Sebastian Vettel feiert in Ungarn seinen zweiten Saisonsieg – auf dem Hongaroring bot der Heppenheimer eine fehlerlose Vorstellung Foto: AP

Wenn jedes Formel-1-Rennen so turbulent wäre wie der Große Preis von Ungarn, hätte die Serie kein Zuschauerproblem. Sebastian Vettel fährt in Budapest im Ferrari souverän vorneweg, doch hinter ihm toben wilde Duelle – und Verlierer Lewis Hamilton wird am Ende sogar noch zum Mini-Gewinner.

Budapest - Endlich hatte Sebastian Vettel wieder allen Grund zum Strahlen. So souverän, wie er auf dem Hungaroring triumphiert hatte, so souverän hatte der Heppenheimer zuletzt im Jahr 2013 im Red Bull den vierten WM-Titel eingefahren. „Grazie, grazie! Es lebe Ferrari!“, hatte der Ferrari-Star in den Boxenfunk gejubelt und an den kürzlich verstorbenen Kollegen Jules Bianchi erinnert, „danke Jules, dieser Sieg ist für dich. Du wirst immer in unseren Herzen sein!“

Trotz der ungewohnten Dominanz des Hessen war es ein Sieg, den nicht einmal die fanatischsten Ferraristi erwartet hatten, denn die Mercedes-Piloten Lewis Hamilton und Nico Rosberg haben eigentlich das Abo für den Erfolg – doch sie wurden von Pech und Patzern zurückgeworfen. So standen fast schon sensationell Daniiel Kwjat und Daniel Ricciardo auf dem Podium; die Red-Bull-Fahrer, die wegen des schwächelnden Renault-Motors in diesen Sphären fast wirkten wie zwei Buben, die sich im Fußballstadion verlaufen haben und sich staunend auf der Ehrentribüne wiederfinden.

„Der tolle Start war entscheidend“, sagte Vettel, „auf diesem Kurs ist es wichtig, nach vorne zu kommen. Das ist ein fantastischer Tag für uns.“ Mit dem Triumph in Ungarn zog der Deutsche nach Grand-Prix-Siegen mit Formel-1-Legende Ayrton Senna gleich, beide kommen auf 41 Erfolge. „Es ist unglaublich, Sennas Marke eingestellt zu haben. Ich bin schon stolz, in der Statistik mit ihm gleichgezogen zu haben“, sagte Vettel. Wäre Kimi Räikkönen nicht von Elektronikproblemen gestoppt worden, wäre für Ferrari gar ein Doppelerfolg möglich gewesen.

Kein Mercedes-Pilot stand auf dem Podium

Was den Ungarn-Grand-Prix zudem einzigartig machte: Kein Mercedes-Pilot stand auf dem Podium, das war seit 28 Rennen nicht mehr passiert. Zuletzt war dies am 24. November 2013 in Brasilien der Fall. Toto Wolff musste deshalb gleich mehrfach tief durchatmen. „Heute hatten wir mehr Probleme und Schwierigkeiten, als normalerweise in einer ganzen Saison vorkommen“, sagte der Mercedes-Motorsportchef, „das war ein richtig schlechter Tag im Büro. Wir müssen uns auf jeden Fall Gedanken machen, damit wir die Fehler ausmerzen und die WM nicht aufs Spiel setzen.“ Hamilton war lediglich als Sechster ins Ziel gekommen, Rosberg gar als Achter. Das hatte viele Gründe, mal war es schlicht Pech, aber es waren auch persönliche Patzer verantwortlich dafür.

In der Dramaturgie war der Kampf von Hamilton und Rosberg um die WM-Führung spannend wie ein perfekt inszenierter Hollywood-Streifen. Den Start verschlief der Weltmeister, er fiel auf Platz vier zurück – und als er sich wieder an Rosberg vorbeiquetschen wollte, holperte er durchs Kiesbett und reihte sich auf Position zehn wieder ein. Dumm gelaufen, wieder bewahrheitete sich das Bonmot, dass man ein Rennen in der ersten Runde nicht gewinnen, wohl aber verlieren kann. Die Ferrari zogen davon. „Da war richtig der Wurm drin. Es ist das zweite Wochenende in Folge, dass wir am Start nicht richtig wegkommen sind“, sagte Wolff.

Doch das Drama um Mercedes war längst nicht zu Ende. Nico Hülkenberg krachte in der 42. Runde nach dem Bruch des Frontflügels mit dem Force India in die Reifenstapel, kletterte aber unverletzt aus dem Cockpit. „Ich habe nur einen Knall gehört und bin geradeaus gefahren“, sagte der Emmericher. Durch die folgende Saftey-Car-Phase bekam Hamilton, der sich auf Platz vier vorgearbeitet hatte, eine neue Siegchance. Aber wieder packte er die Brechstange aus, wo die Feile das bessere Werkzeug gewesen wäre. Im Duell mit Ricciardo beschädigte er den Frontflügel des Silberpfeils, noch ein Stopp in der Box, dazu kam eine Durchfahrtsstrafe wegen der Kollision mit dem Australier. Hamilton lag nur noch auf Platz 13.

Und damit war Nico Rosberg, der Vettel im Respektabstand folgte, virtueller WM-Spitzenreiter. Alles schien auf einen Führungswechsel im WM-Duell programmiert, doch auch der gebürtige Wiesbadener leistete sich einen ärgerlichen Fehler. Nach einem Angriff von Ricciardo wollte Rosberg kontern, mit dem Hinterrad touchierte er jedoch den Frontflügel des Red Bull. Plattfuß. Der Vizeweltmeister schleppte den Mercedes an die Box und rettete wenigstens vier Punkte mit Platz acht. „Ich war ziemlich zufrieden mit dem Rennen – bis zur 64. Runde“, seufzte Rosberg, „danach war ich nirgends, das ist wirklich schade. Manchmal kann der Sport so hart sein, wenn man all diese Punkte verliert. Aber so ist es nun einmal.“

So wurde aus dem Verlierer Hamilton völlig überraschend noch ein Mini-Gewinner. Er baute die WM-Führung auf den Deutschen sogar um vier Zähler aus. Seiner Fehler bewusst, leistete er Abbitte gegenüber seinen Mechanikern. „Viele Antworten habe ich nicht, ich muss mich entschuldigen. Ich versuche, das im nächsten Rennen wieder zurechtzurücken“, sagte der 30 Jahre alte Titelverteidiger. Wenn der Grand Prix in Spa-Francorchamps aus diesem Grund ähnlich spannend wird wie der in Budapest, dürfen sich die Motorsport-Freude wirklich freuen.