74 Klassen sind für Schulkinder aus Krisengebieten eingerichtet Foto: dpa

Rund ein Drittel der Flüchtlinge in Stuttgart sind unter 18 Jahre alt, die Zahl der schulpflichtigen Kinder unter ihnen hat sich in den vergangenen zwei Jahren fast verdoppelt. Die Stadt ist fürs kommende Schuljahr mit entsprechend vielen Vorbereitungsklassen gerüstet.

Stuttgart - Weltweit sind rund 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Je nach politischer Entwicklung ändern sich täglich die Zahlen der Flüchtlinge, die in Deutschland eintreffen. Sicher ist nur: Sie verändern sich nach oben.

In Stuttgart kommen etliche im Familienverband an. Laut der Erhebung vom 18. August lebten 3885 Flüchtlinge in Stuttgart, die nun auf ihr Asylverfahren warten. 1127 der Menschen, also fast ein Drittel, sind noch keine 18 Jahre alt. Das sind rund 100 mehr als noch Ende Juli.

Das Ziel der Stuttgarter Sozial- und Bildungspolitik war und ist, diese Kinder und Jugendlichen so schnell wie möglich zu integrieren. Weil das in erster Linie über die Sprache funktioniert, plant das Staatliche Schulamt mit 74 Vorbereitungsklassen. In diesen Klassen werden Schüler ohne und ohne ausreichende Deutschkenntnisse unterrichtet.

Pro Klasse können maximal 24 Schüler unterrichtet werden. Das bedeutet, dass Stuttgart zum Schulbeginn in zehn Tagen für 1776 Schüler gerüstet ist. „Wir haben also genügend Puffer, falls die Flüchtlingszahlen wie prognostiziert weiter steigen, und das Kultusministerium kann darüber hinaus zum Halbjahr nachsteuern“, sagt Ulrike Brittinger, die Leiterin des Staatlichen Schulamts. Vor allem in der Nähe bestehender und geplanter Flüchtlingsunterkünfte sind die Vorbereitungsklassen in Absprache mit den Schulleitungen eingerichtet worden. Nur 40 Prozent der Kinder, die solche Vorbereitungsklassen besuchen, sind Flüchtlinge. Der größere Teil der Kinder stammt aus Familien, die zugewandert sind, unter anderem aus den europäischen Mittelmeerländern Italien, Spanien, Portugal, Griechenland.

Turnhallen stehen für Schulsport zur Verfügung

Jeweils die Hälfte der 1104 Schüler, die sich im Juli in den Vorbereitungsklassen auf den Besuch einer Regelschule vorbereitet haben, waren Grundschüler oder besuchten die Sekundarstufe einer Werkrealschule. Ältere Schüler können an beruflichen Schulen die deutsche Sprache lernen und sich gleichzeitig für eine Berufsausbildung qualifizieren. Das Land unterstützt die Städte und Gemeinden bei ihren Integrationsbemühungen mit 400 zusätzlichen Lehrerstellen für die Schuljahre 2015 und 2016.

Was den Schulsport angeht, so soll der vom 14. September an ohne Einschränkungen stattfinden können. „Momentan gibt es keinen Hinweis darauf, dass Hallen für die Flüchtlingsunterbringung gebraucht würden“, sagt Schulbürgermeisterin Susanne Eisenmann. Was der Winter bringe, wisse man allerdings jetzt noch nicht: „Ausgeschlossen ist nichts.“

Für die jüngeren Flüchtlingskinder hält das Jugendamt eine Betreuung für angemessen. Zwar könnten die Familien ihre Kinder in der Regel selbst beaufsichtigen., aber volle Unterkünfte, Spannungen unter den Bewohnern – „da stellt sich schon die Frage, ob es nicht besser ist, die Kinder für ein paar Stunden rauszunehmen“, sagt der stellvertretende Jugendamtsleiter Heinrich Korn.

Die Familieninformationsstelle führt eine Bedarfsliste für Drei- bis Sechsjährige aus Flüchtlingsunterkünften. Diese Liste kursiert nicht nur in städtischen Einrichtungen, sondern auch in denen der kirchlichen und freien Träger. Laut Korn stehen aktuell 22 Kinder auf der Warteliste der städtischen Einrichtungen. „Die Einrichtungsleiterinnen nehmen immer wieder einige dieser Kinder auf, deshalb ist diese Zahl ständig in Bewegung.“ Die Verständigung mit kleinen Kindern ist indes um einiges komplizierter als mit Schülern. Bisher griffen Erzieherinnen auf die Dolmetscher aus dem städtischen Pool zu, doch dies habe sich nicht bewährt. Korn: „Momentan fragen wir bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen nach, ob jemand entsprechende Fremdsprachenkenntnisse hat. Die Resonanz darauf war riesig! Da steckt viel Potenzial drin.“

Spielgruppen als Zwischenlösung

Inzwischen ist im Jugendamt die erste sogenannte Gelbe Karte eingegangen. Gelbe Karten gehören zum Beschwerdemanagement der Stadt Stuttgart. Der Einsender habe darauf seine Besorgnis ausgedrückt, dass deutsche Kinder durch Flüchtlingskinder bei der Vergabe von Kita-Plätzen verdrängt werden könnten. Heinrich Korn sagt: „Das ist definitiv nicht der Fall.“

Um die regulären Plätze freizuhalten, plane die Verwaltung, sogenannte Spielgruppen einzurichten für Kinder aus Familien, deren Asylbegehren „voraussichtlich nicht erfolgreich sind“.