Pilates stärkt Körper und Geist – Trainerin Nilüfer Kuskun (re.) bei einer Übung Foto: Baumann

Mit Pilates für Migrantinnen will die türkischstämmige Trainerin Nilüfer Kuskun in Möhringen ihren Landsfrauen den Weg in die Gesellschaft weisen. Es ist eines von sieben Integrationsprojekten aus Baden-Württemberg, das ausgezeichnet wurde.

Stuttgart - In der Sporthalle im Kinder- und Jugendhaus Fasanenhof in Möhringen suchen sich die Frauen ihre Sportgeräte zusammen. Sie positionieren einen Ball, ein Terraband und den Pilatesring um die Isomatte.

Auf den ersten Blick ist es ein Pilateskurs, bei dem die Teilnehmerinnen auf der Suche nach der Körpermitte, dem sogenannten Powerhouse, sind. Denn laut Erfinder Joseph Pilates braucht ein stabiler, gesunder Körper ein starkes Körperzentrum. Und dafür müssen Ausdauer, Kraft, Koordination und Flexibilität trainiert werden.

Es sind langsame und konzentrierte Bewegungen zur Stärkung von Bauch, Rücken und Becken. Die Kommandos gibt Nilüfer Kuskun, die von allen Nelly gerufen wird. Sie sieht aus wie eine Pilates-Lehrerin aus dem Bilderbuch: schlank, muskulös, durchtrainiert. Die langen schwarzen Haare hat sie mit einem Gummi zum Zopf gebändigt.

Anweisungen auf Türkisch und Deutsch

Erst auf den zweiten Blick unterscheiden sich die Frauen von einer Gruppe, die im Fitnessstudio trainiert. Manche zeigen wenig Haut, andere tragen das Hidschab, das traditionelle Kopftuch, während sie ihre Muskeln trainieren. Das strengt an. Die Anweisungen kommen auf Türkisch und Deutsch. „Ich will, dass ihr auch morgen an mich denkt“, ruft Nilüfer Kuskun und lacht.

Seit September 2014 gibt die Fitnesstrainerin diesen Kurs, den bis zu 15 Frauen regelmäßig besuchen. Das Angebot richtet sich an Migrantinnen. Sie kommen aus der Türkei, aus Griechenland und Kroatien. Einige haben Babys dabei, die im Kinderwagen schlafen.

Und schnell wird klar – hier ist Frau unter sich, es ist eine geschützte, männerfreie Zone. Pilates für Migrantinnen ist eines von sieben Integrationsprojekten aus Baden-Württemberg, das vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und der Katjes Fassin GmbH prämiert wurde.

25 Modelle werden bundesweit mit 55 000 Euro unterstützt

25 Modelle werden bundesweit mit 55 000 Euro unterstützt. Es sollen gezielt jene angesprochen werden, die wenig Sport im Verein treiben. Im Kinder- und Jugendhaus Fasanenhof werden schon länger Frauen mit und ohne Migrationshintergrund betreut. Alle zwei Wochen trifft sich eine gemischte Gruppe, kocht, isst und diskutiert; Pilates ist das zweite Integrationsangebot, das vom Landessportbund gefördert wird.

„Wir hatten schon eine Schwimmgruppe für die Frauen“, sagt Sozialarbeiterin Simone Habelt, „aber wegen der geringen Größe des privaten Bades und des Termins am Freitagabend wurde sie eingestellt.“ Als Ersatz wurde ein Pilates-Kurs am Mittwochvormittag eingerichtet. Es soll ein regelmäßiges Angebot geschaffen werden, um Mädchen und Frauen mit Zuwanderungsgeschichte für den Sport zu begeistern und sie dabei stärker in die deutsche Gesellschaft zu integrieren.

Einige entdecken ein neues Körpergefühl

„Die Nachfrage ist super, und wir hoffen, dass die eine oder andere Teilnehmerin auch den Weg in einen Verein findet“, sagt Simone Habelt, sie wagt aber keine Prognose. „Aber es ist toll, dass sie aus ihren Häusern rauskommen, ohne ihre Männer was unternehmen“, sagt Nilüfer Kuskun.

Einige sind auch dabei, ein neues Körpergefühl zu entdecken. Am Anfang übten sie völlig verhüllt. Jetzt haben sie sich aus dem Kokon geschält und tragen Sportkleidung. „Die Trainerin ist super. Ich freue mich jedes Mal auf die Stunde“, sagt Neziha Üklimek.

Nilüfer Kuskun ist Türkin. Die 35 Jahre alte zweifache Mutter verkörpert jedoch ein ganz anders Frauenbild, ist angekommen in der Moderne. Und sie will ihren Landsfrauen Mut machen. „Vor allem will ich, dass sie Spaß haben, und sie sind schon richtig fit geworden“, sagt sie. Gnade kennt sie keine. „Ihr wolltet Bauchübungen, also bekommt ihr Bauchübungen“, ruft sie. Die Resonanz ist ein kollektives Stöhnen. Muskelkater eingeschlossen. Aber es macht Spaß.