Parisa Safarmohammad liebt ihre Geige – und Rose Hettich bringt ihr die richtigen Töne bei. Foto: Elke Rutschmann

Musikunterricht im Stuttgarter Norden: Die elfjährige Parisa Safarmohammad aus Afghanistan hat in Rose Hettich nicht nur eine Geigenlehrerin, sondern auch eine Förderin gefunden.

S-Nord - Die gute Nachricht kann Parisa nicht lange zurückhalten. Kaum hat sie mit ihrer Geigenlehrerin im Duett den Glockenkanon gespielt und ein Lob dafür bekommen, da sprudelt es auch schon aus ihr heraus. „Ich bin heute zur Klassensprecherin gewählt worden“, sagt Paria und platzt beinahe vor Stolz. Das ist deshalb so beachtlich, weil sie erst vor gut einem Jahr mit ihrer Familie aus Afghanistan geflüchtet ist.

Parisa besucht die vierte Klasse der Falkertschule am Berliner Platz und hat sich schon bestens integriert. Neben der neuen Sprache musste sie auch eine ganz andere Schrift lernen. Wie gut sie deutsch schon drauf hat, zeigt ein kleiner Aufsatz, den sie für RED, der Zeitschrift des Freundeskreises Killesberg, geschrieben hat. Parisa hat sich hübsch gemacht an diesem Nachmittag. Draußen lacht die warme Frühlingssonne und deshalb hat sie ein lachsfarbenes luftiges Kleid an, die Ohrstecker und der Haargummi sind farblich darauf abgestimmt. Ihre großen dunklen Augen leuchten.

Tagsüber werden die Matratzen weggeräumt

Parisa genießt vor allem die Ruhe und den Platz, wenn sie in die Wohnung von Rose Hettich an der Birkenwaldstraße eintaucht. Mit ihren Eltern und vier Geschwistern lebt sie sonst nur rund 200 Meter entfernt im Containerdorf am Killesberg auf insgesamt 18 Quadratmetern. Tagsüber werden die Matratzen weggeräumt, damit die Familie Platz zum Essen und die drei schulpflichtigen Kinder einen Tisch zum Lernen haben. Dort ist es für Paria nicht leicht, einen Ort zum Geige üben zu finden. Und wenn die Mutter beim Deutschunterricht ist, passt sie als Älteste auf die anderen auf und kümmert sich auch noch ums Abendessen. „Ich will schon fleißig sein. Schließlich möchte ich mal in einem Schulorchester spielen“, erzählt die Elfjährige.

Seit sechs Monaten nimmt sie Unterricht. Im vergangenen Sommer war sie mit ihren Eltern zum Geigenvorspiel bei Rose Hettich eingeladen und verliebte sich sofort in das Instrument. Zunächst kam sie dreimal die Woche. Jetzt hat sie gelernt, alleine zu üben. „Ich versuche meine Schülerinnen in die Freiheit zu erziehen“, sagt Rose Hettich, die auch ehrenamtlich Deutschunterricht gibt. Bis Dezember unterrichtete sie Parisa umsonst. Jetzt übernimmt der Freundeskreis Killesberg die Kosten.

In dieser Stunde korrigiert sie immer wieder die Haltung. Ist der Ellbogen zu weit vorne trifft man die Saiten nicht sauber. Am Anfang war auch immer noch ihre Freundin Nour Alnouri aus Syrien dabei. „Und dann haben wir auf dem Campus an Weihnachten ein kleines Konzert gegeben“, sagt Parisa. Nour macht im Moment Pause, weil sie mehr für die Schule machen muss. Parisa hat keine Probleme und wird im Sommer auf die Realschule oder das Gymnasium wechseln. Sie malt und singt auch gerne und besucht in der Schule noch eine Theater-AG.

Auf der Suche nach einer Wohnung

Rose Hettich ist mehr als nur eine Musiklehrerin für sie, sondern Förderin und Ersatzgroßmutter gleichermaßen. Die Pädagogin kennt die Geschichte der Familie. Parisas Vater Abdulavai Safarmohammad war selbstständig, die Mutter arbeitete in einem Büro der Nato. Sie wurden verfolgt und bedroht und haben eine aufreibende Flucht hinter sich hat. Der kleine Masih kam in Deutschland zur Welt. Parisa blickt nicht gerne zurück. „In Afghanistan hätte ich nie ein Instrument lernen dürfen, das war Jungensache wie so vieles“, erzählt die begeisterte Violinistin. Jetzt streichelt die Musik die Seele. Parisa ist glücklich, weil ihre Familie erst einmal für drei Jahre in Stuttgart bleiben darf. Jetzt wünschen sich die Safarmohammads nur noch eine Wohnung – dann hätte auch Parisa mehr Raum zum Üben.