Schmuckstück: das königliche Kurtheater in Bad Wildbad Foto: Achim Zweygarth

Mit kleinem Budget und großem Herzen für die Kunst des Belcanto hat sich das Festival Rossini in Wildbad international einen hervorragenden Ruf erspielt. An diesem Freitag startet es mit einem Arien-Konzert.

Bad Wildbad - Dieses Jahr ist in Bad Wildbad ein ganz besonderes Jahr. Nicht nur wegen des neuen Baumwipfelpfades der Gemeinde, auf dessen Turm das Rossini-Festival an diesem Freitag mit einem Open-Air-Konzert eröffnet wird, sondern auch, weil Gioachino Rossinis Kuraufenthalt in dem lauschigen Schwarzwaldort sich 2016 zum 160. Mal jährt. Zugegeben, so richtig rund ist dieses Jubiläum nicht, aber wer die Opern des Komponisten ein wenig kennt, der kann sich vorstellen, dass diesen das keineswegs am Feiern gehindert hätte. Im Gegenteil.

Das Festival selbst feiert auf seine Weise: durch konzentrierte Arbeit und durch den Beweis, dass sich mit Engagement und trotz kleinen Budgets Außerordentliches leisten lässt. „Was wir in zehn Festivaltagen auf die Beine stellen“, sagt Jochen Schönleber, „ist eigentlich nicht schaffbar. Wir machen’s aber trotzdem.“ Sein eigenes, in diesem Jahr schon 25-jähriges Dienstjubiläum in Bad Wildbad erwähnt der Intendant erst auf Nachfrage. Ein bisschen ist der Weltbürger des Belcanto, der die Bühnen der Welt auf der Suche nach jungen, unverbrauchten Stimmen für italienische Opern aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bereist, doch ein bescheidener Schwabe geblieben. Der erinnert sich nicht einmal ungerne daran, dass er zu Beginn seiner Intendanz im Kurhaus noch selbst die Stühle für das Publikum aufstellte. „Wir sind es gewohnt, mit nichts zu arbeiten“: Das ist auch so ein typischer Schönleber-Satz. Er taugt als Motto für ein Festival, das es gewohnt ist, aus der Not eine Tugend zu machen – und das mittlerweile mehr als 50 Prozent seines Etats selbst einspielt. Immerhin ist die Stadt Bad Wildbad trotz Finanzschwierigkeiten ihrem kulturellen Aushängeschild treu geblieben, und das Land, so Schönleber, habe in der letzten Legislaturperiode seinen Zuschuss zwei Mal erhöht, „weil die Bedeutung des Festivals gesehen wird.“ Nur potenzielle Sponsoren gibt es im Schwarzwald nicht; „das“, sagt der Intendant, „ist ein harter Kampf“.

Fünf Opern werden 2016 im hübschen kleinen Kurtheater und in der ehemaligen Trinkhalle aufgeführt, angefangen mit Rossinis erster Oper „Demetrio e Polibio“ („Da haben wir“, sagt Schönleber, „einen Top-Cast zusammenbekommen“), die an diesem Samstag im Kurtheater Premiere hat. Szenische Hauptproduktion ist Rossinis 1814 komponierte romantische Oper „Sigismondo“; wie und warum hier ein halbdebiler König und seine Frau, die er zum Tode verurteilte, am Ende halbwegs glücklich werden, wird der Intendant als Regisseur begründen müssen, und Antonio Fogliani dürfte als musikalischer Festivalleiter auch in diesem Stück wieder dirigierend für Präzision, Energie und Drive beim Residenzorchester sorgen, dem Kammerorchester Virtuosi Brunensis. Jochen Schönlebers Idee, Rossini mit historischen Instrumenten aufzuführen („Eigentlich geht das gar nicht anders“), ließ sich aus finanziellen Gründen nicht umsetzen, aber das, sagt der Intendant, sei halt der Preis der Freiheit. Als Opernmensch fällt ihm dazu natürlich gleich ein Lied ein, und so singt er dann den Refrain des Janis-Joplin-Hits „Freedom’s just another word for nothing left to lose“. Was die Instrumentalisten aus Brünn bieten, ist immerhin keine schlechte Alternative zu alten Instrumenten und authentischer Stilistik.

Rossinis „Le Comte Ory“, eines der Meisterwerke des Komponisten, wird von den Nachwuchssängern der Akademie Belcanto des Festivals halbszenisch gegeben. Hinzu kommen eine hochkarätig besetzte konzertante Aufführung von Vincenzo Bellinis zweiter Oper „Bianca e Gernando“ sowie (als Gastspiel aus Barcelona) Giuseppe Balduccis „Il Conte di Marsico“ von 1839, ein Stück, das in unserer Zeit noch nie gegeben wurde. Schönleber, der Balduccis Werk inszenierte, findet diesen Komponisten „stärker als Donizetti“; Balducci schreibe „Musik, die nie banal ist und die szenisch und sängerisch stark wirkt“. Allein die Besetzung ist originell: Sechs Sängerinnen, die weibliche wie männliche Rollen singen, und ein Frauenchor werden von drei Pianisten begleitet. Im Konzertprogramm des Festivals findet sich neben viel Musik der Rossini-Zeit auch eine Aufführung von Karlheinz Stockhausens „Stimmung“ durch das Ensemble Belcanto – immer wieder setzt Schönleber in seinen Programmen auch mit neuerer und zeitgenössischer Musik Akzente. So lange der 57-Jährige das Festival noch leitet (was sollte er auch anderes tun?), wird das gesamte Programm von Rossini in Wildbad von der Suche nach Neuland geprägt sein: „Schließlich können wir doch nicht bei immer denselben Opernhits im Repertoire bleiben. Es gibt so viel zu entdecken!“

www.rossini-in-wildbad.de