Innenminister Thomas Strobl (CDU) hält einen generellen Abschluss Foto: dpa

Mehrere Versicherer bieten Gruppentarife für Asylbewerber an. Die Kommunen in Baden-Württemberg nutzen diese aber kaum. Die FDP sieht die Landesregierung am Zug.

Stuttgart - Man stelle sich mal dieses Szenario vor: Ein Flüchtling fährt Fahrrad, gerät aus dem Gleichgewicht und kracht aus Versehen in ein geparktes Auto. Der Blechschaden beläuft sich auf mehrere Tausend Euro. Oder noch schlimmer: Eine Asylbewerberin vergisst, nach dem Kochen den Herd auszuschalten. Ihre Unterkunft fängt Feuer und brennt bis auf die Grundmauern ab. Was dramatisch klingt, kommt nicht oft vor. Und doch bleibt immer die Frage: Wer kommt für den Schaden auf?

Nach Ansicht der Landesregierung haftet der Flüchtling in diesen Fällen selbst. Städte und Gemeinden seien im Rahmen der kommunalen Unterbringung rechtlich nicht verpflichtet, die von Flüchtlingen verursachten Haftpflichtschäden auszugleichen. Das Land plant daher nicht, die Kommunen beim Abschluss von Privathaftpflichtversicherungen für Flüchtlinge finanziell zu unterstützen. Das geht aus einer Antwort des Innenministeriums an die FDP-Abgeordneten Andreas Glück und Jochen Haußmann hervor, die unserer Zeitung vorliegt.

Geschädigter bleibt im Fall der Fälle auf Ersatzansprüchen sitzen

Das Ressort für Inneres, Digitales und Migration stützt sich dabei auf das Bürgerliche Gesetzbuch, in dem verankert ist, dass Personen einen Schaden, welchen sie einem anderen zufügen, grundsätzlich persönlich ausgleichen müssen. Unerwähnt bleibt dabei, dass Flüchtlinge in der Regel mittellos nach Deutschland kommen. Ihnen fehlt damit das Geld, um einen Schaden ersetzen zu können. Ein Geschädigter bliebe im Fall der Fälle also auf seinen Ersatzansprüchen sitzen.

Um dies zu verhindern, bieten mehrere Versicherer seit einigen Monaten spezielle Gruppentarife für Flüchtlinge an, wie der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) auf Anfrage mitteilte. Der Schutz kostet demnach zwischen drei und sechs Euro pro Person und Monat. Städte, Gemeinden und Landkreise in Baden-Württemberg nutzen diese Angebote allerdings kaum. Das sagten Vertreter aller drei Spitzenverbände unserer Zeitung.

Glück (FDP) fürchtet „sozialen Sprengstoff“

Laut Innenministerium haben bisher nur vereinzelte Gemeinden im Südwesten eine private Haftpflichtversicherung für die bei ihnen untergebrachten Flüchtlinge abgeschlossen.

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Andreas Glück hält eine solche Police für wichtig, um in Schadensfällen den sozialen Frieden in einem Ort nicht zu gefährden. „Mehrere Kommunen haben es verstanden, welch sozialen Sprengstoff es bedeuten kann, wenn Flüchtlinge keine Privathaftpflichtversicherung haben“, sagte er unserer Zeitung, „sie finanzieren diese deshalb verantwortungsbewusst aus eigenen Mitteln.“

Glück kritisierte, dass die Landesregierung sich an so einem weitsichtigen Schritt nicht beteilige. Das zeige, wie weit von der Realität entfernt man in Stuttgart regiere, sagte er.

Innenminister Strobl (CDU) verweist auf Grundsatz der Gleichbehandlung

Grün-Schwarz entgegnete, dass bisher lediglich Einzelfälle bekannt seien, in denen Flüchtlinge in kommunaler Unterbringung nicht vorsätzlich Haftpflichtschäden verursacht haben. Es dürfe nicht der Eindruck erweckt werden, dass von dieser Personengruppe für ihre Umgebung ein besonderes Gefahrenpotenzial ausgehe, heißt es.

Einen generellen Abschluss von Haftpflichtversicherungen für Flüchtlinge hält Innenminister Thomas Strobl (CDU) darüber hinaus für „inhaltlich bedenklich“. Sein Ressort begründet dies mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung. Ein Flüchtling dürfe nicht besser gestellt werden als ein Sozialhilfeempfänger – und für diesen Personenkreis ist eine private Haftpflichtversicherung im Leistungskatalog eigentlich nicht vorgesehen.

Sofern Sozialhilfeempfänger eine private Haftpflichtpolice für unerlässlich halten und den Versicherungsbeitrag aufbringen können, müssen sie sich selbst versichern. Das Sozialamt übernimmt die Kosten nur in gut begründeten Ausnahmefällen.