Offen für Neues: der Drehbuchautor Stefan Kolditz Foto: ARD

Stefan Kolditz, der Autor des TV-Dramas „Unsere Mütter, unsere Väter“, ist in dieser Woche mit gleich zwei neuen Filmen im Programm von ARD und ZDF.

Berlin - Selbst ein so erfolgreicher Autor wie Stefan Kolditzerlebt es nicht oft, dass ARD und ZDF innerhalb einer Woche gleich zwei Filme zeigen, die auf seinen Drehbüchern basieren. Interessanter ist allerdings die Tatsache, dass sich „Ein Mann unter Verdacht“ und „Mutter reicht’s jetzt“ kaum miteinander vergleichen lassen: In dem Thriller wird ein Ehemann angeklagt, seine Frau ermordet zu haben, in der Tragikomödie gerät eine Frau um die fünfzig durch Zufall in einen Französischkurs und bricht aus ihrem alten Leben aus.

Kolditz räumt zwar ein, dass er eine Vorliebe für die großen Widersprüche des 20. Jahrhunderts habe und „die deutschen Themen, die uns bis heute nicht loslassen“, aber vor allem versuche er, sich mit Stoffen zu befassen, „die niemand von mir erwartet“. Da die Branche in Schubladen denke, hätte er sich nach dem Weltkriegsdrama „Dresden“ (2006) jahrelang mit dem Thema Nationalsozialismus beschäftigen können. „Stattdessen habe ich ‚An die Grenze’ geschrieben. Danach kamen dann lauter DDR-Vorschläge.“ Das 2007 ausgestrahlte Drama handelt von einem jungen ostdeutschen Grenzsoldaten in den Siebzigern. Der Film hat eine autobiografische Ebene: Kolditz, 1956 in Kleinmachnow bei Potsdam geboren, war mit 18 selber Grenzsoldat. Zunächst wollte er sich gar nicht mit dem Stoff befassen, weil er ihn „viel zu dröge“ fand. „Der Alltag bestand im Wesentlichen daraus, acht Stunden in einem Loch zu hocken und zu hoffen, dass niemand vorbeikommt, auf den man schießen muss.“ Es sei allein der Hartnäckigkeit des heutigen NDR-Fernsehfilmchefs Christian Granderath zu verdanken, dass schließlich ein Film daraus wurde.

Ein Zeitungsartikel gab die Idee

Ohnehin basieren überraschend viele Drehbücher des Wahl-Berliners Kolditz auf Anregungen anderer; bei „Ein Mann unter Verdacht“ zum Beispiel hatte ihm die Producerin des Films einen Zeitungsartikel gegeben. Damit ein Thema Kolditz’ Interesse weckt, „muss es sich um einen Stoff handeln, mit dem ich mich so noch nie befasst habe. Er muss eine derart große Arbeitsleistung von mir verlangen, dass ich im ersten Moment Angst habe, die Aufgabe nicht bewältigen zu können“. Eine gewisse Eitelkeit spiele allerdings auch mit, „weil ich gleichzeitig der Meinung bin, dass es außer mir nur wenige gibt, die bereit und in der Lage wären, sich dieser Herausforderung zu stellen“. Das könne auch ein „Tatort“ wie „Verbrannt“ (2015) über den Tod eines Flüchtlings in Polizeigewahrsam sein: „Ich wusste, dass es nicht leicht sein würde, den Stoff in die vorgegebene Form des Sonntagskrimis umzusetzen.“ Bei einem „Tatort“ sei das Risiko allerdings längst nicht so groß wie bei „Unsere Mütter, unsere Väter“: „Da war nach sechs Jahren Arbeit sechs Monate vor dem geplanten Drehbeginn noch nicht sicher, ob das Projekt überhaupt realisiert wird.“

Damit ist Kolditz bei einem Thema, das viele Leute in der TV-Branche umtreibt: die große Verunsicherung bei den Sendern. „Autoren und Produzenten werden kaum zu innovativen Stoffen ermutigt. Wenn ein riskantes Projekt tatsächlich mal realisiert wird, dann eher gegen die Bangigkeit der Sender. Viele Redakteure sind zwar begeistert von den neuen US-Serien, erklären aber sofort, warum man so etwas bei uns dem Publikum nicht zumuten kann.“ Kolditz hat aber auch Verständnis für die Sender: „Es ist ein schwieriger Spagat, mit hochwertigen Filmen jüngere Zuschauer zu erreichen und gleichzeitig das Stammpublikum nicht zu verprellen. Also setzt man lieber auf Mainstream-Stoffe.“

Kolditz will es jedoch nicht wie viele Kollegen machen, „die sich selbst als die letzten Künstler in der Branche betrachten und Produzenten, Regisseure, Redakteure für desinteressiert, feige oder unfähig halten. Ich habe auch oft genug mit Menschen zusammengearbeitet, die dafür gesorgt haben, dass meine Drehbücher zu besseren Filmen geworden sind.“

Ein Mann unter Verdacht, ZDF, Montag, 24. Oktober, 20.15

Mutter reicht’s jetzt, ARD, Freitag, 28. Oktober, 20.15