Ein packendes Duell: Lira Alushi und die Französin Elise Bussaglia(hi.) Foto: dpa

Der Erste der Weltrangliste trifft auf den Dritten: Das Viertelfinale Deutschland gegen Frankreich ist das vorweggenommene WM-Endspiel.

Die Teams: Technisch sehr stark, taktisch variabel und torhungrig. Eine Beschreibung, die auf die deutsche Nationalmannschaft zutrifft, aber auch auf die französische. Das Viertelfinale hat Final-Potenzial: Mon dieu, was für ein Spektakel!

Les Bleues sind hervorragend ausgebildet und gelten seit Jahren als eines der besten Teams der Welt, zu einem großen Titel hat es bislang allerdings nie gereicht. Auch das Turnier in Kanada begann für den Weltranglisten-Dritten holprig. Nach den Vorrundenspielen gegen England (1:0) und Kolumbien (0:2) herrschte im Team von Coach Philippe Bergeroo dicke Luft. Die Konsequenz gab’s in der dritten Partie. Zumindest für Starspielerin Louisa Necib. Sie musste für ein Spiel auf die Bank. Der Denkzettel saß. Fortan zauberten sich die Französinnen durch das Turnier. Doppelpass, Rückpass, Abschluss – mit so wenig Ballkontakten wie nötig besiegte das Team Mexiko (5:0) und Südkorea (3:0). „Wir wollen Frankreich keine Luft zum Atmen geben“, sagt die deutsche Mittelfeldspielerin Lena Goeßling, und Bundestrainerin Silvia Neid ergänzt: „Wir müssen von Anfang an Präsenz zeigen. Es wird entscheidend sein, dass wir die Französinnen nicht ins Spiel kommen lassen. Wenn sie ihr Kombinationsspiel aufziehen können, wird es ganz schwer.“ Eine gute Marschroute. Vor allem aber muss der Weltranglisten-Erste im Viertelfinale konsequent seine Chancen nutzen. 19 Tore erzielte das Team von Silvia Neid in den vier WM-Spielen bisher – doch mindestens doppelt oder gar dreimal so viele Möglichkeiten blieben ungenutzt. Dennoch ist die Elf des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) in der Favoritenrolle, nicht nur wegen der beiden WM-Titel (2003 und 2007). „Deutschland ist eine Dampfwalze“, meint die französische Verteidigerin Jessica Houara D’Hommeaux.

Die Stars: Am gefragtesten vor dem Spiel war zweifelsohne Celia Sasic. Nicht nur wegen ihrer bisher fünf Tore. Der Vater aus Kamerun, die Mutter Französin: Das Spiel gegen Les Bleues ist für den Multikulti-Lockenschopf etwas Besonderes. „In der Familie sind die Sympathien klar verteilt. Alle halten zu mir und der deutschen Mannschaft – selbst die, die in Frankreich leben“, erzählt Sasic. Aber auch sonst kann das deutsche Team auf erfahrene Spielerinnen bauen. Auf Stürmerin Anja Mittag (30/ebenfalls fünf Tore) und Nadine Angerer (36) zum Beispiel. Für die Torfrau ist die WM übrigens das letzte Turnier im Nationaltrikot und die letzte Chance für einen weiteren Titel. Für die französischen Stars Laura Georges (30), Camille Abily (30) oder Louisa Necib (28) wird die Zeit ebenfalls knapp, noch die WM-Trophäe zu erobern. Doch nicht nur auf diese drei Spielerinnen müssen die Deutschen achten. „Marie-Laure Delie ist torgefährlich, geht gern in die Tiefe, legt aber auch mal einen Ball ab“, sagt Annike Krahn. Sasic warnt vor Wirbelwind Elodie Thomis, und Ex-Nationalspielerin Britta Carlson, seit sieben Jahren Co-Trainerin beim VfL Wolfsburg, macht auf Eugenie Le Sommer aufmerksam: „Sie ist in der Form ihres Lebens.“

Die Bilanz: 13 Duelle gab es bisher. Achtmal gewann Deutschland, dreimal siegte Frankreich. Zuletzt allerdings hatten die Französinnen die Nase vorn. Im Testspiel im Oktober gewannen Les Bleues 2:0. Bei der WM 2011 trafen die Teams in der Vorrunde aufeinander. Die DFB-Elf setzte sich durch (4:2), doch am Ende wurde Frankreich Dritter, Deutschland schied bei der Heim-WM im Viertelfinale (0:1 n.V. gegen Japan) aus. Nur nicht schon wieder vorzeitig rausfliegen, heißt es im deutschen Lager nun: „Wir wollen dieses Spiel gewinnen“, sagt Krahn.

Die Mentalität: Die Einstellung spricht für Deutschland, meint zumindest Ralf Kellermann. „Die deutschen Fußballerinnen haben eine enorme Qualität, einen herausragenden Teamspirit und die Gabe, im richtigen Moment da zu sein“, erklärt der Chefcoach des DFB-Pokalsiegers VfL Wolfsburg. „Dieses Viertelfinale wird im Kopf entschieden“, glaubt auch Frankreich-Coach Bergeroo: „Es wird für beide Seiten ein schwieriges Spiel. Doch der Druck lastet nicht auf uns.“ Das Stadion: In der frankofonen Millionenmetropole Montreal müssen sich die Deutschen auf ein Heimspiel für die Französinnen einstellen. Stürmerin Alexandra Popp nimmt es mit Humor. „Das ist auch mal ganz cool, wenn ein ganzes Stadion gegen einen ist. Das kann einen pushen.“