Anklage am Bauzaun: Die Anwohner des Gebiets Schelmenäcker-Süd in Feuerbach werfen der Stadt vor, entgegen früherer Zusagen eine zweite Flüchtlingsunterkunft zu bauen Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die Stadt stößt bei ihrer Suche nach neuen Standorten für Flüchtlingsunterkünfte an Grenzen. Und auf Widerstand. In Feuerbach hat die Ankündigung, den dort geplanten Bau durch einen zweiten zu erweitern, Aufregung ausgelöst. Die Anwohner sprechen von Wortbruch.

Stuttgart - Von vorweihnachtlicher Stimmung kann im Feuerbacher Gebiet Schelmenäcker-Süd keine Rede sein. Vor einigen Tagen hat die Stadt angekündigt, die dort für nächstes Jahr geplante Flüchtlingsunterkunft in der Größe verdoppeln zu wollen. Zum ersten Gebäude, für das die Bauarbeiten derzeit laufen, soll sich ein zweites gesellen. Statt 78 sollen dort jetzt 156 Asylbewerber unterkommen. Seither gehen die Anwohner auf die Barrikaden.

Am vergangenen Wochenende ist der Bauzaun mit Toilettenpapier und zahlreichen Schildern dekoriert worden. „Anwohner ohne Rechte“ heißt es da, „Es reicht“, „Schluss mit Lügen und Betrügen“ oder „Die Stadt begeht Wortbruch“.

„Uns macht die Art und Weise wütend, wie die Stadt in dieser Sache vorgegangen ist“, empört sich einer der direkten Anwohner. So habe am 16. September eine Ortsbesichtigung durch den Bezirksbeirat stattgefunden, bei der auch die Interessengruppe anwesend war. „Die Vertreter von der Stadt haben uns zu dem Zeitpunkt vorgegaukelt, dass es nur um das eine Haus ginge.“

Der Erste Bürgermeister Michael Föll kann die Vorwürfe nicht nachvollziehen. „Sie gehen völlig ins Leere. Wir haben immer mit offenen Karten gespielt“, sagt er. Nachdem es Ende vergangenen Jahres Widerstand auch gegen Alternativstandorte in Feuerbach, besonders im Gebiet Hattenbühl, gegeben habe, sei die Entscheidung in Übereinstimmung mit dem Bezirksbeirat für den Standort Schelmenäcker-Süd gefallen. „Damals ging es zunächst um ein Gebäude, aber in der Vorlage war bereits ein zweites enthalten“, so Föll. Man habe nie versprochen, dass es nicht komme: „Wir müssen immer die Bedarfsentwicklung abwarten. Die können wir nicht voraussagen“, so der Erste Bürgermeister.

Zumal die Stadt inzwischen an Grenzen stößt. Derzeit leben rund 2600 Flüchtlinge in Stuttgart, bis Ende nächsten Jahres sollen es bereits 4000 sein. Deshalb liegen jetzt Pläne für die Erweiterung in Feuerbach, einen Ausbau in Möhringen und neue Standorte in Botnang und Hausen auf dem Tisch. 561 Menschen sollen so in Systembauten unterkommen. „Selbst damit fehlen uns noch 30 Plätze“, sagt Föll. Alternativen gebe es kaum noch, und wie das Beispiel Feuerbach zeige, gebe es dort unter Umständen ähnliche Bedenken. An den anderen geplanten Standorten stießen die Flüchtlingsunterkünfte aber überwiegend auf Akzeptanz. Zuletzt hatte auch Oberbürgermeister Fritz Kuhn die Bürger der Stadt ausdrücklich dafür gelobt, wie sie mit Flüchtlingen umgehen.

Auch die Mitglieder der Interessengemeinschaft hatten sich schon fast an die erwarteten 78 Asylbewerber gewöhnt, berichtet ein Anwohner. Das Problem sieht er nun in der verdoppelten Anzahl. Denn das Gelände, das auf zwei Seiten an Wohngebiete grenzt, sei von der Größe nicht für so viele neue Bewohner ausgelegt.

„Es ist ein Unterschied, ob man hier 78 oder 156 Menschen unterbringt“, schlägt eine Anwohnerin in die gleiche Kerbe. „Wir müssen mit Lärmbelästigung – etwa durch laute Musik – rechnen, denn die Asylbewerber werden natürlich viel draußen sein.“ Das könne man ihnen auch nicht verdenken. Und noch einen heiklen Punkt bringen die Betroffenen ins Spiel: „Wir haben Angst, dass wir hier einen sozialen Brennpunkt vor die Tür bekommen und nichts dagegen unternehmen können“, sagt ein Anwohner. Die Stadt ignoriere die Ängste schlichtweg und tische immer neue Ausflüchte auf.

Der Gemeinderat soll die neuen Standorte noch vor Weihnachten beschließen. Bis dahin wollen die Anwohner in Feuerbach lautstark gegen die Erweiterung trommeln. Am nächsten Dienstag dürfte dem Bezirksbeirat deshalb eine turbulente Sitzung bevorstehen. Dann kommen auch die Flüchtlingsunterkünfte zur Sprache. Zudem denkt die Interessengemeinschaft Schelmenäcker-Süd über rechtliche Schritte nach.