Die Grünen wollen die Polizeistärke im Land erhöhen Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Flüchtlinge, Flüchtlinge, Flüchtlinge: Kein Thema beherrscht auch die Landespolitik derzeit so sehr wie diese Problematik. Acht Wochen vor der Wahl gibt es fast täglich neue Forderungen.

Stuttgart/Konstanz - Es kam, wie es kommen musste. Noch am Dienstag hatte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) eine härtere Gangart in der Flüchtlingspolitik angekündigt und mit dem Satz „Wer straffällig geworden ist, hat sein Bleiberecht verwirkt“ selbst parteiintern für Aufsehen gesorgt, schon am Mittwoch erntete er aus den eigenen Reihen Widerspruch. Die Rechtslage für Abschiebungen sei ausreichend, teilte die Grüne Jugend um Landessprecherin Lena Schwelling mit. Zudem sei es das falsche Signal, Menschen aus Nordafrika pauschal als problematisch einzustufen. „Es geht nicht, dass man Menschen über einen Kamm schert“, kritisierte Schwelling.

Kretschmann hatte am Dienstag erklärt, man werde sich Gesetzesverschärfungen nicht verschließen. Zudem sprach er sich dafür aus, Asylbewerber aus Staaten wie Algerien und Marokko zügig zurückzuführen, da sie hierzulande keine Bleibeperspektive hätten. Nach bisherigen Erkenntnissen waren Zuwanderer aus Nordafrika maßgeblich an den Ausschreitungen in der Silvesternacht beteiligt.

Während die Grüne Jugend ihrem Ministerpräsidenten also nicht folgen mag, erhielt Kretschmann am Mittwochnachmittag bei der Klausurtagung der Landtagsfraktion in Konstanz breite Rückendeckung. Die Fraktion verabschiedete ein dreiseitiges Papier mit dem Titel „Für Sicherheit und Freiheit im öffentlichen Raum“. Einer der Kernpunkte ist der Ausbau der Polizeistärke im Land.

Zwar sei „die technische und finanzielle Ausstattung der Polizei in der Geschichte des Landes noch nie so gut wie derzeit“ gewesen, angesichts der hohen Zuwanderungszahlen von Flüchtlingen und der allgemein gewachsenen Aufgaben der Polizei müsse man aber „in den nächsten Jahren die Präsenz der Polizei spürbar erhöhen. Hierzu streben wir die Erhöhung der Polizeidichte in Baden-Württemberg an“, heißt es in dem Beschluss, der unserer Zeitung vorliegt. Neben den bereits beschlossenen Personal- und Ausbildungsmaßnahmen werde man die Polizei „mit weiteren Stellen verstärken, um zu gewährleisten, dass altersbedingte Abgänge vollständig ersetzt und neue Aufgaben angemessen erfüllt werden können“.

CDU will Residenzpflicht

Der Parlamentarische Geschäftsführer Hans-Ulrich Sckerl bestätigte auf Anfrage das Papier und den Beschluss. Die Fraktion habe „in großer Einmütigkeit bei nur einer Gegenstimme“ das Positionspapier beschlossen und „unterstützt den Ministerpräsidenten in seiner Linie“. Wie viele zusätzliche Polizeistellen geschaffen werden sollen, habe man offengelassen. „Aber es wird eine signifikante Zahl“, so Sckerl. Man sei sich in der Diskussion einig gewesen, „dass wir im Land keine rechtsfreien Räume dulden“ und man Straftaten „hart ahnden“ wolle.

Weitere Punkte des Papiers: eine Reform des Sexualstrafrechts, die schnellere Ausweisung straffälliger Flüchtlinge und die Einführung des Straftatbestands der „tatsächlichen sexuellen Belästigung“. Zudem schließt sich die Fraktion der grün-roten Kabinettslinie an, wonach die Erstaufnahmestellen im Land nun eine Videoüberwachung erhalten und allein reisende Frauen und Männer künftig getrennt untergebracht werden sollen.

Nahezu parallel zu den Grünen verabschiedete die Landtags-CDU bei ihrer Klausur im Schwarzwald die „Titiseer Erklärung“ zur Flüchtlingsproblematik. „Zu oft werden Probleme mit Zuwanderung klein- und schöngeredet“, heißt es, verbunden mit Kritik an der „grünen Multikulti-Politik“. Um den Bürgern wieder ein größeres Sicherheitsgefühl zu geben, müsse die Polizei gestärkt werden, die Schleierfahndung ausgeweitet und die Hürden für die Abschiebung gesenkt werden. „Wer rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe, auch unter Bewährung, verurteilt wird, soll von Asylberechtigung und Flüchtlingseigenschaft ausgeschlossen sein“, so CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf. Zudem wird – wie zuvor schon von der FDP – die Wiedereinführung der Residenzpflicht für Asylbewerber gefordert.

Mehr Abschiebungen und freiwillige Ausreisen

Derweil hat Innenminister Reinhold Gall (SPD) mitgeteilt, dass es bis Ende November 2015 insgesamt 2449 Abschiebungen sowie 5289 freiwillige Ausreisen gab. „Das sind in beiden Bereichen doppelt so viele wie im Jahr davor“, betonte Gall. Schwerpunkt seien Balkanländer wie Serbien, das Kosovo und Albanien gewesen. Es gebe zudem derzeit rund 25 000 Geduldete, die ausreisepflichtig sind. Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) wiederum teilte am Mittwoch mit, insgesamt 98 000 Menschen hätten vergangenes Jahr im Land einen Asylantrag gestellt – eine Verdreifachung gegenüber 2014.