Ammar Almhamid als Bademeister für die Sommer-Saison im Freibad an der Zuffenhäuser Schlotwiese Foto: Bernd Zeyer

Ammar Almhamid kann nicht ohne Wasser. Der syrische Flüchtling hat in seiner Heimat als Bademeister gearbeitet; im Plieninger Hallenbad hilft er ehrenamtlich bei Schwimmkursen mit.

Filder - Ammar Almhamid läuft den Beckenrand entlang. „Schön!“ – „Super!“, ruft er den Kindern zu, die im Wasser ihre Bahnen ziehen. Die einen schwimmen schon ziemlich kraftvoll, andere noch etwas unbeholfen. Sie haben eine Schaumstoffstange um die Hüfte, die den Körper stabilisieren soll. Der 40-jährige Syrer versucht, die Kinder mit aufmunternden Worten anzuspornen – auch seine beiden eigenen. Die elfjährige Raghad und der zehnjährige Faisal nehmen an dem Schwimmkurs des DLRG im Hallenbad Im Wolfer teil, den der Vater als ehrenamtlicher Helfer mit anderen zusammen betreut.

Er bedankt sich beim DLRG

Ammar Almhamid ist im Sommer 2015 mit seiner Familie nach Deutschland geflüchtet. Inzwischen lebt er in einer Wohnung des Siedlungswerks im Stadtteil Steckfeld. In der Sprache, die er gerade erst in Kursen lernt, kann er schon ausdrücken, was ihm wichtig ist. „Ich möchte mich beim DLRG bedanken und bei meinen Freunden hier“, sagt er. Der Satz geht ihm so leicht über die Lippen wie das Anfeuern der Kinder vom Beckenrand aus.

Die Sprachkenntnisse könnten auch etwas mit dem DLRG zu tun haben. Im Sommer half der DLRG Stuttgart dem Freundeskreis Flüchtlinge Plieningen-Birkach dabei, Ammar Almhamid als Bademeister für die Saison in das Freibad auf der Zuffenhäuser Schlotwiese zu vermitteln. Ein Foto aus dem Sommer zeigt den muskulösen Mann in roten Shorts und mit Sonnenbrille, ein Baywatch-Lächeln auf dem Gesicht. Ammar Almhamid muss sich als Bademeister auf Zeit am richtigen Ort gefühlt haben – oder wohl eher wie ein Fisch im Wasser.

In Chabur schwimmen gelernt

Wenn der 40-Jährige erzählt, wie er in seiner syrischen Heimat vor dem Krieg gelebt hat, geht es nicht um Dinge wie Essen oder das Wetter. Er zählt vielmehr auf, wo er überall schon schwimmen war. Aufgewachsen ist Ammar Almhamid in der Stadt Hasaka im Norden Syrien. Vor wenigen Monaten war sie heftig umkämpft zwischen den Truppen des Assad-Regimes und kurdischen Rebellen. In Almhamids Kindheit war Hasaka nur eine ruhige Provinzstadt am Fluss Chabur, der in den Euphrat mündet. „Im Chabur habe ich schwimmen gelernt“, sagt Ammar Almhamid mit einem leutseligen Lächeln. Später zog er nach Darayya, einen Vorort von Damaskus. Statt Flusswasser umgab sich der Syrer als Schwimmlehrer nun mit dem chlorierten Wasser der Hallenbäder in Schulen und Sportanlagen. Seine ganze Familie sei immer sportbegeistert gewesen. „Fußball“, sagt er. Ihn scheint dagegen das Schwimmen in dem Nebenfluss des Euphrat in Kindheitstagen nachhaltig geprägt zu haben. Nicht einmal die Flucht über das Mittelmeer hat Ammar Almhamid offenbar von seiner Leidenschaft geheilt. Über den Krieg, in dem sein Heimatort Darayya wie viele syrische Städte mal eingekesselt, mal heftig bombardiert wurde, verliert Almhamid kein Wort. Kaum eines über die Flucht auf der Balkanroute „Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien“, zählt er nüchtern auf, als würde er jemand die richtige Technik beim Kraulen erklären.

Lieber beantwortet er Fragen, wie es sich denn als Schwimmlehrer in Vorkriegssyrien gearbeitet hat. Ja, er habe auch weibliche Kolleginnen gehabt. Während viele Syrerinnen nicht schwimmen können, trugen vor dem Krieg etwa am Strand bei Latakia auch viele Bikini. „Sunnitische Frauen haben oft ein T-Shirt übergezogen“, berichtet Almhamid. Ihm sei es egal, wer was beim Schwimmen trage und meint wohl, Hauptsache, niemand geht unter.

Die Badehose muss sein

Nachdem Almhamid sein silbernes Rettungsschwimmerabzeichen beim DLRG gemacht hat, möchte er sich bei der Stadt Stuttgart um eine Ausbildung zum Bademeister bewerben. Ein anderer Job, als einer, für den eine Badehose nötig ist, würde den schwimmbegeisterten Syrer wohl auch wenig erfüllen.

Er habe einen Schrecken bekommen, als er erfahren hat, dass das Siedlungswerk seinen Wohnungsbestand im Steckfeld nachverdichten will. „Ich habe Angst bekommen, weil ich mich hier sehr wohlfühle“, sagt er. Das Projekt wird aber voraussichtlich erst in zwei Jahren beginnen. Die Frage eines Umzugs ist für die Familie Almhamid also nicht akut. Der Syrer wird deshalb auch künftig viel Zeit in dem Plieninger Hallenbad verbringen können. Dort lernen jetzt seine beiden Kinder schwimmen – wie er damals im nordsyrischen Fluss Chabur.