Frankenstein (Marius Hubel) nach der Schaffung seines Monsters (Nina Maria Föhr) Foto: Andreas Essig

Erst stößt es wilde Laute aus, später lernt es sogar tanzen: Im Cluss-Garten in Ludwigsburg spielt bei der aktuellen Freiluft-Theatersaison Frankensteins Monster die Hauptrolle.

Ludwigsburg - Vor den Grünabstufungen des Cluss-Gartens in Ludwigsburg steht ein riesiger Totenschädel, der mit Mullbinden überzogen ist. Das passt perfekt zum Schauerdrama „Frankenstein“, denn der furchtbare Doktor bastelt ja sein Monster aus Leichenteilen, und jenes Monster wird zum Mörder (Bühne: Enno Craiss). Das Stück nach dem Roman von Mary Shelley, das jetzt beim Ludwigsburger Theatersommer Premiere hatte, wurde 2011 uraufgeführt und spielt 1817. Sehr eindrücklich ist die Eingangsszene geraten. Frankensteins Monster, im Stück „Wesen“ genannt, erhebt sich von seinem Geburtslager und schält sich aus einem gewaltigen Laken. Sein Körper ist mit blutigen Bandagen umwickelt, den Kopf umhüllt ein Strumpf wie bei einem Bankräuber. Menschen, die des Wesens angesichtig werden, erschrecken. Erst einmal stößt es bloß unartikulierte Laute aus, später lernt es sogar tanzen.

Der ehrgeizige Wissenschaftler Frankenstein (etwas zu unruhig: Marius Hubel) erschafft aus Leichenteilen einen lebendigen Menschen, der sich als schrecklicher Zauberlehrling entpuppt. In Dears Stück spielen alle vier Protagonisten, zwei Frauen und zwei Männer, wechselweise das Wesen, und das gelingt ihnen ziemlich gut. Das Monster wirkt unheimlich und zugleich mitleiderregend. Zur Selbststeuerung ist es völlig unfähig. Von einem Paar verprügelt, rächt es sich, indem es eine Hütte ansteckt, in der dann drei Menschen verbrennen.

Von den Menschen lernt das Monster viel – auch zu töten

Verständnis hat man für das Monster, wenn es von Frankenstein eine Frau fordert, die ihm der Wissenschaftler als Partnerin „erschaffen“ soll. Thema des Stücks ist zum einen die Hybris des Menschen, der der Natur ins Handwerk pfuscht. Zum anderen aber hält Frankensteins Monster den „echten“ Menschen einen Spiegel vor: Von ihnen lernt es nicht nur zu sprechen und zu tanzen, sondern auch zu demütigen, zu hassen – und zu töten.

Die Inszenierung von Peter Kratz ist klar gebaut, dazu hat er prägnante Klänge ausgesucht. Trotzdem hat der Abend Längen. Am spannendsten ist er, wenn Frankenstein und das Monster in wütenden Dialogen Klartext reden. Nina Maria Föhr spielt anrührend Frankensteins Verlobte. Laura Locher schafft es, sechs Figuren eigenständige Farben zu verleihen. Andreas Klaue gelingt durch wuchtige Körperpräsenz und seine beängstigende Stimme eine überzeugende Darstellung des Monsters. Die aufregendste Szene des Abends, eine beklemmende Begegnung, glückt ihm gemeinsam mit Nina Maria Föhr, gewissermaßen als die Schöne und das Biest.