetzt warte ich seit über zehn Jahren darauf - aber glauben tu' ich es erst, wenn mein Handy klingelt."