Der Flughafen in Stuttgart Foto: Kraufmann

Nach zwei Jahren im Sinkflug legt der Stuttgarter Airport bei Passagierzahlen wieder zu.

Stuttgart - Flughafenchef Georg Fundel sieht derzeit keinen Bedarf für eine zweite Start- und-Lande-Bahn. Rund 9,3 Millionen Fluggäste haben den Stuttgarter Airport im Jahr 2010 passiert. 16 Millionen könne man problemlos abfertigen, "weil bei den Fluglinien der Trend hin zu größeren Maschinen geht".

Ob Höhenflug oder Absturz, ein wenig versuchen Georg Fundel und Walter Schoefer am Mittwoch den Eindruck zu erwecken, als könnten sie es ohnehin nicht beeinflussen. Lahmt die Wirtschaft, lahmt der Flughafen, boomt die Wirtschaft, boomt auch der Flughafen, lautet die simple Gleichung der Airportchefs am Ende des Jahres eins nach der Krise. Gelegentlich gibt es auch noch Unbekannte. Die Unbekannte 2010 hieß Eyjafjallajökull. Nach zwei Jahren des Rückgangs atmen die lange erfolgsverwöhnten Geschäftsführer der Flughafen Stuttgart GmbH (FSG) dennoch durch.

Fluggastzahlen: Nach dem Katastrophenjahr 2009, als ein Minus von zehn Prozent die Zahl der Passagiere auf 8,9 Millionen abstürzen ließ, hatte die FSG ihre Erwartungen für 2010 niedrig angesetzt. Ein moderater Rückgang um zwei Prozent hätte Fundel und Schoefer zufrieden gestimmt. Aber selbst der "pessimistische Ansatz" schien rasch Makulatur zu werden. Wegen des Ausbruchs des Vulkan Eyjafjallajökull waren die Terminals im Frühjahr nahezu verwaist, die Passagierzahlen bis Ende April um fünf Prozent abgestürzt. Über Europa hatte sich eine große Aschewolke gelegt und fast den gesamten Flugverkehr des Kontinents zum Erliegen gebracht. Rettung brachte die Wirtschaft, die sich zusehends besser entwickelte als von Experten vorhergesagt. Schon Ende Juni war die Vorgabe minus zwei Prozent erreicht. Am Jahresende wird die Zahl der Reisenden voraussichtlich um 3,3 Prozent auf 9,3 Millionen angestiegen sein. "Ohne Asche hätten wir mit plus fünf Prozent Normalität erreicht", so Fundel. Mit diesem Wert plant die FSG für 2011, der Höchststand aus dem Jahr 2007 mit 10,33 Fluggästen wäre noch nicht erreicht.

Zweite Start-und-Lande-Bahn: Die sinkenden Fluggastzahlen hatten dem Flughafenchef jäh die Argumente für eine zweite Piste geraubt. Seit Mittwoch dürfen die Pläne endgültig als zu den Akten gelegt betrachtet werden. Walter Schoefer bemühte zwar noch Film-Agent James Bond und sagte: "Sag niemals nie." Doch Kollege Fundel stellte fest: Eine zweite Start-und-LandeBahn sei "im Moment kein Projekt". Den Grund dafür liefern die Fluggesellschaften. Selbst bei Günstigfluglinien gehe der Trend hin "zum großen Fluggerät. Bei einem Marktanteil von Air Berlin und Germanwings in Stuttgart von jeweils 20 Prozent reicht bequem eine Piste, denn größere Flugzeuge verringern die Anzahl der Flugbewegungen. Die sanken im Vergleich zum Vorjahr um 8000 auf 132000, ein Wert, den die FSG zuletzt 1994 erreicht hat. 16 bis 18 Millionen Abfertigungen im Jahr könnten auf diese Weise abgewickelt werden, sagt Fundel, also annähernd doppelt so viele wie 2010. Da dürften auch die erhofften 1,5 Millionen zusätzlichen Fahrgäste, die sich die FSG durch die Anbindung des ICE im Rahmen von Stuttgart 21 erhofft, kaum die Kapazitätsgrenze des Airports ausreizen.

Flugziele: An den Flugzielen lässt sich die Bedeutung eines Airports ablesen, und diese will Fundel selbstredend stetig steigern. Die FSG wolle an die großen Airports der Welt herankommen, die die Funktion einer Luftverkehrsdrehscheibe haben - und selbst eine kleine Drehscheibe werden. Für Flugreisende auf den Fildern bedeutet Fundels Maßgabe: Wer ab Stuttgart fliegt, soll mit höchstens einem Mal Umsteigen ans Ziel gelangen. Ein wichtiges Datum in dem Zusammenhang ist der 6. März 2011, wenn Quatar Airways den Flugverkehr von und nach Katar startet. Im Wüstenstaat entsteht bis 2013 ein Flughafen, der laut Fundel 40 Ziele weiter östlich anbietet. Zunächst wird die Verbindung dreimal die Woche angeboten. Katar täglich anzufliegen ist das Ziel. Mittelfristig will Fundel Direktflüge nach Indien und China anbieten können, "wir wollen das im Zweifel auch ohne die Lufthansa hinbekommen". Strategisch fährt die FSG eine andere Linie als die Fluggesellschaft Lufthansa, "die über Frankfurt in die Welt fliegen will".

Flugplan: Von derzeit täglich acht Flügen nach London werden demnächst zwei oder drei wegfallen, wohl bei der Lufthansa und bei British Airways. "Aber man wird auch künftig jeden Tag nach London fliegen können", sagt Georg Fundel, im Zweifel vom Baden-Airpark bei Söllingen aus, wo die FSG Mehrheitsgesellschafter ist. Ein Problem stellt offenbar auch das Ziel Madrid dar. Germanwings will die spanische Hauptstadt nicht mehr anfliegen, auch Air Berlin denkt darüber nach. Laut Fundel fehlen ausreichend Geschäftsreisende. Änderungen kann es auch bei Flügen Richtung Bremen geben, vor allem wichtig für Mitarbeiter des Autokonzerns Daimler. "Das Ziel fällt nicht weg, aber die Lufthansa optimiert", so Fundel. Dass die Lufthansa-Tochter Germanwings Hamburg nicht mehr anfliegt, stattdessen der Mutterkonzern, "hat uns nicht gefallen". Die Produkte beider Linien "nähern sich an". Grundsätzlich biete der Stuttgarter Flughafen einen stabilen Flugplan.

Stuttgart 21: Für den Flughafenbahnhof besitzt die Deutsche Bahn noch keine Baugenehmigung. Man werde die Bahn bei der Planung nach Kräften unterstützen, sagt Walter Schoefer. Ob der Flughafen noch einmal finanziell nachlegt, beantwortet Schoefer so: "Es gibt heute keinen Grund, diese Frage mit Ja oder Nein zu beantworten." Bisher hat sich die FSG mit 359 Millionen Euro am Bahnprojekt Stuttgart 21 beteiligt.