Flüchtlinge drängen sich auf Samos (Griechenland) an einer Essensausgabe. Täglich werden auf Samos derzeit 3500 Portionen Essen in Plastikschalen verteilt, doch das reicht bei Weitem nicht aus. Foto: dpa

Dramatische Zustände auf Samos: Die Versorgung der rund 5000 Flüchtlinge auf der griechischen Insel ist kaum noch möglich. Täglich kommen mehr Menschen aus der Türkei über das Meer.

Athen - Auf der griechischen Insel Samos hat die Kommunalverwaltung ihre Belastungsgrenze erreicht. Die tägliche Versorgung von derzeit rund 5000 Flüchtlingen könne kaum noch gewährleistet werden, berichtet der Sindelfinger Europakoordinator Martin Horn. Er ist mit einer Lieferung Rettungsdecken nach Samos gereist und macht sich derzeit ein Bild vor Ort.

In einem ehemaligen Gefängnis, das als Flüchtlingslager dient, ist offiziell Platz für 240 Menschen. Derzeit lebten dort gut 1200 Flüchtlinge, so der Sindelfinger Helfer. Weitere 3500 befänden sich in einem provisorischen Lager am Hafen, wo sie sich zwölf mobile Toiletten und sechs Duschen teilten.

600 Rationen Essen für 1200 Menschen

Noch schlimmer sei jedoch, dass das Essen nicht mehr ausreiche, weil die Kommune Samos schlichtweg kein Geld mehr hat. „Am Montag zum Beispiel wurden an das eine Lager nur 600 Rationen Essen für 1200 Menschen angeliefert. Aber die drei anwesenden Polizisten verteilten dieses Essen gar nicht erst, weil sie Angst hatten, die Situation könne im Streit um die wenigen Nahrungsmittel eskalieren“, sagt Horn fassungslos. „Ohne die große Hilfsbereitschaft der Bevölkerung und der freiwilligen Helfer aus dem Ausland wäre die Versorgung schon längst zusammengebrochen.“

Für diesen Freitag wurde ein Krisengipfel mit den Bürgermeistern der am stärksten betroffenen Inseln und Regierungschef Alexis Tsipras angesetzt. Vor zwei Wochen hat Michalis Angelopoulos, der Bürgermeister von Samos, ein dramatisches Hilfegesuch an die Regierung in Athen gesandt.

Er bat darin um 600.000 Euro Soforthilfe für die Grundversorgung der Flüchtlinge, für den Bau von provisorischen Unterkünften, für Sanitäranlagen und die Registrierung der Flüchtlinge. „Angekommen sind bisher genau null Euro“, sagt er nun der Deutschen Presseagentur.

Zustände „viel drastischer“ als in Deutschland

Jetzt will Angelopoulos das Thema nochmals auf den Tisch bringen, wenn er und die Bürgermeister der Inseln Lesbos, Chios und Kos mit Tsipras zusammenkommen. „Wir haben mittlerweile nicht einmal mehr genug Essen für die Menschen“, sagt er.

Das kann Martin Horn bestätigen. „Wir stehen mit den Flüchtlingen in Deutschland zwar selbst vor großen Herausforderungen, dennoch gibt es in Europa Regionen, die noch viel drastischer betroffen sind. Mit unserer Unterstützung über die Grenzen hinweg wollen wir ein Zeichen der europäischen Solidarität setzen“, sagt er. Auslöser für den Einsatz der Sindelfinger war ein Hilferuf, den Samos im Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarates in Straßburg abgesetzt hatte.

„Täglich kommen bis zu 1500 Flüchtlinge über die schmale Meerenge aus der Türkei, fast jede Nacht ertrinken dabei Menschen“, berichtet Horn. „Zudem streiken die Fähren seit Tagen, so dass die Flüchtlinge die Insel nicht verlassen können. Es werden immer mehr.“

Sindelfingens Oberbürgermeister Bernd Vöhringer, der auch Leiter der deutschen Delegation im Europarat ist, setzt sich für zügige Hilfe ein. Zum einen will Sindelfingen die Insel Samos direkt mit Hilfsgütern unterstützen, zum anderen soll auf europäischer Ebene appelliert werden, die betroffenen Inseln nicht alleine zu lassen. Denn Samos ist kein Einzelfall. Auf Lesbos etwa werden die Leichen ertrunkener Flüchtlinge mittlerweile in Kühlcontainern aufbewahrt, weil es in den Leichenhallen für sie keinen Platz mehr gibt.