Die Projekte meiner Stiftungen sind genauso toll wie die Produkte des Unternehmens: Helga Breuninger über ihre Arbeit als Stiftungschefin. Foto: Lichtgut/Horst Rudel

Hinter den Kulissen der Stuttgarter Kaufhauskette Breuninger tobt ein Streit um die Firmenanteile. Helga Breuninger, Unternehmertochter und Stiftungschefin, hofft auf ein schnelles Ende des Prozesses. Denn der überschattet die Arbeit der Stiftung.

Frau Breuninger, Sie haben sich mal als eine gefährliche Mischung aus Visionär und Macher bezeichnet. Was ist gefährlich an Ihnen?
Dass ich nicht nur rede, sondern auch mache. Ich glaube fest an meine Visionen.
Und das erschreckt die Menschen?
Manchmal schon. 2006 habe ich den Vorsitz der Bürgerstiftung in Stuttgart übernommen. Damals dachten die Menschen, dass die Stiftung unter meiner Leitung ein bisschen Gutmenschen-Wohltätigkeit machen wird. Meine Idee war jedoch, dass die Stiftung die Kommune aktiv mitgestaltet. Mit Geldsammeln ist es nicht getan. Dieser Plan und vor allem die dazugehörige Kostenaufstellung haben die Menschen schon erst mal erschreckt.
An anderer Stelle haben Sie auch mal Ihren Vater Heinz Breuninger, den langjährigen Chef der gleichnamigen Kaufhauskette, als Visionär und Macher bezeichnet. Wollten Sie immer so sein wie er?
Ich bin so wie er. Wir haben eine schnelle Auffassungsgabe und spüren, welche Themen sich zu einem Trend entwickeln. Mein Vater war der Erste, der in Deutschland die Kundenkarte in Kaufhäusern eingeführt hat. Er hat als Erster eine Betriebskrankenkasse ins Leben gerufen. Er hat sich zum Kunden hinbewegt, indem er die Breuningerländer gegründet hat. Uns gemein ist, dass wir diese Visionen nicht nur haben, sondern auch umsetzen.
Besonders weitsichtig wollte Ihr Vater auch sein, als er sein Unternehmen nicht an seine Familie vererbt hat, sondern in eine Stiftung gelegt hat, damit kein Streit um sein Vermächtnis entbrennt. Wie sehr belastet es Sie, dass genau das Gegenteil passiert ist?
Ich habe 2004 entschieden, dass die Stiftung, in die mein Vater den Großteil der Unternehmensanteile gelegt hat, aufgelöst werden soll. Damals war die Zukunft von Kaufhäusern nicht sicher. Ich wollte auf jeden Fall verhindern, dass die Stiftung im Kaufhaussterben vernichtet wird. Deshalb wollte ich mich vom unternehmerischen Risiko unabhängig machen. Damals habe ich viel innere Zwiesprache mit meinem Vater gehalten und mich an sein oberstes Prinzip erinnert, „kein Prinzip zu haben“. Mein Vater wollte alles so flexibel wie möglich gestalten, sonst hätte er in die Satzung ja gar nicht die Möglichkeit zur Auflösung reingeschrieben.
Rückblickend hat es aber zu viel Streit geführt, dass er das Unternehmen nicht in die Hände seiner Erben legen wollte. Hat er Sie unterschätzt?
Sicherlich. Er konnte sich Frauen in Führungspositionen einfach nicht vorstellen. Ich weine seiner Entscheidung, mich nicht zur Unternehmenschefin zu machen, heute aber nicht hinterher. Die Projekte meiner Stiftungen sind genauso toll wie die Produkte des Unternehmens. Nur sind wir kein Kaufhaus – und stellen sie darum nicht ins Schaufenster.
Wie optimistisch sind Sie, dass der aktuell laufende Prozess um die Anteile an Breuninger in Ihrem Interesse ausgehen wird?
Um einen Ausgang in meinem Interesse geht es hier nicht. Ich bin nicht Partei dieses Rechtsstreits. Was ich aber hoffe, ist, dass bald endlich wieder die eigentliche Arbeit von Breuninger im öffentlichen Interesse steht: die gemeinnützige Tätigkeit der Breuninger-Stiftung einerseits, der wirtschaftliche Erfolg des Kaufhauses Breuninger trotz schwierigen Marktumfelds andererseits. Wir haben viele aktuelle Themen auf der Agenda. Im Moment sind das vor allem die Flüchtlinge. Auch das ist ein Bereich, in dem wir in der Stiftung unserer Zeit voraus waren.
Inwiefern?
Wir haben schon 2013 mit den Vereinten Nationen darüber gesprochen, dass dies eines der wichtigsten Themen unserer Zeit werden wird. In der globalisierten Welt ist Migration ein großes Zukunftsthema. Durch die sozialen Medien herrscht heute eine völlige Transparenz über die Lebensbedingungen in anderen Ländern und wie Migranten dort leben können.
Hat es Deutschland vor diesem Hintergrund mit seiner Willkommenskultur übertrieben und Dinge versprochen, die am Ende gar nicht einzulösen sind?
Es spricht doch für uns, dass Deutschland so attraktiv ist, dass die Menschen zu uns kommen wollen. Jetzt stehen wir vor der großen Herausforderung, wie wir die Menschen einerseits integrieren und ihnen andererseits auch nicht die Möglichkeit nehmen, wieder in ihr Heimatland zurückzukehren.
Und warum sollte das die Aufgabe Ihrer Stiftungen sein?
Weil es hier nicht um eine Aufgabe geht, die von der Politik alleine gelöst werden kann. Hier geht es um eine Herausforderung, die nur ressortübergreifend und in enger Zusammenarbeit mit der Bürgergesellschaft gelingen kann. Und genau wie man solche Lösungen findet, ist eine Stärke der Stiftungen. Hier haben wir die Prozesskompetenz, mit der wir bundesweit gefragt sind.
Was heißt das?
Wir bringen die verschiedenen Akteure an einen Runden Tisch und erarbeiten, wie Vereine, Hilfsorganisationen, Unternehmen und die Politik in welcher Weise zusammen wirksam werden können.
Mit welcher konkreten Lösung?
Eines unserer großen Projekte in Stuttgart ist die Qualifizierung von Ehrenamtlichen. Uns war klar, dass es keine Lösung sein kann, Flüchtlinge in einen Container im Hallschlag zu packen. Es ist viel menschlicher, Flüchtlinge dezentral in allen Stadtgebieten in kleinen Einheiten unterzubringen. So können Ehrenamtliche vor Ort gezielt helfen. Glücklicherweise gibt es in Stuttgart beim Ehrenamt ein enormes Potenzial. Gemeinsam mit fünf Stuttgarter Stiftungen, einer Koordinationsstelle und den Sozialträgern konnten wir bislang über 3000 ehrenamtliche Flüchtlingshelfer qualifizieren. Diesen Ansatz möchten wir jetzt auch bundesweit verbreiten.
Ist ein drängenderes Problem nun nicht die Integration der Flüchtlinge in Gesellschaft und Arbeitsmarkt?
Sicher. Und auch da sind wir aktiv. Wir haben vor drei Monaten einen Runden Tisch ins Leben gerufen, der sich genau mit dieser Frage befasst. Daran nehmen die Verwaltung, die IHK und die Handwerkskammer genauso teil wie wichtige Unternehmen aus der Region wie etwa Porsche, Daimler und Bosch.
Mit welchem Ziel?
Wir haben in Stuttgart viele unbesetzte Lehrstellen. Unser Ziel ist, bis Ende 2016 so viel junge Flüchtlinge wie möglich in die Lage zu versetzen, dass sie für diese Ausbildungsplätze infrage kommen.
Ihnen könnte das alles auch egal sein. Warum kümmern Sie sich um diese Themen?
Weil ich Teil dieser Gesellschaft bin. Ich habe mehr als andere, also bringe ich mich ein mit dem, was ich habe. Das ist übrigens nicht nur uneigennützig. Es gibt Studien, aus denen hervorgeht, dass aktive Stifter wie ich eine 40 Prozent längere Lebenserwartung haben (lacht). Ich bin 68 Jahre alt, mir geht es gut, und ich bin glücklich, dass ich alle Möglichkeiten hatte und anderen etwas zurückgeben kann.